18.Febr.2010

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Fastenspeisen – karg bis köstlich. Von Maultaschen und „Doppelbock“.

Karl Josef Strank

Nach den ausgelassenen Tagen des Karnevals folgt am Aschermittwoch, wenn alles vorbei ist, die Fastenzeit. Diese sechswöchige Zeit bis Ostern ist nach dem üppigen Essen der vielen Feiertage des Winters von eher bescheidener Kost geprägt. Für alle gläubigen Menschen ist eine Zeit des Fastens verbunden mit Buße und Einkehr die Vorbereitung auf meist folgende, hohe religiöse Festtage. Selbst auferlegte Entbehrungen, die Kasteiung des Körpers, sind Formen dieser Übung, die bis hin zur strengen Askese, der „Abtötung der Fleischeslust“, gehen können. Heute ist zwar vielfach der religiöse Hintergrund verloren gegangen, aber nicht wenige unterwerfen sich durch ständiges Diäten und Fasten körperlichen Entbehrungen aus Berufs- und Karrieregründen, weil schlank bis mager für fit und jugendlich gelten. Aber dieses vermeintliche und fragwürdige Schönheitsideal unserer Tage - übertrieben bis exzessiv durchgehalten und durchlitten - zeitigt dann mitunter schlimme gesundheitliche Folgen.

Dabei hat es vermutlich Zeiten der Entbehrung und Not in der langen Geschichte der Menschen, seit sie als Jäger und Sammler auf der Erde umherstreifen, immer gegeben. Der ausgehende Winter war oft die Zeit der knappsten Versorgung mit Lebensmitteln. Die Vorräte gingen aus und der Frühling mit frischen Pflanzen und um die Osterzeit einer Fülle von Eiern der aus den Winterquartieren wiederkehrenden und brütenden Vögel oder den jungen Wild- und Haus-/Nutztieren, die um diese Zeit geboren wurden, setzte noch nicht ein. Vielleicht ist die Fastenzeit der lang anhaltende Nachklang dieser uralten Menschheitserfahrung.

Kohldampf und Hunger

In diesen „Kohldampf- bis Hungerphasen“ verbrauchten die Menschen ihre eigenen Fettreserven und zehrten ähnlich wie die Tiere von dem in den Monaten mit ausreichendem Nahrungsangebot zuvor angege(fre)ssenem „Winterspeck“.

In der christlichen Tradition bedeutet Fasten vor allem Verzicht auf Fleisch- und Weingenuss. Mit dem Karneval verabschiedet(e) man sich für vierzig Tage von diesen Speisen. Typische Fastengerichte waren und sind die Suppen. Kräuter, Gemüse, Erbsen, Hirse, Getreide und später auch Kartoffeln wurden und werden hierzu verwendet. Suppen waren eh die Speise der einfachen Leute im Mittelalter und noch heute geben Hilfsorganisationen an Obdachlose, sozial bedürftige und in Not geratene Menschen „einen Teller Suppe“ aus. Auch Fisch zählt zu den traditionellen Fastenspeisen. Die Fastenzeit beginnt am Aschermittwoch mit dem Fischessen oder „Heringsschmaus“, lange Zeit der billigste Fisch. Heute ist er durch Überfischung so selten geworden, dass er inzwischen zu den Delikatessen zählt. Apropros Delikatessen: Als äußerst erfindungsreich im Unterlaufen der strengen Fastengebote erwiesen sich im 14. Jahrhundert die Mönche (und wohl auch Nonnen). Ihnen war nach der Regel des Heiligen Benedikt: „Ora et labora et lege“ neben Beten und Arbeiten aufgetragen, in der Fastenzeit auch ein Buch zu lesen. Fasten hieß auch, weniger zu schlafen und neben den allgemeinen Fastenzeiten waren der Montag, der Mittwoch und der Freitag wöchentliche fleischlose Fastentage.

Aus dieser Situation und der Mühe der körperlichen Arbeit heraus wird verständlich, dass man sich gerne Ausnahmen genehmigte oder diese zielstrebig erfand. So zum Geburtstag des Ordensgründers der Paulaner, Franz von Paula, am 2. April, der meist in die Fastenzeit fällt. Um diesen Anlass gebührend zu feiern, brauten mit Genehmigung des Abtes die Mönche, ein außergewöhnlich starkes Festtagsbier, das Paulaner „Doppelbock“. Noch heute wird die Starkbierzeit bei Paulaner mit dem Starkbieranstich auf dem Nockherberg in München genüsslich zelebriert. Um die Schwestern und Brüder trotz der jährlich zahlreichen Fastentage aufzumuntern, wurden zahlreiche Süßigkeiten in den Klöstern erfunden: Brezeln, Krapfen, Lebkuchen und andere Süßspeisen. Als der Kakao aus Amerika bekannt wurde, verwendete man ihn reichlich und in vielen Variationen, denn „Schockolade bricht das Fasten nicht“. In einigen Fällen trieben der Einfallsreichtum und der „Hunger nach Fleisch“, der sich nach längerem Fasten einstellte, dann doch kuriose Blüten. So versteckte man Fleischbällchen in Teigtaschen und erfand die für Schwaben typischen Maultaschen oder man deklarierte Fleisch zu Fisch, indem Schweine durch Bäche und Teiche getrieben wurden, um sie anschließend in Pasteten, Fleischpasten und Sülzen – einer rheinländischen Erfindung - zu verarbeiten, die dann oft in Formen von Krebsen, Muscheln und Fischen serviert wurden.

Im Nebel der Begierde

Augustinus sagt über das Fasten: „… es reinigt die Seele, erhebt den Geist, unterwirft das Fleisch dem Geiste, macht das Herz demütig und zerknirscht, zerstreut die Nebel der Begierde, löscht aus die Flammen der Wollust, zündet an das Licht der Keuschheit.“ Fasten und Enthaltsamkeit waren und sind bei Naturvölkern gängige Praxis zur Vorbereitung auf große Ereignisse. Viele Sportler hungern sich vor entscheidenden Wettbewerben auf das ideale oder gerade noch zulässige „Kampfgewicht“. Auch das hat Tradition, denn im Mittelalter entschlackten die wehrfähigen jungen Männer im Frühjahr ihren Körper, um nach dem trägen Winter wieder fit zu werden für das Märzfeld, die jährliche Heerschau, und die dann meist im Sommer durchgeführten Feldzüge. Karl der Große hielt es ebenso, fast sein ganzes Leben lang.



 

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zuletzt bearbeitet am 16.VIII.2010