4.Febr.2010
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Warum Weidenruten Wurzeln bilden. Und: Eine Anleitung zum Vermehren von Steckhölzern
Thomas Eßing
Jetzt ist die Zeit, in der die Bauern in früheren Zeiten zu ihren Kopfweiden gingen um dort mehrere Jahre alte Ruten abzuschneiden. Diese steckten sie dann an frostfreien Wintertagen zur Bildung von Hecken entlang ihrer Felder in den Boden. Und tatsächlich wuchsen an diesen Ruten neue Wurzeln, und im Laufe der Zeit neue Hecken und Bäume.
Bis heute prägen die Kopfweiden als weiterhin gepflegte, ökologisch wertvolle und geschützte Relikte einer alten Nutzungsform unsere Auen.
Auch unsere kleinen Mitbürger in den Kindergärten bauen aus Weidenruten, die im Winter in den Boden gesteckt werden und dort Wurzeln schlagen, mit einem riesigen Spaß Tunnel, Höhlen oder „Indianerzelte“.
Warum aber haben gerade Weiden die Fähigkeit so gut entwickelt, abgeschnittene Triebe zu bewurzeln, im Gegensatz zu vielen anderen Pflanzen?
Weiden spielen ihre Stärken in Feuchtgebieten aus. In diesem Lebensraum haben sie einzigartige Fähigkeiten, mit denen sie sich gegenüber konkurrierenden Gehölzen durchsetzen können. Allerdings sind sie hier fortwährend wechselnden Wasserständen ausgesetzt und nicht nur das: Bei Hochwasser werden ganze Uferbereiche weggerissen oder bei Eisgang Uferbewuchs in seine Einzelteile zerlegt. Werden dann solche Pflanzen oder Pflanzenteile an anderer Stelle angeschwemmt ist es von Vorteil, nicht erst eine lange Entwicklung vom Samen aus zu machen, sondern gleich als kräftiger Ast , Stamm oder Baum der pflanzlichen Konkurrenz davon zu wachsen.
So selektierten sich bei Weiden gerade die Individuen heraus, die am besten und schnellsten auch an dicken Ästen und Stämmen Wurzeln schlagen konnten. Schließlich kann nach Hochwasser auch schnell wieder Trockenheit folgen und frisch gekeimte Samen vertrocknen lassen.
Eine Verbreitung der Weide durch Samen ist aber auch möglich und notwendig. Hierdurch kommt es zu genetischer Vielfalt, die es Weiden ermöglicht, sich ändernden Umweltbedingungen schnell anzupassen. Außerdem kann sich die Weide mit ihren kleinen Samen sehr weit verbreiten und ist nach Katastrophen eine der ersten, die sich auf nacktem Boden ansiedelt.
Aber auch viele andere Gehölze unserer Gärten haben grundsätzlich die Fähigkeit, an verholzten Trieben Wurzeln zu bilden. Will man also von einer Pflanze aufgrund ihrer genialen Fähigkeiten eine exakte Kopie haben, kann man es mit der Steckholzvermehrung versuchen. Hierbei ist im Mittel folgendes Verfahren am erfolgversprechendsten:
Man schneidet im Zeitraum Mitte Dezember bis Mitte Februar ca. 10 bis 20 cm lange, einjährige, verholzte, bleistiftdicke Triebe aus dem mittleren Bereich unverzweigter Triebe. Diese sollten mindestens drei Sprossknospen zur Bildung von Seitentrieben haben. Geschnitten wird immer ca. 1 cm über dem obersten, und ca. 1 cm unter dem untersten Auge. Am unteren Ende wird dann noch seitlich ein 2 cm langer Rindenstreifen abgeschnitten, um zu einer besseren Wurzelbildung anzuregen. Die untere Schnittstelle kann bei schwierig zu bewurzelnden Steckhölzern vorab in spezielle Hormon- /Fungizidlösungen getaucht werden. Solche Mittel sind in Baumschulen erhältlich.
Anschließend werden die Steckhölzer im Freiland zu 2/3 in den zum Zeitpunkt des Steckens frostfreien Boden gesteckt und mit weißer Folie abgedeckt. Der Standort sollte hell, halbschattig und der Boden locker und am besten sandig/humos sein.
Der Boden wird nach dem Stecken gut angedrückt, damit die Bodenfeuchtigkeit frei zirkulieren kann.
Ab Mai, wenn die Knospen treiben, sollte die Folie 2 3 mal tageweise zur Abhärtung abgenommen, und anschließend ganz entfernt werden. Wenn die Steckhölzer in mindestens 10 cm Abstand gesteckt wurden, können sie bis zum Herbst dort verbleiben. Nach dem Laubfall sollten die neuen Triebe zur Hälfte zurückgeschnitten werden, damit sie sich im Folgejahr besser verzweigen. Im Frühjahr können die Pflanzen dann an den Endstandort gepflanzt werden.
Zu bedenken ist, dass es sich bei den meisten Rosen und Obstbäumen um sogenannte Veredlungen handelt. Hierbei wird z.B. von einer edlen Rose eine Triebknospe unter die aufgeschnittene Rinde einer wilden Rose gesetzt. Aus dieser Knospe wächst dann die neue veredelte Rose heran, deren Wurzel aber von einer wilden Rose stammt. Eine solche Pflanze besteht also aus zwei Pflanzen, die zusammengewachsen sind. Somit würde man bei einer Steckholzvermehrung solcher Gehölze immer nur den Pflanzenteil bekommen, aus dem man das Steckholz geschnitten hat.
zuletzt bearbeitet am 16.VIII.2010