29.Sept.2011

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Und nach der Ernte den Geruch von Kartoffelfeuer in der Nase haben.

Mechtild Feese

Wussten Sie, dass es ein Denkmal zu Ehren der Kartoffel, Solanum tuberosum , gibt? Wie Graf von Krockow in „Die Reise nach Pommern“ schildert, steht es in Biesiekirz (Biziker) in Polen , eine riesengroße Kartoffel aus Bronze ,von drei Stahlträgern gehalten, die aussehen wie die drei Zinken einer Gabel, mit der man die heiße Kartoffel aufspießt, um sie besser pellen zu können. Das Denkmal erinnert daran, dass Polen, das ehemalige Hinterpommern, der Osten überhaupt ein rechtes Kartoffelland waren und sind. Die Kartoffel spielt eine wichtige Rolle für unsere Ernährung. Mittlerweile ist die Kartoffel die drittwichtigste Nahrungspflanze weltweit.

Die Heimat der Kartoffel ist das Hochland von Peru, wo heute noch die meisten Sorten wachsen. Kartoffeln waren das Hauptnahrungsmittel der Inkas. Immer noch pflanzen die Indios viele verschiedene Sorten zusammen, weil die Vielfalt den besten Schutz gegen Schädlinge bietet.

Um 1550 tauchten die ersten Kartoffeln in Europa auf, als Zierpflanzen wegen ihrer anmutigen weißen Blüten und als botanische Kuriosität in herrschaftlichen Gärten. Tatsächlich ist die Kartoffel, eine unserer jüngsten Kulturpflanzen. Erst seit ungefähr 220 Jahren wird sie auf Betreiben Friedrichs des Großen (1712–1786)in Deutschland feldmäßig angebaut. Anfänglich aßen die Menschen die Beeren und das Kraut. Da aber die Kartoffel ein Nachtschattengewächs ist und giftig ist, bekamen sie Hals– und Kopfschmerzen und Durchfall. Erst der Hunger im Schlesischen Kriege verhalf dem Kartoffelanbau zum Durchbruch. In ganz Europa verbreitete sich die Kartoffel als einzige Ernährungsgrundlage für die ärmeren Bevölkerungsschichten. Im 19. Jahrhundert mussten die Iren ihr Getreide an England verkaufen und ernährten sich fast nur von Kartoffeln. Als um 1850 wegen der Kartoffelfäule Missernten auftraten, verhungerten eine Million Menschen. Wer es sich noch leisten konnte, wanderte nach Amerika aus.

Im 19. Jahrhundert bestand das Hauptgericht der armen Leute aus Kartoffeln mit ein wenig Salz, Zwiebeln, ein bisschen ausgelassenem Speck, sofern man ihn bezahlen konnte, oder für die ganz armen mit Heringslake(Wasser, in dem die Salzheringe gewässert worden waren). Das Gericht „Himmel und Erde“, d.h. Äpfel und Kartoffeln stammt auch aus dieser Zeit.

Kartoffeln blieben Hauptbestandteil der deutschen Mahlzeit, sie bildeten mindestens die Hälfte des Essens, wie wir noch an Portionstellern sehen können. Erst in den letzten Jahrzehnten wurden sie durch Reis oder Nudeln verdrängt.

Viele von uns haben noch aus der Kriegs- und Nachkriegszeit den Geruch von Kartoffelfeuer in der Nase, wenn auf den Feldern das Kraut verbrannt wurde und man in der Glut die nach der Lese noch gefundenen Kartoffeln an Stöckchen garte. Man sammelte die übrigen Kartoffeln und nannte das „stoppeln“. In der Not nutzte man die öffentlichen Grünanlagen, statt Rasen und Blumen pflanzte man Kartoffeln und Gemüse. Der Tiergarten in Berlin war damals ein riesengroßes Feld.

In den 30er Jahren wanderte aus Amerika der Kartoffelkäfer, erkenntlich an den schwarzen Längsstreifen auf gelbem Grund, ein. Dieser Käfer und seine Larven fraßen ganze Felder kahl. Der Käfer überwintert im Boden und legt bis zu 1000 Eier jährlich. Er musste mit der Hand gesammelt werden. Schulklassen wurden zum Kartoffelkäfersammeln auf die Felder geschickt. Als Belohnung bekam jedes Kind einen Teller Erbsensuppe.

Später hatte jeder in einem möglichst dunklen aber trockenen Keller seine Kartoffelkiste stehen, aus Lattenrost gefertigt mit einer schrägen Schublade unten, die nach vorn offen war. Dort wurden die Einkeller-Kartoffeln bei kühler Temperatur nicht unter 3 Grad aufbewahrt. Etwa ein Zentner (50 kg) pro Person reichte von Oktober bis Mai/Juni. Unter drei Grad darf man Kartoffeln nicht lagern, weil sich dann Stärke in Zucker verwandeln und süß schmecken. Passiert es aber doch, schält man sie und legt sie in Wasser. Der Zucker löst sich, und die Kartoffel erhält fast ihren ursprünglichen Geschmack wieder.

Kartoffeln sind außerordentlich gesund. Sie enthalten viel Stärke und liefern Energie, sie enthalten Eiweiß und sehr viel Vitamin C, das direkt unter der Schale sitzt. Außerdem werden durch den Genuss von Kartoffeln die Blutfettwerte nicht erhöht.

In Polen errichtete man ein Denkmal zu Ehren der Kartoffel. Matthias Claudius dichtete über sie:

Schön rötlich die Kartoffeln sind / und weiß wie Alabaster, / und sind für Mann und Weib und Kind / ein rechtes Magenpflaster.


 

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zuletzt bearbeitet am 18.XI.2011