Name im Capitulare | Nr. | Botanischer Name | Familie |
levisticum |
|
Ligusticum mutellina (L.) Crantz | Apiaceae |
|
Botanische Beschreibung der Art
Mit den stark geteilten Blättern
und den zahlreichen kleinen Blüten in doldigen Blütenständen
ähnelt die Mutterwurz vielen anderen Vertretern der Familie Doldengewächse.
Besondere Kennzeichen sind der dichte Faserschopf aus Blattresten am Hals
des Wurzelstocks, die überwiegend grundständige Anordnung der
Blätter und die intensive Rotfärbung der Blütenknospen,
die erst bei entfalteten Blüten über rosa zu weiß wechselt.
Die ausdauernde Pflanze wird
in der Regel bis 50cm hoch. Der Stängel hat keine oder wenige Seitenäste.
In jedem Fall ist nur die Enddolde fruchtbar, Seitendolden sind rein männlich
und unfruchtbar. Die Hülle (Tragblätter der Doldenstrahlen) fehlt
mehr oder weniger; Hüllchen (Tragblätter der Blüten) stehen
zu 3 bis mehreren am Grund eines Döldchens. Der Blütenkelch ist
nicht deutlich entwickelt. Die 1-1,5mm langen Kronblätter sind eiförmig
und fast flach, seltener etwas ausgerandet und an der Spitze eingerollt.
Die braune, elliptische bis eiförmige Frucht wird 4-6mm groß
und ist glatt und kahl.
Die Mutterwurz bevorzugt
Höhenlagen von 1500-2800m und besiedelt Hochgebirge und höhere
Mittelgebirge von den Alpen bis nach Mazedonien. Ursprünglich kam
sie in der alpinen Grasvegetation über der Baumgrenze, z.B. in natürlichen
Gamsweiden, vor. Durch die Almwirtschaft konnte sich die Art weiter ausbreiten.
Geschichte
Die Mutterwurz gehört
zu einer großen Gruppe sehr ähnlicher Doldengewächse. Neben
ca. 30 weiteren eurasischen Arten der Gattung Ligusticum weist sie
u.a. enge verwandtschaftliche Beziehungen zu den Gattungen Bärwurz
(Meum), Silge (Selinum) und Wiesensilge (Silaum) auf.
Deshalb ist es nahezu unmöglich zu rekonstruieren, was die antiken
Quellen mit "Ligusticum" meinten. Der Name taucht erstmals bei Dioskorides
auf, der damit eine Art aus dem oberitalienischen Ligurien bezeichnete.
Die Identität dieser Art ist unklar; sicher ist es nicht die Mutterwurz.
Bei anderen Autoren schleifte sich der Name über "Libysticum" und
"Libisticum" bis zu "Levisticum" ab.
Tabernaemontanus führt
in seinem "Neuen Kräuterbuch" (Frankfurt 1588-1591) unter "LIGUSTICUM"
drei Arten auf, von denen er die erste mit der Pflanze von Dioskorides
indentifiziert. Die Beschreibung scheint eher nicht der Mutterwurz zu entsprechen.
In diesem Zusammenhang wettert er darüber, dass in Deutschland allgemein
der Liebstöckl (Levisticum officinale) fälschlich als
das Ligusticum von Dioskorides gebraucht werde. Als medizinische Wirkung
nennt Tabernaemontanus "ein Krafft zu erwärmen/ und ist warm im anfang
deß dritten Grads/ und trucken im ersten. Darvon wirdt die Wurtzel
und der Samen in der Artzeney gebraucht." Daraus ergeben sich Wirkungen
bei Koliken, Blähungen, Verstopfungen, Leber-, Nieren- und Blasenkrankheiten.
Tatsächlich wurde auch die Mutterwurz in der Naturheilkunde bei diesen
Indikationen benutzt. Der deutsche Name Mutterwurz bezieht sich auf die
Anwendung bei Frauenleiden. Insgesamt wurden der Pflanze die gleichen Wirkungen
wie der verwandten Bärwurz (Meum athamanticum) zugeschrieben.
Als Droge wurde der Wurzelstock "Radix mutellinae" genannt.
Noch wichtiger als die medizinischen
Wirkungen war die Rolle der Mutterwurz für die Almwirtschaft. Sie
steigert die Qualität und Menge der Kuhmilch und macht Alpenmilch
und deren Folgeprodukte aromatischer. Schon Linné macht die Mutterwurz
für die Güte der Alpenmilch verantwortlich. Nach Albrecht v.
Haller (1768) galt die Häufigkeit der Pflanze als Maß für
die Güte einer Alpweide. Ein Sennenspruch aus dem Berner Oberland
lautet: "Romeyen, Muttern und Adelgras, das beste ist, was s'Chuehli frass."
(Romeyen = Alpen-Rispengras [Poa alpina], Adelgras = Alpen-Wegerich
(Plantago alpina)
Auch Murmeltiere und Gemsen
fressen die Mutterwurz gerne. Im Mittelalter waren die sogenannten Gems-
oder Bezoarkugeln begehrte Arzneimittel. Der Volksglaube schrieb ihnen
außerdem verschiedene magische Wirkungen zu. Diese Knäuel unverdaulicher
Speisereste, die man im Magen erlegter Gemsen fand, sollen nach Martius
zum großen Teil aus den Schopffasern vom Wurzelstock der Mutterwurz
bestehen.
Heutige Bedeutung und Verwendung
Vielleicht wird die Mutterwurz
in manchem abgelegenen Alpental noch von Wurzel-Sepps und Kräuterfrauen
als Naturheilmittel benutzt. Insgesamt spielt sie aber in der Medizin keine
Rolle mehr.
Auf Almen und alpinen Weiden
ist sie immer noch verbreitet. Es gibt aber kaum mehr Milchkühe auf
den Almen. Dort weiden heute allenfalls die Kälber, weil nur die Stallhaltung
im Tal unter den gegenwärtigen Bedingungen wirtschaftlich erscheint.
Natürlich muss dann auch Futtermittel zugekauft werden. Leider darf
so produzierte Milch als Alpenmilch bezeichnet und mit Bildern üppiger
Bergblumenwiesen beworben werden, obwohl die Kühe, die die Milch gegeben
haben, solche Wiesen nie gesehen haben. Zertifizierte Ökobetriebe
dürfen nicht mehr Milchkühe halten als sie mit dem Ertrag der
eigenen Wiesen ernähren können. Nur hier hat man die Chance,
Alpenmilch, -käse usw. zu bekommen, die ihren Namen auch wirklich
verdienen.
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zuletzt geändert am: 14.X.2002