Name im Capitulare | Nr. | Botanischer Name | Familie |
anesum | 19 | Pimpinella anisum L. | Apiaceae |
|
Botanische Beschreibung der Art
Der Anis oder auch Pimpernell,
eine flaumig fein behaarte einjährige Pflanze aus der Familie der
Apiaceen, wird 50 bis 60, maximal 100 cm hoch und verströmt als Ganzes
den intensiven typischen Anisgeruch. Er stammt aus dem Mittelmeerraum,
wahrscheinlich aus Griechenland oder von den Ägäischen Inseln,
und nicht aus Ägypten, wie früher angenommen wurde. Der Stängel,
der aus einer spindelförmigen dünnen Wurzel aufrecht hoch wächst
und sich nach oben verästelt, ist rund, gerillt und hohl. Die Blätter
sind vielgestaltig, haben oft eine geteilte Spreite und einen scheidigen
Blattgrund. Die langstieligen Grundblätter sind ungeteilt, fast rund
oder eiförmig und am Rande gezähnt. Die Stängelblätter
sind nach oben zunehmend feiner geteilt, 2-3-fach gefiedert und randlich
gezähnt. Die obersten Blätter sitzen zum Teil direkt auf der
schmalen Scheide und sind so fein gefiedert, dass man meint, sie gehörten
zu einer anderen Pflanze. Der Anis blüht im Juli/August etwa 2 Wochen
lang. Am Ende von Haupt- und Seitensprossen erscheinen 7-15-strahlige Dolden
und Doppeldolden, deren Hüllen meistens fehlen oder zu Fädchen
verkümmert sind, die kleinen Blütchen breiten sich dann wie ein
weißer, manchmal auch rosafarbener Schirm über die ganze Pflanze.
Die Kelche sind nicht mehr zu erkennen, wohl aber ihre weißen Kronblätter,
die einen lang eingeschlagenen Zipfel haben. Im September/Oktober reifen
die graugrünen gerieften zweisamigen Spaltfrüchte heran, die
3-5 mm lang werden, kurz und dicht behaart sind und eine ei- bis birnenförmige
Gestalt aufweisen. Sie sitzen an kurzen Stielresten und haben oft noch
2 mm lange aufrecht abstehende Griffel. Häufig zerfallen sie nicht
in ihre Teilfrüchte. Die Teilfrüchte selbst haben je 5 hellere
Rippen und enthalten die braunschwarzen lanzettlichen Samen, deren etwas
würziger süßlicher Geschmack und Aroma sich erst nach Lagerung
voll entfalten.
Die Aussaat ist einfach,
jedoch stellt der Anis hohe Ansprüche an Boden und Klima. Er braucht
warme Sommer und trockene Herbste zum Ausreifen der Früchte. Unsere
klimatischen Gegebenheiten genügen ihm nicht. So wird Anis bei uns
als Gewürz- und Heilpflanze nur selten angebaut (früher in Thüringen)
und kann deshalb auch kaum verwildern. Anisfelder finden wir vor allem
in Spanien, Italien, Griechenland, Bulgarien und in Russland, wo man den
Anis mit Gras- oder Bindemähern und Mähdreschern erntet. Allerdings
muss man den richtigen Zeitpunkt beachten: gemäht wird bei trüber,
etwas feuchter Witterung oder beim Morgentau, wenn die Früchte ein
wenig gequollen sind und nicht ausfallen können.
Geschichte
Der Name Anis wurde vom Lateinischen
anisum übernommen, was außer dem Namen der Pflanze keinerlei
Bedeutung hat. Pimpinella, ein anderer deutscher Name, könnte
ebenfalls aus dem Lateinischen kommen, nämlich von bipinnula
= zweifaches Federchen oder als Pimpernell von piper = Pfeffer (wegen
des durchdringenden Geschmacks).
Bekannt ist Anis schon lange.
Er wurde bereits vor 4000 Jahren als Gewürz- und Heilpflanze angebaut,
vor allem in Ägypten, aber auch in Syrien, Griechenland und auf Zypern.
Medizinische Texte aus der Pharaonenzeit nannten den Anissamen als ein
Mittel zum Harntreiben, gegen Verdauungsbeschwerden und gegen Zahnschmerzen.
In der Antike backten die Griechen Anisbrot, und Anis war damals ein Bestandteil
des über die Grenzen Griechenlands hinaus bekannten Wundertranks "Theriak",
der nahezu gegen alle Krankheiten helfen sollte. Auch die Römer backten
Kuchen und Kekse mit Anis, wie Vergil bezeugte. Bei Ausgrabungen im Römischen
Kolosseum fand man Anisfrüchte, die die Zuschauer der grausamen Gladiatorenkämpfe
zwischen den Sitzreihen verloren hatten, als sie zur Beruhigung ihrer Nerven
Anisgebäck knabberten. Dioskorides und Plinius lobten die Heilkräfte
des Anis. "Eniß [...] wärmet und trocknet, macht einen guten
lieblichen Atem, sänftiget die Schmerzen, treibt den Harn, vertreibt
die Wassersucht, löschet und stillet den Durst, wiedersteht dem Gift
und ist gut wider aller giftigen Tier Stich und Biss. Vertreibt die windige
Aufblähung des Leibs, stopft den Bauchfluss und übrigen Fluss
der Frauen, bringt die Milch zu den Brüsten, macht einem Lust und
Begierd zum Beyschlaff." Außerdem sollen – nach Dioskorides
– Anisdämpfe Kopfschmerzen und pulverisierter Anis mit Rosenöl
vermischt verletzte Ohren heilen.
Im Mittelalter wurde Anis
immer beliebter bei Backwaren. Als typisches Weihnachtsgewürz wird
er noch heute bei den "Springerle" in Süddeutschland wie bei diversen
anderen Weihnachtsplätzchen (braune Kuchen in der Lüneburger
Heide) verwendet. Man tat ihn auch an eingemachte Früchte oder an
Bratäpfel (Norddeutschland) oder an Brot (Bayern).
Im Mittelalter – manchmal
sogar noch heute – wurden und werden dem Anis auch noch ganz andere Eigenschaften
zugeschrieben. So berichtet von Perger, dass Anis, unters Kopfkissen gelegt,
gegen das Alpdrücken hilft und schöne Träume verschafft,
und dass man sich sein jugendliches Aussehen bewahrt, wenn man sich mit
Aniswasser wäscht. Tauben sollen den Anissaft so gern riechen, dass
man sie damit in den Schlag zurücklocken kann. In Deutschland glaubte
man, dass ein Grünspecht die härtesten Hölzer durchbohren
könne, wenn er sich den Schnabel mit Anis bestriche, und in der Bretagne
glaubte man, dass Eisen wie Glas zerbräche, käme es mit Anis
in Berührung. In Italien gibt es heute noch ein Sprichwort, das Anis
als vorbeugendes Mittel gegen Fallsucht beschreibt: "Chi terrano in mano
una pianta d’aniso, non saran’ molestati dal mal caduco." In vielen Gegenden
wurde Anis als Aphrodisiakum geschätzt und angewendet. So bereiteten
die Frauen im Herbst nach der Feldarbeit, wenn die ruhigere, dunklere Jahreszeit
kam, ihren Männern anishaltige Getränke. Ob und inwieweit sich
das bei der Anzahl der Geburten im folgenden Sommer auswirkte, ist nicht
belegt. Tatsächlich aber ist Anis heute noch ein fester Bestandteil
des Hochzeitskuchens.
Heutige Bedeutung und Verwendung
Verwendet werden Kraut und
Samen des Anis. Das Kraut nimmt man – allerdings recht selten – zum Würzen
von Speisen wie Salaten, Soßen und Gemüsen. Wesentlich vielseitiger
verwendbar ist der Samen, der zu 2-6 % etherisches Öl (90 % davon
Anethol), fettes Öl, Zucker u.a. enthält. Diese etherischen Öle
haben eine leicht antibakterielle, sekretionsanregende, schleimlösende
und auswurffördernde Wirkung. Sie beeinflussen die Tätigkeit
der Flimmerepithele der Bronchien und sind deshalb in Präparaten gegen
Husten, Asthma, Keuchhusten und Bronchitis zu finden, die inhaliert, geschluckt
oder auf die Haut aufgetragen werden. Anis wirkt bei Verdauungsbeschwerden
und Magen-Darmkoliken "magenwärmend und galletreibend", jedoch nicht
so stark wie Fenchel oder Kümmel. Er ist auch in einigen Abführmitteln
enthalten. Ferner steigert er die Milchsekretion bei stillenden Frauen
und stellt wegen seiner östrogenen Wirkung (Diathenol) ein wertvolles
Mittel gegen Periodenschmerzen dar. Außerdem gilt Anis traditionell
als Aphrodisiakum und sexuelles Stimulans.
Die antibakterielle Wirkung
der ätherischen Öle wird bei der Herstellung von Mundwasser und
Halstabletten genutzt wie auch bei äußerlichen Mitteln gegen
Kopfläuse und Krätzemilben. Als Geschmacks- und Geruchskorrigens
und als Gewürz wird Anis in der Bäckerei für Plätzchen,
Zwieback, Brezeln, Brot und Pflaumenmus verwendet. Auch werden einige Liköre
und Aperitifs mit Anis hergestellt wie Boonekamp, Raki, Ouzo, Mastika,
Arrak und in Frankreich Anisette, Pastis und Pernod. Mit Wasser verdünnt,
nehmen diese Getränke eine milchige Färbung an. (Pernod, der
auf der Basis von Anissamen produziert wird und 48 % Alkohol enthält,
auch in größeren Mengen pur getrunken, muss nicht unbedingt
einen Rausch verursachen. Die Trunkenheit setzt erst am nächsten Morgen
nach den ersten Schlucken Wasser beim Zähneputzen ein.)
Anis war auch neben Fenchel
im Absinth enthalten, einem Wermutschnaps mit hohem Thujon- und Tanacetongehalt.
Chronischer Missbrauch führte zu körperlichem und seelischem
Verfall sowie zu epilepsieähnlichen Krämpfen. Dennoch war er
im Paris der Jahrhundertwende besonders beliebt und begehrt, wie wir zahlreichen
Bildern und Beschreibungen der damaligen Zeit entnehmen können ("L’heure
d’absinthe" war die Nachmittagszeit 16-18 Uhr). Danach wurde die Herstellung
von Absinth in Europa weitgehend verboten.] Heute benutzt man zum Würzen
von Anisgetränken meistens Sternanis (Illicium verum – Fam.
Magnoliaceae), der genauso schmeckt und riecht, botanisch aber mit Pimpinella
anisum nichts zu tun hat.
Zum Abschluss noch einige
bewährte Hausrezepte mit Anis:
Anismilch: gegen Erkältungen
Samen zerkleinern und in kochende Milch geben
10 Minuten ziehen lassen, abseihen
Anistee: gegen Schluckauf
1 Tasse
Anissamen: gegen Schlaflosigkeit; kauen
Anistinktur: 30 g gestoßener Anis
30 g gestoßener Fenchel
Zucker und Zitronenschale
mit 1 l Branntwein ansetzen
gegen Magenschwäche 1 Gläschen mehrmals am Tag, gegen Appetitlosigkeit, gegen Blähungen, gegen Verschleimung in homöopathischen Dosen
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zuletzt geändert am 28.IX..2001