Name im Capitulare | Nr. | Botanischer Name | Familie |
febrefugiam | 46a | Centaurium erythraea Rafn | Gentianaceae |
|
Botanische Beschreibung der Art
Das Tausendgüldenkraut
gehört mit über 40 weiteren Arten zur Gattung Centaurium
aus der Familie der Enziangewächse. Mit Ausnahme der nördlichen
Gebiete kommt es bis in Höhen von 1400m in ganz Europa vor, im Süden
bis Nordafrika, im Osten bis zum Kaukasus und dem Iran. Nach Nordamerika
wurde es wahrscheinlich durch die Puritaner eingeschleppt.
Man findet die etwas wärmeliebende
Pflanze zerstreut bis selten in lichten Wäldern, auf Kahlschlägen
und am Waldrand, seltener auf sandigen trockenen Böden, im Halbtrockenrasen,
an Trockenhängen, sogar in Dünentälern. Sie ist ein- bis
zweijährig und wird durch Aussaat im Frühjahr vermehrt.
Aus einer relativ kurzen
hellen Pfahlwurzel wächst ein gerader vierkantiger Stängel, der
sich erst im Blütenstand gabelig ästig verzweigt und 8 bis 50
cm hoch werden kann. Die unteren Blätter sind 5 cm lang, eiförmig
und in einer Rosette angeordnet, während die länglich ovalen
spitzen Stängelblätter kreuzweise gegenüber stehen und den
Stängel halb umfassen. Alle Blätter sind ganzrandig, kahl und
fünfnervig. Die Blüten stehen in dichten gabeligen Trugdolden
an langen Stielen in den Blattachseln oder einzeln in der Gabelung an kurzen
Stielen oder sitzend. Wie bei allen Enziangewächsen sind die Kronblätter
zu einer Kronröhre verwachsen. Beim Tausendgüldenkraut wird sie
1,5-2 cm und damit doppelt so lang wie der Kelch, dessen Blätter im
unteren Viertel zusammen gewachsen sind, sich dann aber in lineal pfriemliche
Zipfel spalten. Den oberen Teil der Krone bilden fünf 5-8mm lange
stumpfe Zipfel, die sich sternförmig ausbreiten. Die Blüten sind
rosarot bis rot, haben am Grund einen hellen Fleck und duften nicht, wie
überhaupt die ganze Pflanze geruchlos ist, allenfalls nur ganz schwach
würzig riecht. Die Blüten öffnen sich erst am späten
Vormittag und schließen sich schon wieder am frühen Nachmittag.
Das Tausendgüldenkraut blüht von Juli bis Oktober und bildet
sehr kleine walzenförmig runde Samen aus, die in einer länglichen
Kapsel im vertrockneten Kelch sitzen.
Geschichte
Schon im Altertum galt das
Tausendgüldenkraut als Heilpflanze bei vielerlei Krankheiten und Beschwerden.
Aristoteles rühmt es wie auch Plinius, der wegen des bitteren Geschmacks
von "Erdgalle" spricht und darin ein gutes Mittel sah, den Magen zu stärken
und Gelb- und Schwindsucht und hartnäckige alte Geschwüre zu
heilen. Hippokrates verwendete es bereits bei Brustkrankheiten.
Dioskorides rät, das
frischgestoßene Kraut auf Wunden zu legen, damit sie zusammenwachsen
und heilen; die Brühe getrunken, ist gut für Nerven und Galle.
Mit einem Klistier appliziert, heilt sie Ischiasschmerzen. Der ausgepresste
Saft mit Honig vermischt säubert die Augen und macht die Sicht wieder
klar. Weiterhin sagt er, dass ein "wüllen Zäpflin" mit dem Saft
getränkt und dann eingeführt die Regelblutung und die Geburt
fördere. Anschließend gibt er noch genaue Anweisungen, wie die
Brühe und der Saft zu gewinnen bzw. einzudicken sind.
Hildegard von Bingen empfahl
bei Knochenbrüchen einen Aufguss aus Tausendgüldenkraut mit Wein
oder Wasser vermischt zu trinken und warme Wickel um den Bruch zu legen.
Außerdem sollten "Kucheln" (kleine Törtchen) aus dem Kraut mit
Hirschtalg und Mehl gebacken ein probates Mittel gegen Gicht sein. Ganz
allgemein benutzte man im Mittelalter Tausendgüldenkraut (wie auch
Tanacetum parthenium), um Fieber zu senken, was ja schon der Name
"febrefugiam" aus lat. febris und fugia (dt. Fieber und Flucht)
besagt. Bauhin (1664) meint sogar, dass Tausendgüldenkraut gut gegen
Krampfleiden und Pest sei.
Über das Zustandekommen
des wissenschaftlichen wie des deutschen Gattungsnamens sind sich die Fachleute
uneins. Erythrea ist gr. und bedeutet "rot", daran besteht kein
Zweifel, und bezieht sich auf die Farbe der Blüten. Aber Centaurium
ist entweder zusammengesetzt aus centum = 100 und aureum
= golden und fälschlicherweise übersetzt als Hundertgüldenkraut,
woraus die Menschen dann in Übertreibung "Tausend"güldenkraut
gemacht haben. Das erscheint plausibel, weil dieses Kraut für alles
gut und deshalb seine tausend Gulden wert sei. Andere sind der Ansicht,
dass durch einen Schreibfehler der Mönche aus Hundert Tausend geworden
sei. Und zwar hätten die Mönche aus Nachlässigkeit beim
Kopieren der Schriften statt 100 fl für centum 1000 fl geschrieben.
Wiederum andere leiten den Namen von dem heilkundigen Zentaur Chiron ab,
einem Sohn des Kronos. Nach einer griechischen Sage heilte Chiron eine
Pfeilwunde an seinem Fuß mit Centaurium. Später soll
er auch alle Wunden des Herkules damit geheilt haben.
Dem Tausendgüldenkraut
wurden wie vielen anderen rotblühenden Pflanzen auch übernatürliche
Kräfte zugeschrieben. Das Kraut – in die Brieftasche gelegt – sollte
das Geld machen. Im Wäscheschrank sorgte es dafür, dass die Wäsche
nicht ausging. Außerdem schützte es gegen Blitzschlag. Ein Kranz
von Tausendgüldenkraut auf dem Kopf getragen sollte einen Menschen
dazu befähigen, Hexen zu entlarven. Dazu gibt es eine Sage von einem
Schneider namens Dankemeier. Dieser setzte sich einen Kranz aus Tausendgüldenkraut
auf den Kopf und begab sich am 1. Mai um die Mittagsstunde hinter den Fischerschen
Gasthof in Hüttenrose. Dort sah er tatsächlich drei Hexen durch
die Luft heransausen, die erste ritt auf einem Ziegenbock, die zweite auf
einem Esel, und die dritte auf einer Gans.
Heutige Bedeutung und Verwendung
Genutzt werden die getrockneten
oberirdischen Teile der blühenden Pflanze, die von Juni bis September
geerntet werden. Das Sammeln in der Natur ist nicht erlaubt. Wie alle Enziangewächse
gehört auch das Tausendgüldenkraut zu den gemäß der
Bundesartenschutzverordnung besonders geschützten Pflanzen.
Die gesamte Pflanze, besonders
aber der Stängel enthalten Glycoside und Bitterstoffe, etherische
Öle und Zucker. Oral genommen regen die Bitterstoffe die Speichel-
und Magensaftsekretion an, wirken gärungshemmend und verbessern die
Peristaltik im Magen-Darm-Kanal. So werden Sodbrennen behoben, Stuhlgang
geregelt und Blähungen beseitigt, was die Behandlung von Leber- und
Gallenkrankheiten (Hepatitis, Gelbsucht und Diabetes mellitus) unterstützt.
Das bekannte "Tonikum amarum" [zusammen mit Engelwurz (Angelica archangelica)]
stärkt die Nerven und den Magen und wirkt gegen Appetitlosigkeit und
Magersucht. Es mobilisiert die körpereigene Abwehr, senkt Fieber und
heilt Infektionskrankheiten. Tausendgüldenkraut wird wegen seiner
magenstärkenden Wirkung auch Bitterschnäpsen zugesetzt, die übrigens
am besten wirken, wenn man sie 30 Min. vor dem Essen einnimmt.
In der Volksheilkunde wird
das Kraut dazu benutzt, Blutarmut, Rachitis und Regelstörungen zu
kurieren. Pfarrer Kneip empfiehlt, das Tausendgüldenkraut gegen Gemütskrankheiten,
Melancholie, Grippe und Gelenk- und Muskelrheuma einzusetzen. Äußerlich
verwendet man den Tee, um Wunden und Geschwüre oder Haut- und Schleimhautrötungen
zu waschen und zu reinigen, oder man macht damit Umschläge bei schlecht
heilenden Wunden.
Die Tees stellt man
folgendermaßen her:
1-2 Teelöffel in einer Tasse kalten Wassers 8 Stunden ausziehen, erwärmen und täglich vor den Mahlzeiten 2-3 Tassen trinken
oder
8-15 getrocknete Blütenstängel mit 250 g Wasser kochend abbrühen, durchseien und trinken.
1 Teel. Tausendgüldenkraut,
1 Teel. Fieberklee (Menyanthes trifoliata),
etwas Wermut und Kamillenblumen,
einige Pomeranzenschalen,
in 2 l Rotwein ansetzen, an einem warmen Ort 8 Tage ziehen lassen.
Den Wein abgießen, die Kräuter dabei ein wenig ausdrücken, filtrieren, gut verschlossen in einer Flasche aufbewahren, zweimal tägl. 1 Likörglas davon trinken.
Der Magenbitter erwärmt den Unterleib, fördert die Verdauung und reinigt Leber und Niere.(Hinweis: Sowohl Tausendgüldenkraut wie Fieberklee sind geschützte Arten, die nicht der Natur entnommen werden dürfen.)
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zuletzt geändert am 12.IV.2002