Name im Capitulare | Nr. | Botanischer Name | Familie |
ficus |
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Ficus carica L. | Moraceae |
|
Botanische Beschreibung der Art
Der milchsaftführende
Feigenbaum ist ein sommergrüner, laubabwerfender 3-10 m hoher Baum
mit graubrauner Rinde, der zuweilen auch strauchförmig wächst.
Die Gattung umfasst etwa 1000 vor allem tropische, sehr vielgestaltige
Arten, die vorwiegend immergrün sind. Sie gehören zu den Maulbeerbaumgewächsen.
Die Feige ist im Mittelmeergebiet, Arabien, Kleinasien und Westasien bis
in den Kaukasus verbreitet. Dort wächst sie bevorzugt an sonnigen
trockenen und warmen Felshängen mit kräftigen Wurzeln, die tief
in die Klüfte eindringen. Bei uns ist die Feige in Gebieten mit mildem
Weinbauklima winterhart und trägt meist auch Früchte, die im
September reifen. Feigen, die im Küstengestrüpp des Kaspischen
Meeres und in der nordwestlichen Türkei wachsen, gelten als Urahn
der kultivierten Feige.
Die wechselständig stehenden
Blätter sind sehr veränderlich, einfach oder handförmig
mit 3-5 zur Spitze hin verbreiterten Lappen, was in der Gestalt dem aus
der Bibel bekannten typischen "Feigenblatt", mit dem Adam und Eva ihre
Scham bedeckten, entspricht. Die Blüten der Feige sind klein und eingeschlechtlich.
Sie haben eine unscheinbare Blütenhülle und stehen dichtgedrängt
im Innern eines flaschenförmigen Blütenstandes, der typischen
"Feigen"frucht, mit sehr enger Öffnung, der dadurch entsteht, dass
die Blütenstandsachse randlich krugförmig emporwächst und
so die Blüten ins Innere verlagert. Diese Früchte stehen einzeln
in den Achseln der Blätter. Um die Öffnung gruppieren sich männl.
Blüten mit 5 Staubblättern, die weibl. Blüten sind im übrigen
Krug verteilt und bestehen aus einem Fruchtknoten, der sich zu einer Steinfrucht
(das "Körnige", wenn man Feigen isst) mit fleischigem Fruchtstiel
entwickelt. Die reife Feige ist 5-8 cm lang, grün braun oder dunkelviolett,
oft bläulich bereift, mit grünem bis rotem Fleisch.
Ungewöhnlich und einmalig
ist der Bestäubungsvorgang bei den Feigen. In jahrtausendelanger Kultur
haben sich nämlich aus der Wildfeige zwei Varietäten der Kulturfeige
herausgebildet, die untereinander und mit einer bestimmten Gallwespe (Blastophaga
psenes) eine enge Symbiose eingegangen sind. Die Hausfeige, var. domestica,
bildet in den Blütenständen nur langgrifflige weibl. Blüten,
die Bocks- oder Holzfeige, var. caprificus, sowohl kurzgrifflige
weibl., sogenannte Gallblüten, als auch in der Nähe des Ostiolums
(schmale Öffnung der Feige), männliche Blüten. Beide Varietäten
bringen jedes Jahr drei Generationen von Blütenständen hervor:
die 1. Generation im Februar/März (reifen im Juni/Juli), die 2. Generation
im Mai/Juni (reifen im August/September) und die 3. Generation im August/September
(reifen von Dezember bis März). Die Larven der Gallwespe entwickeln
sich in den Gallblüten der überwinternden Fruchtstände der
nicht essbaren Bocksfeige, schlüpfen dort im März/April und die
Männchen begatten die Weibchen noch in der Feige. Erstere sterben
danach, die Weibchen fliegen aus und dringen in die 1. Generation der Bocks-
(sog. Profichi, Vorfeigen) und Essfeigen ein, bestäuben diese aber
nicht, da die überwinternden Bocksfeigen, woher die Weibchen kommen,
in der Regel keine männlichen Blüten enthalten. Daher fällt
die 1. Generation der Essfeigen meist vor der Reife ab. In den Bocksfeigen
der gleichen Generation stechen die Weibchen die Gallblüten an und
legen ihre Eier ab. Die 2 Generation der Gallwespen verlassen nach der
Begattung die Bocksfeigen und sind mit Pollen der dann vorhandenen männlichen
Blüten beladen, die sie nun auf den Narben der 2. Generation der Essfeigen
(sog. Fichi, Sommerfeigen) abladen. Da die Griffel der ausschließlich
weiblichen Blüten der Essfeigen länger sind als die Legestachel
der Wespen, unterbleibt bei ihnen eine Eiablage. Diese erfolgt wiederum
in den Bocksfeigen, wo die 3. Generation der Gallwespen heranwächst.
Diese bestäuben dann die 3. Generation des Essfeigen (ebenfalls Fichi)
und nur wenige überlebende Wespen stechen wiederum die Gallblüten
der 3. Generation der Bocksfeigen (sog. Mamme, Nachfeigen) an, die zusammen
mit den Wespen überwintern, im Frühjahr reifen und den Kreis
schließen. Alle 3 Generationen der Bocksfeige sind holzig und ungenießbar,
zumindest die 2. und 3. Generation der Essfeigen sind saftig und süß.
Vorfeigen und Nachfeigen dienen also nur der Vermehrung der Gallwespen,
die Fortpflanzung der Feige ist lediglich durch die Sommerfeigen gewährleistet.
Um die Bestäubung zu sichern, hängte man seit alters Zweige der
Bocksfeigen in die blühreifen Bäume der Essfeigen und nannte
dieses Verfahren "Caprifikation". Heute gibt es auch Rassen der Essfeige,
die ohne Bestäubung und Befruchtung, d.h. parthenokarp, Früchte
erzeugen.
Der Feigenbaum wird im Mittelmeergebiet,
Kleinasien, Kalifornien, Mexiko, Ostaustralien, Neuseeland, weiten Teilen
Afrikas und Chinas plantagenmäßig angebaut. Hauptexportländer
sind Portugal, Italien, Griechenland und die Türkei. Die Weltjahresernte
beträgt 1,5 Mio. Tonnen. Feigen sind weich und nur bedingt transportfähig.
Deshalb werden sie an der Sonne oder in Kammern auf etwa 25 % ihres ursprünglichen
Wassergehaltes getrocknet. Trocken haben sie einen Zuckergehalt von 51
% und sind reich an Kalzium (200 mg/100 g).
Geschichte
Getrocknete Feigen, die aus
der Zeit um 5000 v.Chr. stammen, wurden bei Ausgrabungen von Geser, einer
größeren antiken Stadt westlich des Juda-Gebirges, gefunden.
Auch im alten Ägypten wurde die Feige angebaut. Sie gilt als eine
der ältesten Kulturpflanzen der Welt und ist die erste mit Namen erwähnte
Frucht der Bibel. Sie wird gelegentlich auch statt des Apfels als der Baum
der Erkenntnis aus dem Paradies angesehen. In der Sixtinischen Kapelle
malte Michelangelo einen Feigenbaum direkt neben den Apfelbaum, gewissermaßen
als "Kleiderspender", denn nachdem Adam und Eva die Frucht gegessen hatten:
"Da gingen den beiden die Augen auf, und sie wurden gewahr, dass sie nackt
waren; und sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze."
(1. Mose 3,6-7). Seither steht das Feigenblatt als Symbol für das
Verbergen von etwas, dessen man sich schämt. 1600 v.Chr. sind Feigen
in Kreta bekannt und im antiken Griechenland sollen die Athleten Spartas
die Frucht zur Leistungsverbesserung gegessen haben.
Dioskorides schreibt: "Die
zeitige frische Feygen beschädigen den Magen / treiben den Stulgang
/ aber der fluß von ihnen gemacht / stopfft sich bald / befördern
den Schweyß und ziehen Blasen auff / stillen den Durst und läschen
die Hitz. ... Dem Halse / den Luftröhren / Nieren / Harn / Blasen
/ denen welche auß langer Kranckheit Bleych worden sindt / den Dämpffigen
die eines kurtzen unnd schwehrlichen Athems sindt / den Wassersüchtigen
/ unnd denen die mit der hinfallenden kranckheyt beladen sind sehr nützlich
unnd bequem. Die Brüh getruncken / da Feygen und Hysop in gesotten
sind / reyniget die Brust / und ist gut wider den alten Husten / unnd langwerigen
gebrechen der Lunge. ... Die Feygen gesotten / gestossen und ubergelegt
/ vertreiben die harte geschwulst / unnd die Geschwer der Ohren (Parotidas)
erweychen die harte Geschwulst und Geschwer deß Halß (Strumae
genannt) unnd zeytigen die Geschwulst / welche man Lateinisch Pauos nennet
/ ..." Feigenpflaster auf Geschwüre zu legen lehrt schon das Alte
Testament. Und über die Verwendung des Milchsaftes schreibt Dioskorides:
"Dieser Safft mit Gemüs auß Gerstenmeel gemacht vermischt /
heylt den Grind und Reudigkeit / die Flechten / und fliessende Geschwer
des Hauptes. Reyniget und säubert die spruteln oder masen / und alle
anderen mackeln deß Angesichts und deß Leibs."
Schon im Altertum waren die
komplizierten Zusammenhänge der Befruchtung der Feigen bekannt und
dass Feigen und Feigenwespen nicht ohne den anderen überleben können.
Es gibt kein besseres Symbol für das geglückte Zusammenleben
von zwei ganz unterschiedlichen Wesen. Aber die sexuell geprägte Symbolik
der Feige trägt auch negative Züge. "Mit der Feig´n hausieren"
ist in Wien ein volkstümlicher Ausdruck für Prostitution, ein
Schürzenjäger ist "a Feigen-Tandler". Die Feigenfrucht ist Sinnbild
für das weibliche Geschlecht und Feigenholz wurde bevorzugt verwendet
zum Schnitzen des kultischen Penis. Die vielfach im Süden verwendete
Geste "einem eine Feige zeigen", indem der Daumen zwischen Ring- und Mittelfinger
geschoben wird, ist eindeutig obszön und beleidigend. J.B. Friedreich
führt Geste und Ausdruck auf die Zeit Kaiser Friedrichs ´Barbarossa´
zurück. In der Fehde mit den Mailändern ereignete sich, dass
letztere die Kaiserin Beatrix, die ihnen in die Hände gefallen war,
demütigten, als sie diese rücklings mit dem Kopf in Richtung
des Schweifes auf eine Eselin gesetzt und so durch Mailand geführt
hatten. Nach der Rückeroberung Mailands ließ Barbarossa die
Stadt schleifen und schenkte nur jenen Einwohnern das Leben, die sich der
Erniedrigung unterwarfen, mit ihren Zähnen eine Feige aus dem After
einer Eselin zu holen und auch wieder hinein zu stecken. Die Feige wurde
zu einem Schimpfwort, indem man verbal und handgreiflich "Ohrfeigen" verteilte.
Dabei wurde die Feige im
Altertum positiv gesehen. In Rom war man überzeugt, dass Romulus und
Remus im Schatten eines Feigenbaumes aufgewachsen sind, der ihrem Vater
Mars heilig war. Der Zustand des Baumes galt als Zeichen für den kriegerisch
erworbenen Reichtum Roms und als Indikator für das Geschick der Stadt.
Als der römische Feigenbaum verdorrte, war es auch mit dem Glanz Roms
zu Ende. Der Weingott Bacchus soll seine große körperliche Fülle
seiner Vorliebe für Feigen verdanken. Bei den Saturnalien trugen seine
Priester Ketten und Kränze aus getrockneten Feigen. Nicht nur, weil
die Feige im Weinbauklima gut gedeiht, gilt sie als "Bruder des Weinstocks".
Für Dante ist die Feige Metapher der menschlichen Entwicklung zum
Guten und des Guten an sich. Er dichtete in seiner göttlichen Komödie:
Wie Martial schrieb,
wurden die kräftigen Wurzeln der Feige im mittelmeerischen und kleinasiatischen
Raum auch als "Mauerbrecher" genutzt: "Feigen zersprengen den Marmor Messanas
..." Im übertragenen Sinn war sie daher Sinnbild der Stärke des
christlichen Glaubens und der heilige Hieronymus schrieb: "Unter dem Feigenbaum
ruht, wer die Süßigkeit des Heiligen Geistes genießt und
sich sättiget an seinen Früchten."
Der nah verwandte Ficus
religiosa, der Pepul- oder Bobaum, ist den Menschen buddhistischen
Glaubens von höchster Wichtigkeit, denn Buddha erhielt unter ihm seine
Erleuchtung. Er wird hoch verehrt, wo er wächst, und ist reich an
Symbolik für Gnade und Barmherzigkeit. Der Banyanbaum, Ficus benghalensis,
ist den Hindus heilig. Der Baum senkt Luftwurzeln aus den Ästen, die
zu Sekundärstämmen heranwachsen und solche Ausmaße annehmen
kann, dass im Laufe mehrerer Jahre ein kleines Wäldchen entsteht,
unter dem ein ganzes Dorf Platz findet. So ist er das Symbol des ewigen
Wiedergebärens, der Ewigkeit der Welt. Der Gott Krishna sagt von sich:
"Ich bin der Geist, der Anfang, die Mitte und das Ende der Schöpfung,
ich bin wie der Aswatha (Banyan) unter den Bäumen."
"Doch dieses undankbare
schlechte Volk, / das einst von Fiesole herunterstieg,
und noch im Wesen gleich
dem felsigen Berg, / wird dir Feind sein, weil du das Gute tust;
und das mit Grund: denn
zwischen herben Beeren / kann nie gedeihen der süßen Feige Frucht."
Heutige Bedeutung und Verwendung
Feigen enthalten Carotinoide,
Chlorophylle, Lipide, Vitamine (B1, B2, C und Nicotinamid), Flavonoide,
Eiweiß, Kohlenhydrate (50-70%, v.a. Saccharose und Pektine), Ballaststoffe,
Spuren von Furocumarinen (Bergapten und Psoralen). Die Furocumarine sind
dafür verantwortlich, dass der Milchsaft der frischen Blätter
bei gleichzeitiger Einwirkung von Sonnenlicht Hautirritationen auslösen
kann. Feigen werden in der Volksheilkunde als Abführmittel bei Obstipationen
verwendet, bei Hämorrhoiden, zur Auflösung von Nieren- und Blasensteinen
bzw. –grieß sowie bei Gicht.
Eine Zubereitung aus gleichen
Teilen Feigen, Mandeln, Pistazien, Kardamon, Zucker und Safran in Milch
aufgeschlämmt, gilt als Aphrodisiakum. Für diesen Zweck werden
bei den Arabern auch Feigen selbst gegessen.
Im Haushalt dienen Feigen
als Obst, sie werden als Dessert und zur Branntweinherstellung verwendet.
In gerösteter Form werden sie als Kaffeeersatz eingesetzt.
Der Milchsaft enthält
ebenfalls die Protease Ficin. Feigenblätterdekokte werden bei Husten
und Erkältungen eingesetzt, zur Wundheilung, zur Diurese und bei Verdauungsbeschwerden.
Ficin wird auch eingesetzt zum Weichmachen von Fleisch. Das wusste auch
schon Dioskorides, denn: "Deß Wilden Feygenbaums ästlin mit
Ochsenfleisch gesotten / machen dass das Fleisch leichtlich zu kochen ist
/ unnd zeitlich gar wirdt."
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zuletzt geändert am: 28.XI.2003