Name im Capitulare | Nr. | Botanischer Name | Familie |
ceresarios |
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Prunus cerasus L. | Rosaceae |
Steppenkirsche - eine wilde Elternart der Sauerkirsche |
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Botanische Beschreibung der Art
Die Sauerkirsche wächst
als Strauch oder bis 10m hoher Baum mit lockerer, runder Krone. Die Rinde
und die später erscheinende Ringelborke sind glänzend-rötlichbraun
mit großen Korkwarzen. Die elliptisch-eiförmigen, schwach ledrigen
Blätter sind am Rand doppelt gesägt, werden bis 12cm lang und
tragen am oberen Ende des 1-3cm langen Stiels 0-2 Drüsen. Die weißen
Blüten entspringen in wenigblütigen Dolden direkt am vorjährigen
Holz. Im Gegensatz zur Süßkirsche entwickeln sich am Grund der
Dolden auch Laubblättchen. Die 2,5cm breiten Blüten setzen sich
aus fünf Kelch-, fünf freien Kron-, ca.20 Staubblättern
mit gelben Staubbeuteln und 1 oberständigen Fruchtblatt zusammen.
Die Steinfucht ist kugelig oder etwas breiter als hoch und erreicht Durchmesser
von 15-20mm.
Die sehr formenreiche Art
wird in mindestens zwei Unterarten geschieden, die ssp. cerasus
mit baumförmigem Wuchs und kugeligem Steinkern und die ssp. acida
mit ± strauchförmigem Wuchs (mit Wurzelausläufern) und
eiförmigem Steinkern. Die große Variabilität deutet darauf
hin, dass es sich nicht um eine stammesgeschichtlich homogene Art handelt.
U.a. aufgrund von Kreuzungsexperimenten nimmt man heute an, dass sie aus
wiederholten Kreuzungen der Süßkirsche (P. avium) und
der Steppenkirsche (P. fruticosa) (Abb. oben) hervorgegangen ist.
Die Areale dieser Arten überlappen sich in Osteuropa und Westasien
und in diesem Gebiet ist es wahrscheinlich mehrfach zur Entstehung der
Sauerkirsche gekommen. Dies würde auch erklären, warum die Sauerkirsche
mal baumförmig (wie die Süßkirsche) und mal strauchig (wie
die Steppenkirsche) wachsen kann, und warum sich so leicht Hybridsorten
von Süß- und Sauerkirsche erzeugen lassen.
Die Zuordnung der Zuchtsorten
zu den Unterarten und Varietäten ist in Einzelfällen schwierig.
Meist zur ssp. cerasus gehören die Glaskirschen (Amarellen,
Wasserkirschen) (var. cerasus) mit hellroten, sauren Früchten
mit farblosem Saft auf kurzen Stielen (2-3 mal so lang wie der Blütenbecher),
von denen sich der Stein nicht löst; hierher z.B. 'Königliche
Amarelle' und 'Ludwigs Frühe'. Zur gleichen Unterart zählen
die Süßweichseln (var. austera) mit roten, lang gestielten
Früchten mit gefärbtem Saft. Der Stein löst sich leicht
vom Stiel; hierher z.B. 'Rote Maikirsche' ('Maiammer'). Die Sorten der
ssp. acida werden als Strauchweichseln oder Schattenmorellen bezeichnet.
Die Frucht ist immer dunkelrot mit gefärbtem Saft. Wichtigste Sorte
ist 'Schattenmorelle' ('Große Lange Lotkirsche', 'Nordkirsche', 'Schwarze
von Montreux'); bekannt ist auch 'Ostheimer Weichsel'; hierher wohl auch
die als Maraschino-Kirsche bekannte 'Maraschka' (var. marascana)
aus dem Balkan.
Weitere Sorten sind durch
Bastardierung mit der Süßkirsche entstanden. Formen, die mehr
zur Sauerkirsche tendieren, heißen Halb-Weichseln ('Schöne von
Chatenay'), solche, die eher der Süßkirsche ähneln, Halb-Kirschen
('Königin Hortense'). Wahrscheinlich gehören noch weitere Sauerkirschen-Sorten
hierhin. Der Bastardcharakter ist oft schwierig nachzuweisen, und die Züchter
haben dies entweder nicht dokumentiert oder als "Betriebsgeheimnis" betrachtet.
Eindeutig wilde Vorkommen
sind nicht bekannt. Wahrscheinlich ist die Sauerkirsche eine reine Kulturpflanze.
Besonders die Unterart acida verwildert aber leicht und ist heute
im ganzen Anbaugebiet eingebürgert. Z.B. ist sie in Süd- und
Mitteldeutschland regional häufig in Schlehen- und Ligustergebüschen.
Geschichte
Griechisch kerasos
oder lateinisch cerasus war in der Antike allgemein der Ausdruck
für Kirsche. Deshalb lässt sich aus schriftlichen Überlieferungen
nicht rekonstruieren, wann und wo die Sauerkirsche erstmals kultiviert
wurde und wann sich die Kultur entlang des antiken Mittelmeers ausgebreitetet
hat. Man kann oft lesen, dass der Ursprung der Sauerkirsche im Schwarzmeergebiet
liegen soll. Dafür spricht, dass diese Region schon immer klassisches
Obstanbaugebiet war. Aus den obigen Ausführungen zur Botanik der Art
ergibt sich, dass die Art aber auch an anderen Orten in Osteuropa und Westasien
entstanden sein kann. Vielleicht ist das Fehlen differenzierter Namen auch
so zu deuten, dass die griechisch-römische Antike tatsächlich
nur eine Kirschart und dann sicher die Süßkirsche als kultiviertes
Obstgehölz kannte.
Jedenfalls beziehen sich
die bei Plinius zitierten Vorkommen von "prunus cerasus" in Britannien,
Belgien und Germanien mit Sicherheit auf die Süßkirsche. Die
ersten eindeutigen Nennungen der Sauerkirsche für Mitteleuropa tauchen
im 16. Jahrhundert bei Dierbach und Matthiolus auf. Nach den bisher bekannten
archäologischen Steinkernfunden scheint die Sauerkirsche von Osten
nach Deutschland eingeführt worden zu sein. Der älteste sichere
Nachweis wurde im polnischen Poznan (Posen) in Schichten aus dem 10.-11.
Jahrhundert gefunden. Danach häufen sich Funde in Polen. Westlich
davon bleiben Belege bis ins 14. Jahrhundert spärlich und konzentrieren
sich auf größere Städte (u.a. Hamburg, Lübeck, Göttingen,
Duisburg, Heidelberg, Zürich). Anscheinend ist die Sauerkirsche erst
ab dem 15. Jahrhundert in Deutschland in größerem Umfang angebaut
worden. Von daher erscheint es zweifelhaft, ob im Capitulare mit "ceresarios"
überhaupt die Sauerkirsche gemeint oder miterwähnt ist.
Nach dem Vorbild von Versailles
wurde es im Barock an Fürstenschlössern üblich, in "Orangerien",
die man nur bedingt mit modernen Gewächshäusern vergleichen kann,
zu Repräsentationszwecken exotische und wärmeliebende Pflanzen
zu kultivieren. Meist wurden Zitrusfrüchte, Bananen, Melonen, Kamelien,
Oleander und dergleichen mehr gezogen. Die Gärtnerei des Schlosses
Sanssouci in Potsdam haben sich daneben besonders auf die Kultur von Kirschen
spezialisiert und dabei viele Techniken aus der Unter-Glas-Zucht erfolgreich
auf Kirschen übertragen bzw. überhaupt erst entwickelt. Friedrich
II. legte großen Wert auf Obst und Gemüse und besonders auf
Kirschen, die er zum einen selbst gerne verzehrte; zum anderen gehörte
es auch zur standeswürdigen Reputation, möglichst lange im Jahr
frisches Obst vorzuhalten. Den Einfallsreichtum seiner Gärtner spornte
Friedrich u.a. dadurch an, dass er für Kirschen bis zum März
2 Taler pro Stück (!) abrechnete. Der Verfasser kennt den Wert eines
friderizianischen Talers nicht, aber es dürfte nahe ans Auswiegen
mit Gold gekommen sein. So entwickelten die Gärtner von Sanssouci
alle möglichen Techniken zur Frühtreiberei, in Wintergärten,
vor südexponierten, terrassierten Mauern, die z:T. durch Glasabdeckungen
noch stärker erwärmt wurden, u.a.m.
Leider wurde damals wenig
Wert auf wissenschaftliche Genauigkeit gelegt, so dass nur schwer zu rekonstruieren
ist, welche Formen dafür verwandt wurden. Eine Aufstellung der Berliner
Schloß- und Hofapotheke von 1758, die als Produkte "Kirsch-Lavendel-Wasser,
Schwarzkirschwasser, Sauerkirsch-Sirup, eingemachte saure Kirschen, Sirup
aus Sauerkirschen mit Tagetes-Blüten" anbietet, macht es wahrscheinlich,
dass überwiegend Sauerkirschen-Sorten gezogen wurden. Dafür spricht
auch, dass Potsdam wahrscheinlich außerhalb des natürlichen
Areals der (wilden) Süßkirsche liegt, während das Anbaugebiet
der Sauerkirsche bis weit nach Skandinavien reicht.
Das Pflanzmaterial musste
bis aus Holland herbeigeschafft werden. Erst 1790 gründete der Königliche
Gartendirektor Schulze eine eigene Baumschule, die nicht nur die königlichen
Gärten versorgte, sondern auch Geistliche und Schullehrer (! - das
waren noch Zeiten!) unentgeldlich mit Pflanzen belieferte.
Im Gegensatz zur Süßkirsche
wurde die Sauerkirsche auch in der Volksheilkunde benutzt. Das bei Verletzung
austretende "Weichselgummi" galt als krampflösend, die Fruchtstiele
als Diuretikum, also harntreibendes Mittel. Kräuterbier mit zerstoßenen
Sauerkirschen (einschließlich der Steinkerne) sollte Leber und Galle
anregen.. Bis in die jüngste Vergangenheit diente Kirschsirup zur
Geschmacksverbesserung bitterer Heilsäfte. Außerdem wurden
die Blätter als Tee- und Tabakersatz verwendet.
Heutige Bedeutung und Verwendung
In den Inhaltsstoffen weicht
die Sauerkirsche nur wenig von der Süßkirsche ab. Sie enthält
z.B. weitgehend die gleichen Catechine, Flavonoide, Anthocyane, Cumarine
und Blausäure freisetzende Zuckerstoffe. Wichtigster Unterschied ist
der im Schnitt doppelt so hohe Säuregehalt der Frucht. Neben der dominierenden
Äpfelsäure besitzt die Sauerkirsche auch etwas Weinsäure.
Wegen des säurebetonten Gechmacks werden Sauerkirschen seltener als
Frischobst vermarktet. Häufiger werden sie zum Einmachen, für
Gelees, für Kuchen usw. verwendet.
Das Holz ähnelt dem
der Süßkirsche und wird auch genauso verarbeitet. Naturgemäß
eignen sich hierfür nur baumförmig wachsende Sorten. Ferner macht
man aus dem Holz Pfeifen als Ersatz für Bruyère.
Auch von der Sauerkirsche
gibt es reine Ziersorten wie 'Aureovariegata' mit gelb gescheckten Blättern,
'Persiciflora' mit rosa oder 'Plena' mit halbgefüllten Blüten.
Die "Allerheiligenkirsche" 'Semperflorens' blüht und fruchtet vom
Mai bis in den Herbst.
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zuletzt geändert am: 6.VIII.2002