11.Febr.2010

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Das ist kein Kappes: Kohl hat viele Vitamine – und er kann den Kater killen

Karl Josef Strank

Das im Rheinland gebräuchliche Wort für Kohl ist Kappes. Und mit dem Satz: „Das ist doch alles Kap-pes!“ wird auch schnell einmal - egal wofür - ein eindeutig negatives Urteil gesprochen. Dabei ver-dient der Kappes, wenn man die vielen Sorten dieses Gemüses betrachtet, diese Geringschätzung in keinster Weise. Botanisch gibt der Kohl, Gattungsname Brassica, den Namen für die ganze Familie der Kreuzblütler, zu der etliche Kulturpflanzen wie Raps, Rettich, Meerrettich, Senf, Färberwaid und viele andere mehr zählen. Heute kennen wir zahlreiche Kohlsorten, die zum Teil schon in der Antike oder auch erst in jüngster Zeit gezüchtet wurden. Die wilde Stammart des Kohls wächst an den Küsten des Atlantiks und ist bei uns in den Sandsteinfelsen auf Helgoland zu finden. Der Markstammkohl mit einem dicken verbreiterten Stängel gilt als ursprünglich. Ihn kannten und schätzten bereits die Römer. Kopfkohlsorten von Weißkohl, Spitzkohl und Rotkohl bis Wirsing sind bei uns sehr beliebt. Aus Italien ist der Broccoli gekommen und seit neuestem eine weitere Abart des Blumenkohls, der Romanesco. Er ist von leuchtend grüner Farbe und bildet schöne pyramidale Knospen, die die Fibonacci-Spiralen der Blattstellung erkennen lassen. Diese fraktalen Strukturen, die sich im Kleinen immer wiederholen, verblüffen und faszinieren insofern, als sie natürliche Ordnungsmuster darstellen, die man auch erkennt, wenn man die Blüten oder Samenanordnung in einer Sonnenblume betrachtet.

Weniger Bauchspeck

Chinakohl und Pok Choi sind alte Kulturpflanzen in China, die in letzter Zeit auch bei uns bekannter geworden sind. Sie zählen zu den Rübsen, die bei uns in Form der Herbst- oder Mairübe, der Telto-wer Rübchen, die als Spezialität gilt, oder der Bayrischen Rübe lange in Kultur sind.

Im 18. und 19. Jahrhundert wurden die Stadt-Aachener von den sogenannten „Kappesbauern“ mit frischem Gemüse versorgt. Aus alten Quellen geht hervor, dass die Felder damals vor den Toren im Bereich der Pfarre St. Jakob an der Lütticher Straße und am Hangeweiher gelegen waren. Die Versorgung mit frischem Gemüse war eminent wichtig, denn der hohe Vitamin- und Mineralgehalt beugte Mangelerkrankungen vor, die vor allem im Winter auftraten. Deren schlimmste Form war der Skorbut, eine am Ende tödliche Erkrankung, bei der den Menschen die Zähne ausfielen und die lange die Haupttodesursache von Seeleuten war, wenn sie auf langen Reisen sich nur von Schiffszwieback, Pökelfleisch und fauligem Wasser ernährten. Schwefelhaltige Moleküle, Glukosinate, des Kohl wehren Mikroorganismen ab, sind gleichsam `natürliche Antibiotika´ und wirken wahrscheinlich auch tumorhemmend. Polyphenole sind Antioxidantien und schützen vor Sauerstoffradikalen, ebenso neutralisieren sie gesundheitsschädliche Umweltgifte wie Nitrosamine, Mykotoxine und Kohlenwasserstoffverbindungen. Sie aktivieren verschiedene Entgiftungsfunktionen der Leber. Kopfkohle, insbesondere Rotkohl, verbessern den Selenstatus des Körpers, unterstützen die Schilddrüsenfunktion und sorgen so für Dynamik, Vitalität und `weniger Bauchspeck´. Als altes Hausrezept gegen Gelenkerkrankungen und Gicht sind Pflaster und Umschläge aus Kohlblättern bekannt.

Eine besondere Art der Konservierung des Kohls hat bei Europäern wie Asiaten gleichermaßen Zuspruch gefunden, nämlich die Säuerung durch Milchsäuregärung. In Max und Moritz heißt es: „Eben geht mit einem Teller, Witwe Bolte in den Keller, dass sie von dem Sauerkohle eine Portion sich hole, wofür sie besonders schwärmt, wenn er wieder aufgewärmt.“ Sauerkraut oder Choucrut ist die Spezialität des Elsaß und kann getrost als alte gemeinsame kulinarische Leidenschaft der Deutschen und der Franzosen bezeichnet werden. Die Herstellung ist denkbar einfach. Frischer, in feine Streifen geschnittener Weißkohl wird in einen Steintopf gestampft. Die Zellen werden dabei gequetscht, der Zellsaft tritt aus und bedeckt den Kohl schließlich ganz. Beigegebenes Salz entzieht dem Weißkohl die Flüssigkeit und konserviert den Saft während des Gärprozesses. Dieser dauert vier bis sechs Wochen. Äußerst wichtig ist, dass keine Luft zutritt und die Gärgase entweichen können. Danach wird die Salzlake entfernt.

Wie James Cook

Heute gibt man dem Sauerkraut oft Vitamin C (Ascorbinsäure) als Antioxidans bei, wodurch die Lagerfähigkeit erhöht wird. Die Zubereitung ist je nach Region oder Land sehr unterschiedlich. Meist wird es zu deftigen Speisen mit Speck, Rippchen, Eisbein, einer Schlachtplatte oder in Ungarn zu einem scharfen Gulasch nach Szegediner Art gereicht.

Die letzten Winkel der Erde wurden dank Sauerkraut entdeckt. Das kann mit Fug und Recht behauptet werden. Captain James Cook führte auf seinen Reisen neben Schiffszwieback und Pökelfleisch Fässer voll Sauerkraut mit. Als Vitaminspender erhielt Sauerkraut die Gesundheit der Seefahrer, was nicht unwesentlich zum Erfolg dieser Entdeckungsreisen und Weltumseglungen beitrug.

Vertrauen wir schließlich bei allen guten Eigenschaften, die der Kohl hat, den Römern, wenn Plinius empfiehlt, bei übermäßigem Alkoholgenuss, Kohl gegen den Kater danach zu essen, denn sie waren erfahrene Praktiker und mit den großen und kleinen Widrigkeiten des Lebens höchst vertraut. Die Tage bieten vielleicht Gelegenheit, die Probe aufs Exempel zu machen oder auch nicht.



 

voriger Artikel ← | → nächster Artikel

Auswahl nach Erscheinungsdatum

Auswahl nach Themenstichwort

Startseite

zuletzt bearbeitet am 16.VIII.2010