Name im Capitulare | Nr. | Botanischer Name | Familie |
lacteridas |
|
Euphorbia lathyrus L. | Euphorbiaceae |
|
Botanische Beschreibung der Art
Die Kreuzblättrige Wolfsmilch ist eine kräftige, aufrechte, bis 1 m hohe, zweijährige Pflanze. Die gesamte Pflanze enthält einen weißen, ungenießbaren Milchsaft, worauf auch der Gattungsname Bezug nimmt. Der Stängel ist oft rot gefärbt und in den unteren Bereichen eher spärlich beblättert. Sie besitzt kreuzweise gegenständige, lanzettliche Blätter.
Die "kleinen grünen Blüten" (die nur so aussehen wie Blüten, weil sie in Wirklichkeit extrem reduzierte Kleinstblütenstände darstellen) stehen in zwei- bis vierstrahligen Scheindolden. Die kapernähnlichen grünen Früchte haben einen Durchmesser von 1 cm. Die gelbgrünen Tragblätter im Bereich der Blütenstände sind eiförmig zugespitzt und sitzen ohne Blattstiel herzförmig am Stängel direkt unterhalb der Scheindolden. An der Spitze der Strahlen jeder Scheindolde umstehen zwei Hüllblättchen jeweils eine zentrale weibliche Blüte, die auf den dreinarbigen Fruchtknoten reduziert ist und mehrere seitlich stehende männliche Blüten, die aber nur noch aus einem Staubblatt bestehen. Diese Cyathien (auf männliche und weibliche Blütenorgane reduzierte Kleinstblütenstände) werden jeweils von 2 gelben, zweihörnigen Honigdrüsen umgeben.
Die Pflanze blüht von
Juli bis August. Die Kreuzblättrige Wolfsmilch benötigt wintermilde
und sommerwarme Standorte mit nährstoffreichem, lockeren Lehmboden.
Bei uns kommt sie verwildert auf Ödland vor, hält sich aber dort,
abgesehen von klimatisch günstigen Weinbergstandorten, meist nicht
lange. Der ebenfalls übliche Name Spring-Wolfsmilch oder auch nur
Springkraut entstand aus der Beobachtung, dass die reifen Fruchtkapseln
an heißen Sommertagen knistern und sich mit einem deutlich zu hörenden
Knacken öffnen und die Samen bis zu einigen Metern herausgeschleudert
werden.
Geschichte
Die Kreuzblättrige Wolfsmilch hat ihre Heimat in den Mittelmeerländern, wurde aber schon im Mittelalter als Heilpflanze bei uns angebaut. Der von Plinius überlieferte lat. Gattungsname Euphorbia entstand zu Ehren von Euphorbos, dem Leibarzt des Königs Juba von Mauretanien. Plinius beschreibt bereits mehr als 10 Arten mit abgestufter, ähnlicher medizinischer Wirkung. Die Zusammensetzung des Pflanzennamens mit Wolf-, soll ähnlich wie Teufel-, Hund-, oder Schlangen- auf die Unbrauchbarkeit oder Schädlichkeit von Teilen der Pflanze hinweisen. Andere Namen für die Kreuzblättrige Wolfsmilch waren Tithymalus, Springkraut, Springwurz, Eselswolfsmilch (esula) und drastischer, nach ihrer medizinischen Verwendung, Spei-, Purgier- und sogar Scheißkraut. Über Jahrtausende hinweg wurde die Kreuzblättrige Wolfsmilch als drastisches Abführmittel genutzt, im ländlichen Frankreich bis ins 19. Jh. hinein. Die traditionelle, humoralpathologische Medizin sah dieses sogenannte Purgieren (= Reinigung des Körpers von "Schleim, schwarzer Galle und verdickten Säften") oft als Allheilmittel und erste Maßnahme einer Therapie an. Dazu empfahl z.B. Dioskorides die Einnahme von sechs oder sieben Samenkörnern zusammen mit Feigen oder Datteln. Weitere "reinigende" Anwendungen fanden Samen und Blätter als Brechmittel und harntreibendes Mittel bei Gicht und Gelenkentzündungen. Das Lorcher Arzneibuch enthält das Rezept für einen Essigmet aus diversen Kräutern gegen Wechselfieber, Magenschmerzen und Verschleimung. Durch Zugabe eines Bundes der Spring-Wolfsmilch führe der Trank zusätzlich ab und "heile alle Beschwerden". Hildegard von Bingen beschreibt die stark reizenden Eigenschaft des Milchsafts der Pflanze als "plötzliche Wärme, die das Fleisch verbrennt". Sie war sich der Vergiftungsgefahr durch die Wolfsmilch bewusst und äußerte sich daher, abgesehen von der abführenden Wirkung, sehr zurückhaltend über deren medizinische Verwendung. Mit dem Milchsaft der Blätter brachten sich Bettler im Mittelalter dem Aussatz ähnliche Hautwunden bei, um so Mitleid zu erregen und mehr Almosen zu bekommen. Auch später noch wurde der stark reizende Milchsaft als Enthaarungsmittel und zur Entfernung von Hühneraugen eingesetzt. Bis ins 20. Jh. wurde das hautreizende Harz Euphorbium als blasenziehendes Pflaster angewendet.
Einem so stark wirkenden
Heilmittel wie der Wolfsmilch wurden natürlich auch magische Eigenschaften
nachgesagt. Nach Plinius handelt es sich bei der Kreuzblättrigen Wolfsmilch
nämlich um die berühmte Springwurzel, ein Zauberkraut, das der
Sage nach die Kraft hatte, verschlossene Türen zu öffnen, Felsen
zu sprengen und Pferde die Hufeisen verlieren zu lassen, wenn sie zufällig
darauf traten. Zähne sollte man damit problemlos ziehen können,
indem man ein Gemisch aus Mehl und Springwurzel in den hohlen Zahn brachte.
Auch Tabernaemontanus nahm auf letzteres Bezug, riet aber dringend, dabei
das Zahnfleisch mit Wachs zu schützen.
Heutige Bedeutung und Verwendung
Die Samen der Wolfsmilch enthalten fettes, hochtoxisches Öl, und Harz, der Milchsaft Phorbolester und Harz. Letzterer ruft Blasen und Nekrosen auf der Außenhaut hervor, das Gewebe von Schleimhäuten kann sogar lokal zerstört werden, bis hin zur Blindheit beim Kontakt mit den Augen. Bei Anwendungen auf verletzter Haut ruft die Resorption des Milchsaftes u.U. ernste Vergiftungserscheinungen hervor.
In der Homöopathie wird die Wolfsmilch bei Schleimhaut- und Hautentzündungen, sowie bei Husten und Brechdurchfall verordnet. Die Wolfsmilch ist eine Giftpflanze und darf unter keinen Umständen zu Selbstheilzwecken verwendet werden!
In heutigen Gärten wird
die Wolfsmilch gepflanzt, weil sie, wie auch schon in Gartenbüchern
des 16. Jh. erwähnt, angeblich Maulwürfe und Wühlmäuse
vertreibt. Das wird allerdings stark angezweifelt, denn bei Untersuchungen
fand man auch eindeutig von Wühlmäusen angenagte Wolfsmilchwurzeln.
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zuletzt geändert am: 15.XI.2002