Name im Capitulare | Nr. | Botanischer Name | Familie |
intubas |
|
Cichorium intybus L. | Asteraceae |
|
Die ausdauernde Art bildet
zunächst eine bodenständige Blattrosette; gleichzeitig entwickelt
sich unterirdisch eine spindelförmige Rübe. Frühestens im
zweiten Jahr treibt dann der Blütenstiel. Die Rosettenblätter
sind mehr oder weniger schrotsägeförmig eingeschnitten und kurz
gestielt bis sitzend; die Stängelblätter sind ähnlich, aber
am Grund deutlicher gestutzt oder mit pfeilförmigem Grund sitzend.
Bei Salatsorten sind die Blätter meist kaum eingeschnitten. Alle Blätter
sind kahl oder unterseits etwas steifhaarig. Der Stängel ist
oberwärts sparrig verästelt und endet in zahlreichen Blütenköpfchen.
Diese bestehen aus einem Kranz von bis zu 2cm langen blauen Zungenblüten.
Die Blütenköpfe öffnen sich nur vormittags. Linné
benutzte die Art für seine berühmte Blumenuhr in Uppsala, weil
sie dort ziemlich genau um 5 Uhr morgens die Blüten öffnet und
um 10 Uhr wieder schließt. In unseren Breiten schließen die
Blütenköpfe etwa um 11 Uhr Ortszeit (was nach der gesetzlichen
Zeit im Sommer bis zu 1½ Stunden später sein kann). Aus den
Blüten entwickelt sich eine 2-3mm lange Frucht, die durch einen kurzen
Haarkranz (Pappus) gekrönt wird. Alle Teile der Pflanze führen
einen weißlichen Milchsaft.
Die Wildform variiert nur
wenig. In Kultur wurden die Sorten entweder auf die Rübe oder als
Salatpflanzen gezüchtet. Die Kultursorten mit reich entwickelter Rübe
werden als var. sativum bezeichnet. Die Salatsorten werden unter
der var. foliosum zusammengefasst.
Wahrscheinlich ist die Art bei uns nicht heimisch. Dafür spricht
u.a., dass die Wegwarte ausschließlich vom Menschen geschaffene Biotope
wie Schutthalden, Brachen, Verkehrswege usw., aber keine natürlichen
Biotope besiedelt.
Geschichte
Die heute eurasisch verbreitete
Pflanze stammt vermutlich aus dem Mittelmeerraum, von wo sie wohl schon
in vorgeschichtlicher Zeit vom Menschen verschleppt wurde. Horaz, Plinius,
Vergil und Ovid erwähnen sie als Gemüse und Heilpflanze. Dioskorides
nannte sie intybus erraticus, andere antike Schriftsteller intybus
(auch intubus) agrestis oder i. silvaticus im Unterschied
zur nahe verwandten und sehr ähnlichen Endivie, die u.a. intybus
sativus oder i. foliosus genannt wurde. Die Wegwarte gehört
auch zu den "bitteren Kräutern", die beim jüdischen Passa-Fest
zum gebratenen Lamm verzehrt werden. Über das erste Passa-Fest in
Ägypten steht im 2. Buch Mose (12,8): "(Sie) sollen das Fleisch essen
in derselben Nacht, am Feuer gebraten, und ungesäuertes Brot dazu,
und sollen es mit bitteren Kräutern essen." In der Mischna,
einer Sammlung theologischer Traktate aus dem 1. und 2. Jahrhundert n.
Chr., die für das Judentum normbildend wurde, ist unter diesen bitteren
Kräutern ausdrücklich die Zichorie erwähnt. Es ist allerdings
nicht endgültig zu klären, ob damit die Wegwarte oder die wilde
Urform der Endivie (Cichorium endivia ssp. pumilum) gemeint
ist.
Die älteste Erwähnung
in Mitteleuropa findet sich im Capitulare de villis, wobei nicht eindeutig
ist, was mit intubas genau gemeint ist. Im HEGI (Illustrierte Flora
von Mitteleuropa VI 4) wird intubas als Endivie interpretiert und
die Wegwarte als solsequiam. Gegen diese Deutung spricht, dass intubas
nicht bei den Salatpflanzen sondern in einer Reihe von Heilpflanzen aufgeführt
wird. Während die Endivie ausschließlich als Salatpflanze angebaut
wurde, war die Wegwarte auch als Heilpflanze in Gebrauch, wegen des bittereren
Geschmacks war sie als Salat oder Gemüse nicht so geschätzt.
Es ist auch nicht auszuschließen, dass intubas als Plural
zu verstehen ist und beide Arten damit gemeint waren.
Im germanischen Kulturkreis
galt die Wegwarte vor allem als Heil- und Zauberpflanze. Sie sollte unverwundbar
machen, Fesseln sprengen, Dornen und Nadeln aus Wunden treiben und sogar
unsichtbar machen. Nach einer verbreiteten Sage ist die Wegwarte eine verwunschene
Jungfrau, die am Wegrand auf ihren Liebsten wartet.
Bereits um 1600 soll Prospero
Alpini aus Oberitalien einen Aufguss aus der gerösteten Wurzel gekannt
haben. In einem "Haushaltungskunst im Kriege" betitelten Kriegskochbuch
aus dem Jahre 1722 wird der Hofgärtner Timme aus Arnstadt (Thüringen)
als Erfinder eines Kaffeegetränkes aus Zichorienrüben genannt.
Durch Friedrich den Großen wurde in der Folge der Anbau der Wegwarte
in Preußen stark gefördert, weil er die Devisen für den
teuren Bohnenkaffee sparen wollte. Die Rübe enthält zu 15% den
Zuckerersatzstoff Inulin, der beim Rösten z.T. zu Oximethylfurfurol
reagiert, das ein kaffeeähnliches Aroma besitzt. Die anregende Wirkung
des echten Kaffees besitzt Zichorienkaffe aber nicht. Seit der napoleonischen
Besatzung wird der Zichorienkaffee im Rheinland als Muckefuck bezeichnet
- eine Verbalhornung des französischen mocca faux (= falscher
Mokka).
Um 1870 wurde in Belgien der Chicorée gezüchtet. Ausgangspunkt
soll eine Zufallsbeobachtung gewesen sein. Nach einer reichen Ernte wurden
überschüssige Zichorienrüben im Gewächshaus gelagert
und eingeschlagen und trieben dabei große bleiche Knospen. Heute
werden Rüben im Herbst mit gekürzten Rosettenblättern im
Gewächshaus in Sand eingeschlagen und abgedeckt. Aus der Endknospe
und den Blattachseln der Rosettenblätter treiben dann große
Knospen mit eng ineinander gerollten bleichen Blättern. Aus dem Chicorée
wurde vor wenigen Jahrzehnten in Italien der Radicchio rosso gezüchtet,
der etwas lockerere, tief anthocyan-rote Köpfe liefert.
Heutige Bedeutung und Verwendung
Als Kaffeeersatz spielt die
Wegwarte bzw. Zichorie keine Rolle mehr. In Gestalt von Chicorée
und Radicchio rosso ist sie dagegen heute als Salatpflanze gebräuchlicher
als in früheren Zeiten.
Auch als Heilmittel findet
die Wegwarte bis heute Anerkennung. Sie enthält Bitterstoffe wie Lactucin
und Lactucopikrin, Kaffeesäurederivate, Cumarine (Umbelliferon) und
Flavonoide. Sie wird vor allem bei Verdauungsstörungen, Appetitlosigkeit
und Leber- und Gallenleiden eingesetzt. Volkstümlich wird sie auch
als Abführmittel bei Kindern verwendet. Im Tierversuch wurde eine
Verminderung der Schlagfrequenz des Herzens und eine geringe Senkung des
Cholesterinspiegels festgestellt.
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zuletzt geändert am:2.XI.2001