Name im Capitulare Nr. Botanischer Name Familie
ficus
87
Ficus carica L. Moraceae

 
 Feige
deutscher Name 
 Vijg
niederländischer Name 
 figuier
französischer Name 
 fig
englischer Name 
Beschreibung

Geschichte

Verwendung


 

Botanische Beschreibung der Art

Der milchsaftführende Feigenbaum ist ein sommergrüner, laubabwerfender 3-10 m hoher Baum mit graubrauner Rinde, der zuweilen auch strauchförmig wächst. Die Gattung umfasst etwa 1000 vor allem tropische, sehr vielgestaltige Arten, die vorwiegend immergrün sind. Sie gehören zu den Maulbeerbaumgewächsen. Die Feige ist im Mittelmeergebiet, Arabien, Kleinasien und Westasien bis in den Kaukasus verbreitet. Dort wächst sie bevorzugt an sonnigen trockenen und warmen Felshängen mit kräftigen Wurzeln, die tief in die Klüfte eindringen. Bei uns ist die Feige in Gebieten mit mildem Weinbauklima winterhart und trägt meist auch Früchte, die im September reifen. Feigen, die im Küstengestrüpp des Kaspischen Meeres und in der nordwestlichen Türkei wachsen, gelten als Urahn der kultivierten Feige.

Die wechselständig stehenden Blätter sind sehr veränderlich, einfach oder handförmig mit 3-5 zur Spitze hin verbreiterten Lappen, was in der Gestalt dem aus der Bibel bekannten typischen "Feigenblatt", mit dem Adam und Eva ihre Scham bedeckten, entspricht. Die Blüten der Feige sind klein und eingeschlechtlich. Sie haben eine unscheinbare Blütenhülle und stehen dichtgedrängt im Innern eines flaschenförmigen Blütenstandes, der typischen "Feigen"frucht, mit sehr enger Öffnung, der dadurch entsteht, dass die Blütenstandsachse randlich krugförmig emporwächst und so die Blüten ins Innere verlagert. Diese Früchte stehen einzeln in den Achseln der Blätter. Um die Öffnung gruppieren sich männl. Blüten mit 5 Staubblättern, die weibl. Blüten sind im übrigen Krug verteilt und bestehen aus einem Fruchtknoten, der sich zu einer Steinfrucht (das "Körnige", wenn man Feigen isst) mit fleischigem Fruchtstiel entwickelt. Die reife Feige ist 5-8 cm lang, grün braun oder dunkelviolett, oft bläulich bereift, mit grünem bis rotem Fleisch.

Ungewöhnlich und einmalig ist der Bestäubungsvorgang bei den Feigen. In jahrtausendelanger Kultur haben sich nämlich aus der Wildfeige zwei Varietäten der Kulturfeige herausgebildet, die untereinander und mit einer bestimmten Gallwespe (Blastophaga psenes) eine enge Symbiose eingegangen sind. Die Hausfeige, var. domestica, bildet in den Blütenständen nur langgrifflige weibl. Blüten, die Bocks- oder Holzfeige, var. caprificus, sowohl kurzgrifflige weibl., sogenannte Gallblüten, als auch in der Nähe des Ostiolums (schmale Öffnung der Feige), männliche Blüten. Beide Varietäten bringen jedes Jahr drei Generationen von Blütenständen hervor: die 1. Generation im Februar/März (reifen im Juni/Juli), die 2. Generation im Mai/Juni (reifen im August/September) und die 3. Generation im August/September (reifen von Dezember bis März). Die Larven der Gallwespe entwickeln sich in den Gallblüten der überwinternden Fruchtstände der nicht essbaren Bocksfeige, schlüpfen dort im März/April und die Männchen begatten die Weibchen noch in der Feige. Erstere sterben danach, die Weibchen fliegen aus und dringen in die 1. Generation der Bocks- (sog. Profichi, Vorfeigen) und Essfeigen ein, bestäuben diese aber nicht, da die überwinternden Bocksfeigen, woher die Weibchen kommen, in der Regel keine männlichen Blüten enthalten. Daher fällt die 1. Generation der Essfeigen meist vor der Reife ab. In den Bocksfeigen der gleichen Generation stechen die Weibchen die Gallblüten an und legen ihre Eier ab. Die 2 Generation der Gallwespen verlassen nach der Begattung die Bocksfeigen und sind mit Pollen der dann vorhandenen männlichen Blüten beladen, die sie nun auf den Narben der 2. Generation der Essfeigen (sog. Fichi, Sommerfeigen) abladen. Da die Griffel der ausschließlich weiblichen Blüten der Essfeigen länger sind als die Legestachel der Wespen, unterbleibt bei ihnen eine Eiablage. Diese erfolgt wiederum in den Bocksfeigen, wo die 3. Generation der Gallwespen heranwächst. Diese bestäuben dann die 3. Generation des Essfeigen (ebenfalls Fichi) und nur wenige überlebende Wespen stechen wiederum die Gallblüten der 3. Generation der Bocksfeigen (sog. Mamme, Nachfeigen) an, die zusammen mit den Wespen überwintern, im Frühjahr reifen und den Kreis schließen. Alle 3 Generationen der Bocksfeige sind holzig und ungenießbar, zumindest die 2. und 3. Generation der Essfeigen sind saftig und süß. Vorfeigen und Nachfeigen dienen also nur der Vermehrung der Gallwespen, die Fortpflanzung der Feige ist lediglich durch die Sommerfeigen gewährleistet. Um die Bestäubung zu sichern, hängte man seit alters Zweige der Bocksfeigen in die blühreifen Bäume der Essfeigen und nannte dieses Verfahren "Caprifikation". Heute gibt es auch Rassen der Essfeige, die ohne Bestäubung und Befruchtung, d.h. parthenokarp, Früchte erzeugen.

Der Feigenbaum wird im Mittelmeergebiet, Kleinasien, Kalifornien, Mexiko, Ostaustralien, Neuseeland, weiten Teilen Afrikas und Chinas plantagenmäßig angebaut. Hauptexportländer sind Portugal, Italien, Griechenland und die Türkei. Die Weltjahresernte beträgt 1,5 Mio. Tonnen. Feigen sind weich und nur bedingt transportfähig. Deshalb werden sie an der Sonne oder in Kammern auf etwa 25 % ihres ursprünglichen Wassergehaltes getrocknet. Trocken haben sie einen Zuckergehalt von 51 % und sind reich an Kalzium (200 mg/100 g).
 

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Geschichte

Getrocknete Feigen, die aus der Zeit um 5000 v.Chr. stammen, wurden bei Ausgrabungen von Geser, einer größeren antiken Stadt westlich des Juda-Gebirges, gefunden. Auch im alten Ägypten wurde die Feige angebaut. Sie gilt als eine der ältesten Kulturpflanzen der Welt und ist die erste mit Namen erwähnte Frucht der Bibel. Sie wird gelegentlich auch statt des Apfels als der Baum der Erkenntnis aus dem Paradies angesehen. In der Sixtinischen Kapelle malte Michelangelo einen Feigenbaum direkt neben den Apfelbaum, gewissermaßen als "Kleiderspender", denn nachdem Adam und Eva die Frucht gegessen hatten: "Da gingen den beiden die Augen auf, und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren; und sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze." (1. Mose 3,6-7). Seither steht das Feigenblatt als Symbol für das Verbergen von etwas, dessen man sich schämt. 1600 v.Chr. sind Feigen in Kreta bekannt und im antiken Griechenland sollen die Athleten Spartas die Frucht zur Leistungsverbesserung gegessen haben.

Dioskorides schreibt: "Die zeitige frische Feygen beschädigen den Magen / treiben den Stulgang / aber der fluß von ihnen gemacht / stopfft sich bald / befördern den Schweyß und ziehen Blasen auff / stillen den Durst und läschen die Hitz. ... Dem Halse / den Luftröhren / Nieren / Harn / Blasen / denen welche auß langer Kranckheit Bleych worden sindt / den Dämpffigen die eines kurtzen unnd schwehrlichen Athems sindt / den Wassersüchtigen / unnd denen die mit der hinfallenden kranckheyt beladen sind sehr nützlich unnd bequem. Die Brüh getruncken / da Feygen und Hysop in gesotten sind / reyniget die Brust / und ist gut wider den alten Husten / unnd langwerigen gebrechen der Lunge. ... Die Feygen gesotten / gestossen und ubergelegt / vertreiben die harte geschwulst / unnd die Geschwer der Ohren (Parotidas) erweychen die harte Geschwulst und Geschwer deß Halß (Strumae genannt) unnd zeytigen die Geschwulst / welche man Lateinisch Pauos nennet / ..." Feigenpflaster auf Geschwüre zu legen lehrt schon das Alte Testament. Und über die Verwendung des Milchsaftes schreibt Dioskorides: "Dieser Safft mit Gemüs auß Gerstenmeel gemacht vermischt / heylt den Grind und Reudigkeit / die Flechten / und fliessende Geschwer des Hauptes. Reyniget und säubert die spruteln oder masen / und alle anderen mackeln deß Angesichts und deß Leibs."

Schon im Altertum waren die komplizierten Zusammenhänge der Befruchtung der Feigen bekannt und dass Feigen und Feigenwespen nicht ohne den anderen überleben können. Es gibt kein besseres Symbol für das geglückte Zusammenleben von zwei ganz unterschiedlichen Wesen. Aber die sexuell geprägte Symbolik der Feige trägt auch negative Züge. "Mit der Feig´n hausieren" ist in Wien ein volkstümlicher Ausdruck für Prostitution, ein Schürzenjäger ist "a Feigen-Tandler". Die Feigenfrucht ist Sinnbild für das weibliche Geschlecht und Feigenholz wurde bevorzugt verwendet zum Schnitzen des kultischen Penis. Die vielfach im Süden verwendete Geste "einem eine Feige zeigen", indem der Daumen zwischen Ring- und Mittelfinger geschoben wird, ist eindeutig obszön und beleidigend. J.B. Friedreich führt Geste und Ausdruck auf die Zeit Kaiser Friedrichs ´Barbarossa´ zurück. In der Fehde mit den Mailändern ereignete sich, dass letztere die Kaiserin Beatrix, die ihnen in die Hände gefallen war, demütigten, als sie diese rücklings mit dem Kopf in Richtung des Schweifes auf eine Eselin gesetzt und so durch Mailand geführt hatten. Nach der Rückeroberung Mailands ließ Barbarossa die Stadt schleifen und schenkte nur jenen Einwohnern das Leben, die sich der Erniedrigung unterwarfen, mit ihren Zähnen eine Feige aus dem After einer Eselin zu holen und auch wieder hinein zu stecken. Die Feige wurde zu einem Schimpfwort, indem man verbal und handgreiflich "Ohrfeigen" verteilte.

Dabei wurde die Feige im Altertum positiv gesehen. In Rom war man überzeugt, dass Romulus und Remus im Schatten eines Feigenbaumes aufgewachsen sind, der ihrem Vater Mars heilig war. Der Zustand des Baumes galt als Zeichen für den kriegerisch erworbenen Reichtum Roms und als Indikator für das Geschick der Stadt. Als der römische Feigenbaum verdorrte, war es auch mit dem Glanz Roms zu Ende. Der Weingott Bacchus soll seine große körperliche Fülle seiner Vorliebe für Feigen verdanken. Bei den Saturnalien trugen seine Priester Ketten und Kränze aus getrockneten Feigen. Nicht nur, weil die Feige im Weinbauklima gut gedeiht, gilt sie als "Bruder des Weinstocks". Für Dante ist die Feige Metapher der menschlichen Entwicklung zum Guten und des Guten an sich. Er dichtete in seiner göttlichen Komödie:

"Doch dieses undankbare schlechte Volk, / das einst von Fiesole herunterstieg,
und noch im Wesen gleich dem felsigen Berg, / wird dir Feind sein, weil du das Gute tust;
und das mit Grund: denn zwischen herben Beeren / kann nie gedeihen der süßen Feige Frucht."

Wie Martial schrieb, wurden die kräftigen Wurzeln der Feige im mittelmeerischen und kleinasiatischen Raum auch als "Mauerbrecher" genutzt: "Feigen zersprengen den Marmor Messanas ..." Im übertragenen Sinn war sie daher Sinnbild der Stärke des christlichen Glaubens und der heilige Hieronymus schrieb: "Unter dem Feigenbaum ruht, wer die Süßigkeit des Heiligen Geistes genießt und sich sättiget an seinen Früchten."

Der nah verwandte Ficus religiosa, der Pepul- oder Bobaum, ist den Menschen buddhistischen Glaubens von höchster Wichtigkeit, denn Buddha erhielt unter ihm seine Erleuchtung. Er wird hoch verehrt, wo er wächst, und ist reich an Symbolik für Gnade und Barmherzigkeit. Der Banyanbaum, Ficus benghalensis, ist den Hindus heilig. Der Baum senkt Luftwurzeln aus den Ästen, die zu Sekundärstämmen heranwachsen und solche Ausmaße annehmen kann, dass im Laufe mehrerer Jahre ein kleines Wäldchen entsteht, unter dem ein ganzes Dorf Platz findet. So ist er das Symbol des ewigen Wiedergebärens, der Ewigkeit der Welt. Der Gott Krishna sagt von sich: "Ich bin der Geist, der Anfang, die Mitte und das Ende der Schöpfung, ich bin wie der Aswatha (Banyan) unter den Bäumen."
 

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Heutige Bedeutung und Verwendung

Feigen enthalten Carotinoide, Chlorophylle, Lipide, Vitamine (B1, B2, C und Nicotinamid), Flavonoide, Eiweiß, Kohlenhydrate (50-70%, v.a. Saccharose und Pektine), Ballaststoffe, Spuren von Furocumarinen (Bergapten und Psoralen). Die Furocumarine sind dafür verantwortlich, dass der Milchsaft der frischen Blätter bei gleichzeitiger Einwirkung von Sonnenlicht Hautirritationen auslösen kann. Feigen werden in der Volksheilkunde als Abführmittel bei Obstipationen verwendet, bei Hämorrhoiden, zur Auflösung von Nieren- und Blasensteinen bzw. –grieß sowie bei Gicht.

Eine Zubereitung aus gleichen Teilen Feigen, Mandeln, Pistazien, Kardamon, Zucker und Safran in Milch aufgeschlämmt, gilt als Aphrodisiakum. Für diesen Zweck werden bei den Arabern auch Feigen selbst gegessen.

Im Haushalt dienen Feigen als Obst, sie werden als Dessert und zur Branntweinherstellung verwendet. In gerösteter Form werden sie als Kaffeeersatz eingesetzt.

Der Milchsaft enthält ebenfalls die Protease Ficin. Feigenblätterdekokte werden bei Husten und Erkältungen eingesetzt, zur Wundheilung, zur Diurese und bei Verdauungsbeschwerden. Ficin wird auch eingesetzt zum Weichmachen von Fleisch. Das wusste auch schon Dioskorides, denn: "Deß Wilden Feygenbaums ästlin mit Ochsenfleisch gesotten / machen dass das Fleisch leichtlich zu kochen ist / unnd zeitlich gar wirdt."
 



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zuletzt geändert am: 28.XI.2003