Name im Capitulare | Nr. | Botanischer Name | Familie |
dragantea | 18a | Polygonum bistorta L. | Polygonaceae |
|
Botanische Beschreibung der Art
Diese Art aus einer weitverbreiteten
Gattung ein- und mehrjähriger Pflanzen trifft man oft in großen
Beständen feuchter, fetter Wiesen, vorwiegend in den gemäßigten
Regionen. In Hochstaudenfluren der Alpen steigt der Schlangenknöterich
bis auf 2000 m ü.NN. Er ist in den gemäßigten Zonen Eurasiens
und Nordamerikas verbreitet und liebt grundwasserfeuchte oder gut durchsickerte,
kalkarme, doch nährstoffreiche Böden in nicht zu schattiger Lage.
Im Mittelmeerraum ist er nicht anzutreffen. Knöteriche sind die typischen
Vertreter einer eigenen Familie, der Knöterichgewächse. Diese
zeichnen sich aus durch eine tütenförmige, den Stengel umhüllende,
meist häutige Nebenblattscheide, die sich an der Basis der Laubblätter
befindet, die sog. Ochrea.
Die Pflanze ist 0,3 – 1,2
m hoch und wächst mit einem aufrechten, unverzweigten Stängel
mit weit voneinander entfernt stehenden Blättern. Diese sind oval,
gestielt mit gestutztem oder schwach herzförmigem Blattgrund, 15-20
cm lang. Die Stängelblätter sind kürzer, die unteren und
mittleren kurz gestielt, die oberen sitzend und deutlich schmäler.
Am Grund aller Blätter sitzt die den Stengel umfassende, tütenförmige
Nebenblattscheide. Diese ist lang, spitz ohne Fransen oder Haare. Die Blätter
sind bläulich – grün, auf der Unterseite aschgrau-purpur getönt,
kahl, schütter und kurz behaart. Der Blütenstand ist eine endständige,
dichte, zylindrische Ähre, die 1 – 2 cm dick werden kann. Diese ist
mit unzähligen kleinen weißlichen, hell - dunkelrosa farbenen
Blüten besetzt. Die Blütenhülle gliedert nicht in Kelch
und Krone, sondern besteht aus fünf gleichartigen Blättern, die
als Perigon bezeichnet werden. Dann folgen acht herausragende Staubblätter,
deren drei innere die Staubbeutel nach außen gekehrt haben. Der Fruchtknoten
ist dreikantig mit 3 freien Griffeln. Darin entwickeln sich zur Fruchtreife
drei kleine, braun glänzende Samen. Der Schlangenknöterich blüht
von Mai – Juni mit einer Nachblüte von September - Oktober. Bienen
suchen die Pflanze gern auf. Sammeln sie aber zuviel von diesem Nektar,
gibt das einen auffallend gelbfarbenen, etwas bitteren Honig.
Der Name bistorta
kommt vom dem lat. bis = zweimal und tortus = gedreht und bezieht sich
auf den ziemlich dicken, schlangenartig gewundenen Wurzelstock (Rhizom
= unterirdisch kriechende Sprossachse), der auch zu dem deutschen Namen
Schlangenwurz geführt hat. Daher rührt auch die alte Bezeichnung
"Serpentaria". Die Namen Schaf- bzw. Lämmerzunge verweisen auf die
Form der Blätter. Aus dem Wurzelstock, der äußerlich schwarz
und innen rot ist, entspringen Ausläufer, die weit kriechen und dafür
sorgen, dass die Pflanze oft in geschlossenen insel- oder nestartigen Beständen
zu finden ist.
Das Vieh auf den Wiesen meidet
den Schlangenknöterich, gemäht als Grünfutter und im Heu
wird er gefressen. In manchen Gegenden wird er im Garten angebaut und die
Blätter als Spinat zubereitet wie Blattgemüse gegessen. Die Ernte
der Blätter erfolgt im Frühjahr, die der Rhizome im Herbst. In
Russland und Nordamerika werden wegen ihres hohen Stärkegehalts die
Rhizome nach Wässern und Rösten als Gemüse verzehrt.
Geschichte
"Die Wurtzel wirdt im August
Monat auß gegraben / darnach wenn sie gewaschen ist / zu kleinen
stucken zerschnitten / unnd an einen Leynen Faden im schatten zu trücknen
gehenckt / und endlich also zu behalten hingestellt." Dioskorides berichtet
weiter, dass sie "gesotten / mit Honig und Stickwurtz / Brionia, vermischt
/ säubern und heylen die Geschwer die weitter umb sich fressen/".
Schlangenknöterich wirkt von allen Arzneipflanzen am stärksten
adstringierend und wird zum Zusammenziehen von Geweben und zum Stillen
von internen und externen Blutungen eingesetzt. "Die Blätter sind
bequeme in die frische Wunden zu legen an statt der Leynen weychen Tüchlin.
In Wein gesotten / sind sie gut ober die erfrorenen Füß und
Ferchen gelegt." Bei Dioskorides ist auch zu lesen, dass neben der harntreibenden
Wirkung die Wurzeln mit Wein getrunken Männern "machen ein begierdt
zur Unkeuschheit." Frauen als Zäpfchen verabreicht, ziehen sie "die
Frucht auß Mutter Leib".
Die nordamerikanischen Indianer,
die auch den Schlangenknöterich kennen, behandelten sehr erfolgreich
mit starken Wurzelextrakten dieser Pflanze innere Blutungen verursachende
Krankheiten wie Cholera oder Typhus, obwohl sie sich niemals vor dem Kontakt
mit europäischen Siedlern diesen Bakterienseuchen konfrontiert sahen.
Brechdurchfälle und Blutungen ließen rasch nach, der gefährliche
Flüssigkeitsverlust wurde gestoppt, die meisten Kranken genasen. Kleine
Gaben des Wurzelpulvers verabreichten die Indianer auch bei Lungen- und
Magenblutungen und schweren Hämorrhidenleiden. Menstruationsblutungen
und Weißfluß (Leukorrhoe) behandelte man mit Spülungen
eines Schlangenknöterich-Absuds. Trapper berichten, dass zahlreiche
Missouri-Stämme einen Wurzelbrei als Paste auf kariesgeschädigtes
Zahnfleisch aufbrachten und Karies in überraschend kurzer Zeit vollständig
heilten. Äußerliche Tierbiss- und –stichverletzungen, bei denen
Vergiftungen (Dioskorides: "Die ihre Hände in dieser Wurtzel bestrichen
unnd berieben haben / werden von den Natern nit gebissen") zu erwarten
waren, und andere stark blutende Wunden wurden ebenso behandelt. Ein starker
Absud wurde bei pflanzlichen Vergiftungen und in Verdünnung gegen
Wechselfieber verabreicht. Ein Vergleich der Anwendungen des Schlangenknöterichs
durch die antiken und mittelalterlichen Kräuterkundigen und die indianischen
Medizinmänner/-frauen zeigt, dass in beiden Kulturen unabhängig
voneinander gleiche Indikationen und Krankheiten behandelt wurden. Die
Erkenntnis, welcher reiche Schatz an medizinischem Erfahrungswissen heute
noch bei vielen indigenen Indianerkulturen Amerikas vorhanden ist, hat
sich in den letzten Jahren zunehmend durchgesetzt und dazu geführt,
dass große Pharma-Konzerne dazu übergegangen sind, dieses Wissen
systematisch einer Nutzung durch die moderne Pharmazie zu erschließen.
Die adstringierende Wirkung
des Schlangenknöterichs ist wohl der Grund dafür, dass er auch
als Mittel gegen Flöhe galt (Von Perger).
Heutige Bedeutung und Verwendung
Das getrocknete Rhizom enthält
ca. 20 % Catechin- und Tanningerbstoffe. Als starkes Adstringens wird es
unter anderem verwendet bei Durchfällen sowie lokal als Spül-
und Gurgelmittel bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum. Da Schlangenknöterich
aber die toxische Oxalsäure anreichert, die im Stoffwechsel nicht
abgebaut wird, ist vor ausgiebigerem Gebrauch unbedingt zu warnen, denn
Oxalsäure führt in höheren Konzentrationen zu Steinbildung
und Nierenschäden.
Neben Gerbstoffen enthalten
die Rhizome sehr viel Stärke und Vitamin C, was erklärt, dass
sie als Gemüse gegessen werden.
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zuletzt geändert am:16.II..2001