24.Juni 2010
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Der Johannistag. Er ist mehr als nur Stichtag für Spargel und Rhabarber.
Angela Ertz
Wenn in der Nacht zum 24. Juni in den Orten rund um Monschau geschmückte Ahornbäume aufge-stellt werden, so ist das kein zweifacher Maibaum-Irrtum, sondern es handelt sich um einen Brauch zum Johannistag, der die Eifel ein Stückchen näher an Schweden rückt, dort werden nämlich zur selben Zeit geschmückte Mittsommerbäume aufgerichtet.
Wohl bewusst wurde das christliche Fest der Geburt Johannes des Täufers auf das Datum der Som-mersonnenwende gelegt und vermischte sich in Symbolik und Bräuchen bis heute mit den heidni-schen Traditionen dieses Tages, auch wenn die astronomische Sonnenwende seit der Kalenderreform bereits am 21. Juni stattfindet. In den skandinavischen und baltischen Ländern gilt der 24. Juni nach Weihnachten als zweitwichtigster Feiertag des Jahres.
Der bekannteste Brauch ist das Entzünden der Sonnwendfeuer in der Johannisnacht, die als Symbol für das Sonnenlicht dunkle Mächten abwehren sollten: Ein Sprung durchs Johannisfeuer mit einem geflochtenen Gürtel aus Beifuß schützte vor Krankheit. Durch die Blüten des Rittersporns sah man in die Flammen, um Augenleiden vorzubeugen. In einem Strauß aus Beinwell und Eisenkraut verbrannten im Feuer symbolisch die ‚Missgeschicke‘ junger Frauen. Die Asche des Johannisfeuers wurde als Segen auf die Felder gestreut.
In vielen Bräuchen des Johannistags wurden die Kräfte von Pflanzen und Tieren in abergläubische Riten eingebunden. Die in den Juninächten leuchtenden harmlosen Glüh- oder Johanniswürmchen wurden als magische Zutat für sogenannte ‚Freikugeln‘ gehandelt: Sechs von sieben Kugeln verfehlten ihr Ziel nicht, über die siebte bestimmte jedoch der Teufel…
Pflanzen, die am Johannistag gepflückt werden, sollen besondere Heilkräfte haben. So sammelt man noch heute an diesem Tag bevorzugt Holunder und Kräuter für die Hausapotheke. Türen, Ställe, Menschen und Tiere werden mit Sträußen, Kränzen oder Kronen aus Blumen, Gräsern oder Johanniskraut geschmückt. In der Mitte der Johannissträuße steckt oft eine Königskerze, die ‚Sonnwendblume‘. Nach diesem Tag benannt ist das gelb blühende Johanniskraut, dem verschiedenste Heil- und Zauberkräfte nachgesagt werden. Der Sage nach hat der Teufel, erbost über die Macht der Pflanze, alle Blätter mit Nadeln durchstochen. Hält man die Blätter gegen das Licht, erkennt man tatsächlich viele kleine Punkte, es sind durchscheinende Öltröpfchen. Der Legende nach ist die Pflanze aus dem Blut Johannes des Täufers entstanden, passend dazu sondern die zerquetschten Blätter einen roten Pflanzensaft ab. Dieser wurde als ‚Elfenblut‘ oder ‚St. Johannisblut‘ bezeichnet und bei Hexenprozessen als Wahrheitsdroge verwendet.
Aus dem getrockneten Johanniskraut bereitete man außerdem ein blutstillendes Pulver. Tatsächlich enthält Johanniskraut neben Gerbstoffen auch desinfizierende und schmerzlindernde Substanzen.
Für die Landwirtschaft leitet der Johannistag mit dem Ende der Schafskälte die Erntesaison ein. Jetzt ist der ideale Mahdzeitpunkt zum Schutz von Bodenbrütern und Wiesenpflanzen: „Wenn die Johanniswürmer glänzen, darfst Du richten Deine Sensen.“ Bei Laubgehölzen findet man den Johannistrieb, einen kräftigen zweiten Austrieb. Auch das traditionelle Ende der Spargel- und Rhabarberernte am Johannistag hat weder mythologische noch gesundheitliche Gründe. Es geht vielmehr ganz zeitgemäß um Nachhaltigkeit: Die Spargelpflanzen und die Rhabarberstauden müssen in den Sommermonaten Kräfte sammeln, denn sie sollen ja auch im nächsten Jahr noch schmackhafte Sprosse liefern!
zuletzt bearbeitet am 10.IX.2010