17. Juli 2025

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Falter des Jahres: Der Russische Bär

 Joachim Schmitz

Diesmal wurde eine Art gekürt, die als Gewinner des Klimawandels sogar in Ausbreitung begriffen ist. Dazu später mehr, erst mal zum Namen: Bären werden Arten einer Schmetterlingsfamilie genannt, deren Raupen durch sehr dichte Behaarung auffallen. Neuerdings werden die Bärenspinner nur noch als Unterfamilie der Eulenfalter bewertet. Nach der klassischen Einteilung werden sie zu den Nachtfaltern gezählt. Der Russische Bär ist allerdings tagaktiv. Warum der Bär russisch sein soll, dafür gibt es keine plausible Erklärung. Der Name ist Ende des 18. Jahrhunderts aufgekommen. Es gibt auch noch den deutschen Namen Spanische Flagge, dessen Herkunft nicht weniger schleierhaft ist. Wissenschaftlich heißt die Art Euplagia quadripunctaria, in älteren Büchern auch Panaxia quadripunctaria. Das Adjektiv bezieht sich auf die vier schwarzen Flecken auf den ansonsten leuchtendorangen Hinterflügeln.

Die Falter fallen schon durch ihre Größe auf (bis 3cm Länge und 5cm Spannweite). Sie saugen Nektar an typischen Schmetterlingsblumen, allen voran dem Wasserdost. Im Hochsommer können sie sich dort zahlreich versammeln. Die Raupen sind nicht besonders wählerisch und können viele Pflanzen nutzen. Sie überwintern und verpuppen sich dann im Juni. Die erwachsenen Falter erscheinen ab Juli. Als Biotop werden Kalkgebiete mit ausgeprägtem Relief bevorzugt, also Schluchten, steile Hänge usw. Es sollte allerdings immer eine Wasserquelle in der Nähe sein.

Ökologisch bemerkenswert ist, dass die Art sowohl eine Tarn- wie eine Schrecktracht zeigen kann. In Ruhestellung sind nur die beiden Vorderflügel sichtbar, die die Hinterflügel überdecken. Das ergibt eine schwarzweiße Zeichnung wie auf der Abbildung. Vor einem ruhigen Hintergrund mag das auffällig erscheinen. Im Licht- und Schattengewirr eines Gebüschs löst sich aber so der Umriss des Körpers einfach auf und ist perfekt getarnt. Im krassen Widerspruch dazu stehen die grell orange gefärbten Hinterflügel. Die werden nur beim Auffliegen sichtbar. Das soll wohl potentielle Fressfeinde überraschen und erschrecken. Der Unterschied zu einer Warntracht ist, dass die Merkmale nicht dauernd gezeigt werden wie z.B. die schwarzgelbe Streifung bei Wespen oder die Augenmuster beim Tagpfauenauge. Eine ähnliche Schrecktracht zeigen Ödlandschrecken, die erst beim Auffliegen die intensiv blau bzw. rot gefärbten Hinterflügel sehen lassen.

Russischer Bär in Ruhestellung auf Wasserdost. Solange er sich sicher fühlt, verbirgt er die orangen Hinterflügel.

Der Russische Bär ist im Mittelmeerraum verbreitet. Überregional bekannt ist das Vorkommen auf der Insel Rhodos. Dort gibt es ein „Tal der Schmetterlinge“, in dem die Falter massenhaft die Sommerhitze überdauern. Die Art kommt auch in Mitteleuropa vor. Bei uns war die Nordgrenze bisher eine Linie, die quer durch Deutschland etwa von Krefeld bis zum Harz geht. Das scheint sich nun zu ändern. Im Zuge des Klimawandels breitet sich die Art neuerdings nach Norden aus. Das gilt natürlich nur für Gebiete, die das nötige Relief aufzeigen. Das nordwestdeutsche Flachland wird davon nicht betroffen sein.

Scheinbar im Widerspruch dazu ist der Russische Bär trotzdem gefährdet. Wie eigentlich alle Insekten findet er immer weniger Lebensraum. Zum einen ist hier die Versiegelung der Böden zu beklagen. Gerade im ländlichen Raum werden immer mehr Gewerbegebiete ausgewiesen und überall ploppen Supermärkte auf. Dass daneben auch noch die üblichen Fast Food-Ketten aufschlagen, mag dem Zeitgeist geschuldet sein, macht aber auch keine Freude. Zum anderen beschneidet die industrielle Landwirtschaft immer mehr die Lebensgrundlagen für Falter und alle anderen Insekten. Wasserdost ist in der Eifel noch relativ häufig. Früher konnte man dort immer eine Vielzahl von Schmetterlingen beobachten, neben dem Russischen Bär auch gewöhnlichere Arten wie Tagpfauenauge oder Kleiner Fuchs. Seit einigen Jahren habe ich an solchen Stellen kaum noch Falter gesehen.

 

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zuletzt bearbeitet am 1.VIII.2025