Name im Capitulare | Nr. | Botanischer Name | Familie |
cotoniarios |
|
Cydonia oblonga Mill. | Rosaceae |
|
Botanische Beschreibung der Art
Die Quitte ist von Natur
aus ein eher strauchförmig wachsender Baum mit sparrig abstehenden,
dornenlosen Ästen, der flach wurzelt und je nach Sorte eine Höhe
von 8 m bei einer Kronenbreite von 7 m erreicht. Die Rinde ist grau und
im Alter leicht korkig. Die ganzrandigen und gegenständigen Laubblätter
können bis 15 cm lang und bis 10 cm breit werden. Die jungen Blätter
sind beiderseits dicht wollig behaart, die voll ausgewachsenen Blätter
tragen die Behaarung dagegen nur noch unterseits. Die an der Basis des
Stiels sitzenden Nebenblätter welken rasch und fallen ab. Die Blüten
entfalten sich im Frühjahr nach den Blättern. Die Quitte bildet
im Unterschied zu Birne und Apfel einzeln stehende, fast stiellose, angenehm
duftende weiße bis rosa Blüten mit einem Durchmesser von bis
zu 8 cm. Die Blüten haben je fünf Kelch-, Kron-, Fruchtblätter
und 15-25 Staubblätter, die in mehreren Kreisen um die Griffel angeordnet
sind. Der Fruchtknoten enthält fünf Fächer, jedes mit 6-15
(oder mehr) in zwei Reihen angeordneten Samenanlagen. Die Kelchblätter
bleiben auch nach dem Abblühen erhalten und lassen sich eingetrocknet
im Kelch der Frucht finden. Die Quitte blüht von Ende April-Juni,
meist aber im Mai, wenn es schon wärmer ist. Weil sie so den Spätfrösten
entgeht , ist sie recht ertragstreu. Quittenblüten sind eine gute
Bienenweide, daneben wird sie durch Hummeln und in geringem Maße
auch durch den Wind bestäubt. Viele Sorten sind selbstfertil.
Die junge Frucht ist von
einem dichten, öligen Flaum bedeckt. Im reifen Zustand haben viele
Sorten den Flaum bereits verloren, bzw. er kann leicht abgerieben werden.
Die "quittengelben", mehr oder weniger gerippten Früchte haften in
der Regel ohne Stiel direkt am Fruchtholz. Das Fruchtfleisch ist je nach
Sorte, Boden und Witterung von unterschiedlicher Konsistenz, von saftig
weich bis sehr hart und von weißer bis gelber Farbe. Wie Birnen enthält
es oft Steinzellen, die sich offenbar besonders bei Trockenheit bilden,
im Schalenbereich aber auch durch Viren ausgelöst werden. Die Samen
haften durch die schleimige Oberhaut sehr fest aneinander. Die Frucht löst
sich erst bei voller Reife vom Trieb ab. Je nach Sorte und Lage finden
sich reife Früchte zwischen Ende September und Ende Oktober. Der intensive
aromatische Geruch bildet sich besonders stark bei großen Unterschieden
zwischen Tages- und Nachttemperaturen aus. Bei zu früher Ernte fehlt
daher das Aroma, bei später Ernte kann dagegen leicht Fleischbräune
entstehen. Quitten sollten luftig und trocken, möglichst ohne sich
zu berühren, gelagert werden.
Eine gewisse Unbeliebtheit
der Quitte geht auf die Meinung zurück, sie sei roh ungenießbar.
Es gibt jedoch im Süden viele roh essbare Sorten, darunter die türkische
Sorte Shirin. Die im Karlsgarten gepflanzte "Konstantinopler Apfelquitte"
ist eine alte Sorte, die vermutlich ebenfalls aus der Türkei stammt,
große deutlich gerippte Früchte hat und sich sehr gut zur Verarbeitung
im Haushalt eignet.
Quittenbäume sind wärmeliebend;
sie wurden von den Römern wegen ihres strauchförmigen Wachstums
als Begrenzungshecken der Weinberge angepflanzt und finden sich in Deutschland
daher besonders in Weinanbaugebieten noch häufig in verwilderter Form.
Nah verwandt ist übrigens die Japanische Scheinquitte (Chaenomeles),
ein beliebter Zierstrauch, dessen stark säurehaltige Früchte
ebenfalls essbar sind.
Geschichte
Urheimat der Quitte ist vermutlich
der Kaukasus und Kleinasien. Von dort verbreitete sie sich nordöstlich
bis in den Himalaya und China und westlich nach Griechenland. Mit den Römern
kam sie nach Mitteleuropa und bis nach Großbritannien. Das Capitulare
de villis Karls des Großen hat zur Verbreitung in Deutschland beigetragen.
Seit dem 1. Jt. v.Chr. wird
die Quitte nachweislich in bewässerten Obstgärten Mesopotamiens
angebaut. Erwähnungen von Äpfeln und "anderen Äpfeln", d.h.
vermutlich Quitten, finden sich in Homers Ilias und Odyssee. Der griech.
Name kydonion und daraus abgeleitet das dtsch. "Quitte" stammt von
der Stadt Kydon (heutiges Canea) auf Kreta, von wo aus sich ihr guter Ruf
in Griechenland verbreitet haben soll. Im antiken Griechenland war die
Quitte die heilige Frucht der Aphrodite (Venus), der viele duftende Pflanzen
geweiht waren. Sie prangte folgerichtig sogar auf einer Münze der
Kykladeninsel Milos, wo sich ja auch das berühmte Kultbild der Göttin
findet. Die Quitte galt als Symbol für Liebe, Fruchtbarkeit (wegen
der relativ zahlreichen Kerne), Klugheit, Glück und langes Leben.
Nach Aussagen arabischer Ärzte galt im Mittelalter der Genuss von
Quitten während der Schwangerschaft als Garantie für kluge, schöne
Kinder. Im 6. Jh. vor Chr. erließ der Athener Solon ein Gesetz, bei
dem die Braut, bevor sie das Brautgemach betritt, ein Stück Quitte
kauen solle. Plutarch deutete dieses Ritual später als Symbol der
Zwiespältigkeit in der Ehe: Vorgeschmack der Freuden (süßer
Duft) und gleichzeitig der Leiden (herber, zusammenziehender Beigeschmack).
Vielleicht ging es dabei aber auch nur um einen angenehmen Mundgeruch.
Bei den Römern wurden Quitten wegen ihres Duftes in den Empfangsräumen
ausgelegt, später legte man gerne Quittenfrüchte zwischen die
Wäsche. Die Liebes- und Fruchtbarkeitssymbolik hielt sich bis ins
europäische Mittelalter mit ähnlichen Ritualen. Eine Schachtel
mit Quittensüßigkeiten galt noch im viktorianischen England
als Geschenk, um ernste Heiratsabsichten auszudrücken. In Dalmatien
und Griechenland durfte die Quitte auf der Hochzeitstafel nicht fehlen.
Die Quitte wurde in der Symbolik
zum Teil durch den Apfel ersetzt, wovon sie in antiken griechischen und
römischen Schriften oft auch nicht eindeutig zu trennen ist. Dort
wurde häufig die Bezeichnung melon bzw. malum verwendet, was ohne
Zusatz schlicht "runde Frucht" bedeutet. Aus dem Zusammenhang (Hinweise
zum Wohlgeruch, gerippte Frucht, flaumiger Belag, goldene Farbe) kann man
dann allerdings eindeutig auf die Quitte schließen. Dies trifft sicherlich
auf die Äpfel der Hesperiden und den goldenen Apfel des Paris aus
der griechischen Sagenwelt zu, den er für die schöne Helena als
Preisgeld der Göttin Aphrodite überreichte. Aphrodite selbst
verhalf wiederum Hippomenes bei einem Wettlauf zum Sieg über Atalante,
indem sie goldene Äpfel (Quitten) über die Laufstrecke rollen
ließ, denen Atalante nicht widerstehen konnte.
Gegessen wurden Quitten gekocht,
gebraten, in Wein oder Honig eingelegt. Zu Lebzeiten von Galen kam Quittenmus
(meloplacunta, bzw. marmeleiro abgeleitet von malomellum=Honigapfel)
aus Spanien und Portugal nach Rom. Im Laufe der Jahrhunderte wurde daraus
unser Wort Marmelade. Quittenmarmelade, sowie in Honig oder Wein eingelegte
Quitten galten auf den portugiesischen Entdeckerfahrten des 15. u. 16.
Jh., aber auch später als ideales Mittel gegen Skorbut. Quitten wurden
zu Gelee, aber auch zu diversen anderen erlesenen Süßigkeiten
verarbeitet (Quittenbrot oder das berühmte Cotignac d‘Orleans), das
in Formen gegossen wurde, zum Teil mit vergoldeten Wappen oder Sprüchen
verziert und in kunstvollen Spanschachteln verschickt wurde. So berichtet
es auch Nostradamus, von dem einige Quittenrezepte überliefert sind,
wie z.B. das folgende: "Einen durchsichtigen Quittensaft zu machen ...
ist teurer, aber wer seiner bedarf für Fürsten und große
Herren, der dürfte keinen anderen machen...Nimm 12 oder 14 Quitten,
schäle sie fein und auf das zarteste, zerschneide sie ... und tue
die Körner gründlich heraus. Laß sie in einem gut Teil
Wasser sieden... tue drei oder 4 Pfund Zucker hinein...Treibe sie durch
ein sauberes, weißes Leinentuch, drücke sie nicht aus. Laß
das so Gesottene in einer Pfanne über einem sanften Kohlenfeuer sieden
und beschaue es oft mit einem silbernen Löffel... ob es gekocht ist
und gut zusammengeronnen.... Denn es wird bald fest und bekommt ein gutes
Aussehen und läßt sich wie Gelee von eingemachten Kalbsfüßen
schneiden. Dann tue es in Laden, Schachteln oder gläserne Schalen
und gieße Wappen oder großer Herren Sprüche hinein, wie
du es für gut hältst..." Nostradamus warnt vor rotfärbenden
Zusätzen, wie z.B. Sandelholz, da durch solches "Narrenwerk" der Saft
anbrenne und "ganz und gar verderbe". Auch Goethe ließ sich von seiner
Mutter roten und weißen Quittenkonfekt schicken; entsprechende Rezepte
durften bis ins 18. Jh. in keinem Kochbuch fehlen!
Seit der Antike bis in die
frühe Neuzeit hinein galt die Quitte unter allen bekannten Früchten
als das Heilmittel; sie wurde sogar als "Apotheke für arme Leute"
verehrt (Hieronymus Bock 1539). Noch in einem Lexikon des 18. Jhdt. heißt
es: "Das Quittenbrod ist nicht nur für Leckermäuler, sondern
es hat auch seinen Nutzen in der Artzney: indem es stärcket und anhält,
daher es bey dem Erbrechen, der rothen Ruhr und im Durchlaufe mit Nutzen
gegeben wird."
Fast alle Teile des Quittenbaums
fanden Verwendung, hauptsächlich aber die Frucht. Das erste Zeugnis
der Heilkraft der Quitten findet sich im 5. Jh. v.Chr. bei Hippokrates,
der sie gegen Durchfall und Fieber empfahl. Dioskorides beschreibt diverse
Heilmittel aus Quitten. Vor allem bei Magenbeschwerden empfiehlt er rohe,
gekochte oder in Honig eingelegte Quitten, sowie gesüßten Quittenwein.
Er beschreibt ein aus Quitten bereitetes adstringierendes Salböl und
verwendet Umschläge aus den Blüten bei Augenentzündungen.
Weitere Indikationen waren Cholera, Blutsturz und übermäßige
Menstruation. Plinius kennt insgesamt 21 Anwendungsgebiete und fügt
dem noch einige Wunderheilkräfte hinzu, so können Quitten in
Wein gekocht und mit Wachs aufgestrichen auf Glatzen das Haar wieder hervorrufen.
Auch Galen, der Leibarzt Marc Aurels, hielt von Quittenarzneien mehr als
von denen aus "anderen Äpfeln". Hildegard von Bingen schreibt über
die Früchte des Cutinboums als nützliche Arznei bei gichtisch-rheumatischen
Beschwerden. Bekannt ist die sog. Latwerge, ein Quittengelee, das lange
als reinigende und abführende Medizin eingesetzt wurde; nach Bedarf
konnten noch weitere wirksame pflanzliche Stoffe hinzugefügt werden.
"Diese Quittengallerte führet die Galle und den Schleim aus, und kann
denjenigen Leckermäulern verordnet werden, welche nicht gerne Artzneyen
nehmen...." Interessant ist, dass die Quitte ähnlich auch in der chinesischen
Heilkunde eingesetzt wurde, wie von LI Shizen im 16.Jh. beschrieben.
Seit der Antike bis ins 18.
Jh. wurde dem Duft der Quitte große Kraft zugesprochen: "Vermöge
ihres Geruchs vernichten sie die Kräfte und Eigenschaften aller gifftigen
Sachen." In der christlichen Deutung wurde die Quitte wegen dieses Duftes
und der goldenen, "göttlichen" Farbe Maria zugeordnet, und dem Jesuskind,
das sie auf vielen Bildern in der Hand hält. Sie war damit auch Symbol
für Erlösung und Heil.
Natürlich sollte die
Quitte auch magische Eigenschaften besitzen. Sie wurde vor allem bei Liebeszaubern
eingesetzt, und einen kranken Quittenbaum konnte man heilen, indem man
eine ungerade Zahl Quitten unter seinen Wurzeln vergrub.
Die medizinische Verwendung
des aus den Samen gewonnenen Schleims wurde erst durch die Araber in Europa
bekannt; bis Anfang des 20. Jh.s wurde dieser aber beispielsweise auch
als Haarfestiger und als Bindemittel für Speiseeis genutzt.
Heutige Bedeutung und Verwendung
Der hohe Pektingehalt der
Früchte wirkt auf die Reinigung des Darms, indem er Bakteriengifte,
Gallensäure, Schwermetalle und radioaktive Elemente bindet.
Quittenschalen und Blätter
enthalten verschiedene Flavonolglycoside, z.B. Quercetin, das antikanzerogene,
entzündungshemmende und krampflösende Eigenschaften haben soll.
Desweiteren finden sich Vitamin B und C und Carotin, sowie verschiedene
Mineralstoffe.
In Früchten und Blättern
sind zum Teil größere Mengen Gerbstoffe und Tannine enthalten,
die antibiotisch und entzündungshemmend wirken. Die adstringierenden
Substanzen der rohen Frucht wirken beruhigend auf Magen und Darm. Die ölhaltigen
Quittensamen enthalten soviel Schleimstoffe, dass sie das 40-fache ihres
Gewichtes an Wasser aufnehmen können. Im Iran wurde dieser Schleim
bis in jüngere Zeit industriell für kosmetische und medizinische
Zwecke hergestellt. In heutigen Naturkosmetikbüchern findet man z.B.
Kuren mit Quittenpasten bei trockener Haut. Der Schleim der Kerne wird
in der Volksmedizin bei Augenentzündungen gebraucht. Für rissige
Haut und Lippen dient er als fettfreie Salbengrundlage. Beschrieben sind
auch innerliche Anwendungen als Fieber- und Entzündungsmittel. Getrocknete
Quittenkerne können bei Halsschmerzen und Husten einfach gelutscht
werden. Der intensive Quittenduft besteht zum größten Teil aus
Estern im Öl der Quittenschalen. 150 flüchtige Verbindungen sind
daran beteiligt, weit mehr als bei Äpfeln und Birnen.
Um Quitten zu kaufen, muss
man sich in Deutschland mittlerweile in Feinkostläden oder türkische
und griechische Geschäfte begeben. In privaten Gärten findet
man vereinzelte Quittenbäume, deren Früchte meist zu Gelee verarbeitet
werden. Die Bedeutung als besondere Süßigkeit ist, außer
in südlichen Ländern, stark zurückgegangen.
Der wohl kämpferischste
Aufruf, die Quitte auch bei uns wieder zu etablieren, stammt von Max Goldt
aus "Quitten für die Menschen zwischen Emden und Zittau": "Quittenpaste
hat ebenso wie Quittengelee meist den Nachteil, Unmengen von Zucker zu
enthalten, der den irisierenden Eigengeschmack der Quitte nicht unterstreicht,
sondern tötet. Deshalb sollten wir unsere gesamte Kraft dazu verwenden,
die Quitte den an Gelierzuckersäcke genagelten Händen unserer
Großmütter zu entreißen und in die Sparte des eigenständigen
Genussmittels hinein zu emanzipieren!"
[Eine
Seite zurück] [Zur Übersichtsseite
über den Karlsgarten] [Home]
zuletzt geändert am: 25.XII.2001