Name im Capitulare Nr. Botanischer Name Familie
intubas
37
Cichorium intybus L. Asteraceae

 

   
 Wegwarte
deutscher Name 
 Wilde cichorei
niederländischer Name 
 chicorée sauvage 
französischer Name 
 wild succory
englischer Name 

 
Beschreibung

Geschichte

 Verwendung

 
 
Botanische Beschreibung der Art

Die ausdauernde Art bildet zunächst eine bodenständige Blattrosette; gleichzeitig entwickelt sich unterirdisch eine spindelförmige Rübe. Frühestens im zweiten Jahr treibt dann der Blütenstiel. Die Rosettenblätter sind mehr oder weniger schrotsägeförmig eingeschnitten und kurz gestielt bis sitzend; die Stängelblätter sind ähnlich, aber am Grund deutlicher gestutzt oder mit pfeilförmigem Grund sitzend. Bei Salatsorten sind die Blätter meist kaum eingeschnitten. Alle Blätter sind  kahl oder unterseits etwas steifhaarig. Der Stängel ist oberwärts sparrig verästelt und endet in zahlreichen Blütenköpfchen. Diese bestehen aus einem Kranz von bis zu 2cm langen blauen Zungenblüten. Die Blütenköpfe öffnen sich nur vormittags. Linné benutzte die Art für seine berühmte Blumenuhr in Uppsala, weil sie dort ziemlich genau um 5 Uhr morgens die Blüten öffnet und um 10 Uhr wieder schließt. In unseren Breiten schließen die Blütenköpfe etwa um 11 Uhr Ortszeit (was nach der gesetzlichen Zeit im Sommer bis zu 1½ Stunden später sein kann). Aus den Blüten entwickelt sich eine 2-3mm lange Frucht, die durch einen kurzen Haarkranz (Pappus) gekrönt wird. Alle Teile der Pflanze führen einen weißlichen Milchsaft.

Die Wildform variiert nur wenig. In Kultur wurden die Sorten entweder auf die Rübe oder als Salatpflanzen gezüchtet. Die Kultursorten mit reich entwickelter Rübe werden als var. sativum bezeichnet. Die Salatsorten werden unter der var. foliosum zusammengefasst.

Wahrscheinlich ist die Art bei uns nicht heimisch. Dafür spricht u.a., dass die Wegwarte ausschließlich vom Menschen geschaffene Biotope wie Schutthalden, Brachen, Verkehrswege usw., aber keine natürlichen Biotope besiedelt.
 

zum Seitenanfang
 

Geschichte

Die heute eurasisch verbreitete Pflanze stammt vermutlich aus dem Mittelmeerraum, von wo sie wohl schon in vorgeschichtlicher Zeit vom Menschen verschleppt wurde. Horaz, Plinius, Vergil und Ovid erwähnen sie als Gemüse und Heilpflanze. Dioskorides nannte sie intybus erraticus, andere antike Schriftsteller intybus (auch intubus) agrestis oder i. silvaticus im Unterschied zur nahe verwandten und sehr ähnlichen Endivie, die u.a. intybus sativus oder i. foliosus genannt wurde. Die Wegwarte gehört auch zu den "bitteren Kräutern", die beim jüdischen Passa-Fest  zum gebratenen Lamm verzehrt werden. Über das erste Passa-Fest in Ägypten steht im 2. Buch Mose (12,8): "(Sie) sollen das Fleisch essen in derselben Nacht, am Feuer gebraten, und ungesäuertes Brot dazu, und sollen es mit bitteren Kräutern essen."  In der Mischna, einer Sammlung theologischer Traktate aus dem 1. und 2. Jahrhundert n. Chr., die für das Judentum normbildend wurde, ist unter diesen bitteren Kräutern ausdrücklich die Zichorie erwähnt. Es ist allerdings nicht endgültig zu klären, ob damit die Wegwarte oder die wilde Urform der Endivie (Cichorium endivia ssp. pumilum) gemeint ist.

Die älteste Erwähnung in Mitteleuropa findet sich im Capitulare de villis, wobei nicht eindeutig ist, was mit intubas genau gemeint ist. Im HEGI (Illustrierte Flora von Mitteleuropa VI 4) wird intubas als Endivie interpretiert und die Wegwarte als solsequiam. Gegen diese Deutung spricht, dass intubas nicht bei den Salatpflanzen sondern in einer Reihe von Heilpflanzen aufgeführt wird. Während die Endivie ausschließlich als Salatpflanze angebaut wurde, war die Wegwarte auch als Heilpflanze in Gebrauch, wegen des bittereren Geschmacks war sie als Salat oder Gemüse nicht so geschätzt. Es ist auch nicht auszuschließen, dass intubas als Plural zu verstehen ist und beide Arten damit gemeint waren.

Im germanischen Kulturkreis galt die Wegwarte vor allem als Heil- und Zauberpflanze. Sie sollte unverwundbar machen, Fesseln sprengen, Dornen und Nadeln aus Wunden treiben und sogar unsichtbar machen. Nach einer verbreiteten Sage ist die Wegwarte eine verwunschene Jungfrau, die am Wegrand auf ihren Liebsten wartet.

Bereits um 1600 soll Prospero Alpini aus Oberitalien einen Aufguss aus der gerösteten Wurzel gekannt haben. In einem "Haushaltungskunst im Kriege" betitelten Kriegskochbuch aus dem Jahre 1722 wird der Hofgärtner Timme aus Arnstadt (Thüringen) als Erfinder eines Kaffeegetränkes aus Zichorienrüben genannt. Durch Friedrich den Großen wurde in der Folge der Anbau der Wegwarte in Preußen stark gefördert, weil er die Devisen für den teuren Bohnenkaffee sparen wollte. Die Rübe enthält zu 15% den Zuckerersatzstoff Inulin, der beim Rösten z.T. zu Oximethylfurfurol reagiert, das ein kaffeeähnliches Aroma besitzt. Die anregende Wirkung des echten Kaffees besitzt Zichorienkaffe aber nicht. Seit der napoleonischen Besatzung wird der Zichorienkaffee im Rheinland als Muckefuck bezeichnet - eine Verbalhornung des französischen mocca faux (= falscher Mokka).

Um 1870 wurde in Belgien der Chicorée gezüchtet. Ausgangspunkt soll eine Zufallsbeobachtung gewesen sein. Nach einer reichen Ernte wurden überschüssige Zichorienrüben im Gewächshaus gelagert und eingeschlagen und trieben dabei große bleiche Knospen. Heute werden Rüben im Herbst mit gekürzten Rosettenblättern im Gewächshaus in Sand eingeschlagen und abgedeckt. Aus der Endknospe und den Blattachseln der Rosettenblätter treiben dann große Knospen mit eng ineinander gerollten bleichen Blättern. Aus dem Chicorée wurde vor wenigen Jahrzehnten in Italien der Radicchio rosso gezüchtet, der etwas lockerere, tief anthocyan-rote Köpfe liefert.
 

zum Seitenanfang
 

Heutige Bedeutung und Verwendung

Als Kaffeeersatz spielt die Wegwarte bzw. Zichorie keine Rolle mehr. In Gestalt von Chicorée und Radicchio rosso ist sie dagegen heute als Salatpflanze gebräuchlicher als in früheren Zeiten.

Auch als Heilmittel findet die Wegwarte bis heute Anerkennung. Sie enthält Bitterstoffe wie Lactucin und Lactucopikrin, Kaffeesäurederivate, Cumarine (Umbelliferon) und Flavonoide. Sie wird vor allem bei Verdauungsstörungen, Appetitlosigkeit und Leber- und Gallenleiden eingesetzt. Volkstümlich wird sie auch als Abführmittel bei Kindern verwendet. Im Tierversuch wurde eine Verminderung der Schlagfrequenz des Herzens und eine geringe Senkung des Cholesterinspiegels festgestellt.
 

 

zum Seitenanfang

[Eine Seite zurück]  [Zur Übersichtsseite über den Karlsgarten]  [Home]
 

zuletzt geändert am:2.XI.2001