7.April 2011

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Im Garten ist der Aronstab eine dankbare Staude. Symbol für Lebenskraft.

Karl Josef Strank

Im Frühjahr schieben sich, sobald der Boden taut, saftig grüne, eingerollte Blätter ans Licht, die, wenn die Blattspreiten sich entfalten, spieß- und pfeilförmige Gestalt annehmen. Die Blätter erscheinen recht zeitig mit den ersten Frühjahrsblühern und bevor andere Pflanzen, vor allem Sträucher und Bäume austreiben. Der Aronstab, um den es sich hier handelt, wächst in feuchten, lichten Laubwäldern, in Gebüschen oder unter Hecken. Er braucht lockeren, nährstoffreichen Boden und ist in Mittel- und Südeuropa weit verbreitet. Die Pflanze wird 15-50 cm hoch. Die mitunter sehr markanten, dunklen Flecken der Blätter haben der Art den Namen gegeben, gefleckter Aronstab, Arum maculatum.

Brauner Kolben
Im Garten ist der Aronstab eine dankbare Staude, wird aber häufig durch den größeren und in der Blüte ansehnlicheren italienischen Aronstab, von dem es mehrere Unterarten gibt, ersetzt. Diese „Blüte“ ist das auffälligste und eigenartigste Merkmal der Pflanze und es lohnt, sie genauer zu betrachten. Ein dicht zusammengerolltes, spitz zulaufendes, grünes Hüllblatt (Spatha) entfaltet sich in der Blütezeit von April-Mai und umhüllt dann tütenförmig einen braunen Kolben. Dieser verströmt feinen Aasgeruch, einige vergleichen ihn mit saurem Urin, der zahlreiche kleine Fliegen anlockt. Diese kriechen am Kolben nach unten und gelangen so in den unteren rundlichen Kessel des Hüllblattes. Hier sitzen zuunterst an der Kolbenachse viele rundliche Fruchtknoten, die an ihrer Spitze Nektartropfen absondern.

Dann folgt ein kleiner Ring von Haaren, darüber ein breiterer Kragen von dicht an dicht stehenden Pollensäcken.

Zu oberst befinden sich die sogenannten Reusenhaare, die die taillenförmige Einschnürung des Hüllblattes über dem kesselförmigen unteren Teil in Art einer Reuse verschließen.

Entlang der im Kessel verborgenen Partie des Kolbens sind viele extrem auf Fruchtknoten, Pollensäcke und umgebildete Haare reduzierte Blüten aufgereiht, dass die vermeintliche Blüte des Aronstabs sich folglich als Blütenstand entpuppt. Da dieser zur Gänze der Bestäubung dient, wird er auch als Blume bezeichnet.

Interessant ist nun wie diese vor sich geht. Der Kolben des Aronstabs entwickelt eine beachtliche Wärme, so dass im Kessel die Temperatur auf 16°C über der Außentemperatur ansteigen kann. Die Energie für diese Heizleistung liefert eingelagerte Stärke, die in ihre Zuckerbestandteile zerlegt und über den Stoffwechsel verbrannt wird. Nebenbei verdampft der Kolben auf diese Weise einen Cocktail flüchtiger Geruchsstoffe, die vor allem Schmetterlingsmücken und kleine Aasfliegen anlocken. An den glatten Innenwänden der Spatha gleiten diese in den Kessel und können wegen der starren Reusenhaare nicht entkommen. Bei angenehmer Innentemperatur und Verköstigung – die Narben scheiden Tröpfchen eines zuckerhaltigen Sekrets aus – verbringen sie nun einige Stunden im Kessel und bestäuben die weiblichen Blüten.

Ein Teufelskreis
Nach der Bestäubung erlischt die Heizung, die Staubblätter öffnen sich und pudern die Insekten mit Pollen ein. Die Spatha beginnt zu welken, die hinderlichen Borstenhaare erschlaffen und die pollenbeladenen Mücken und Fliegen können sich befreien, nur um gleich wieder auf eine andere verlockend duftende und wohlig warme Kesselblume des Aronstabs hereinzufallen, womit die nächste Runde von Gefangenschaft, Verköstigung, Bestäubung und Befreiung eingeleitet wird. Das Angebot des Aronstabs mit zeitweiliger Gefangenschaft zwecks Bestäubung scheint für die Insekten trotzdem äußerst attraktiv, denn man zählte in einem Kessel schon einmal mehr als 4000 von ihnen.

Für andere Tiere und für den Menschen ist der Aronstab – abgesehen von seiner interessanten und ästhetischen Erscheinung – weniger attraktiv, denn er ist in allen seinen Teilen äußerst giftig für Säugetiere und Nagetiere. Insbesondere die leuchtend roten, süß schmeckenden Beeren führen häufig bei Kindern zu Vergiftungen. Symptome sind Erbrechen, Durchfall, Krämpfe, Herzrhythmusstörungen bis hin zu Nieren- und Leberschäden. Beim Verdacht einer Intoxikation daher sofort den Arzt aufsuchen.

Dennoch findet der Aronstab medizinisch Verwendung bei Gastritis und Brustleiden. In der Homöopathie bei Schnupfen und Heiserkeit.

Der Name Aronstab verweist auf das Alte Testament, 2.Buch Mose, Kapitel 7, Vers 10: „Und Aaron warf seinen Stab vor den Pharao und vor seine Knechte hin, und er ward zur Schlange.“ Bei Form und Gestalt des Aronstabes braucht es nicht viel Phantasie, sich auch die geradezu aufdrängenden sexuellen Assoziationen der Menschen vorzustellen. Als Symbol des „allzeugenden Phallus“ wurde die Pflanze demnach vom Volk genutzt als ein die männliche Potenz steigerndes Aphrodisiakum.

Namen wie Pfaffenpint oder Pfaffenzagel zeugen davon. Pikant ist allerdings schon, dass derartige Bezeichnungen den Mönchen und Geistlichen angehängt wurden, vielleicht weil nach Volkes Meinung diese wegen des zölibatären Gebotes den „Anfechtungen des Teufels“ besonders ausgesetzt waren.

In einigen Gegenden heißt der Aronstab auch Zeigwurz. Man versuchte nämlich den Ertrag der zu erwartenden Ernte aus dem Zustand seines Blütenstands zu deuten. Die stockwerkartig stehenden Blüten standen in Thüringen von unten nach oben für die Erbsen, den Weizen, den Roggen und zuoberst Gerste und Hafer. In Unterfranken schloss man aus dem Kolben auf den zu erwartenden Getreideertrag, aus den runden Stempelblüten auf die Weinernte, aus den Staubblüten auf die Obsternte und bei einer starken Entwicklung der Reusenhaare gab es eine gute Heumahd, wer hätte das gedacht!

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zuletzt bearbeitet am 18.IV.2011