22.Sept.2011
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Kulturgut Streuobst: Aachener Hausapfel, Münsterbirne, Seidenhemdchen …
Karl Josef Strank
Obstwiesen gab es früher als grünen Gürtel um jede Ortschaft. Die Wiesen in den Dörfern wurden in doppelter Weise genutzt als Weiden für das Milchvieh und als Standort für die hochstämmigen Obstgehölze, die einen guten Teil der Jahresernte ausmachten. Das frische Obst sorgte nicht nur für Abwechslung auf dem Speiseplan, sondern war und ist außerdem auch noch äußerst gesund. Was Konrad Adenauer aus städtebaulichen Gründen für Köln mit dem Grüngürtel planen und ausführen ließ, hatten früher alle bäuerlichen Ortschaften aus rein praktischem Verständnis der vielfältigen Nutzung für die Bewohner, einen Ring baumreicher Wiesen zur Produktion von Obst und „guter, frischer“ Luft.
Heute zählen die Obstwiesen zu den artenreichsten Lebensräumen unserer vom Ackerbau geprägten Kulturlandschaft. Tragisch ist nur, dass die Flächen seit den sechziger Jahren, als die europäische Gemeinschaft die Landwirtschaft durch „Rodungsprämien“ förderte, um die Mechanisierung der Betriebe voran zu treiben, stark zurückgegangen und in einigen Regionen fast verschwunden sind. Die Kommunen tun ein Übriges, indem sie vorzugsweise in alten Obstwiesen Baugebiete ausweisen. Inzwischen ist ihr Wert erkannt worden und es haben sich viele meist private Initiativen gebildet, die alte Obstbestände pflegen und neue anpflanzen. Seit einigen Jahren gibt es in Deutschland auch wieder einen pomologischen Verein (www.pomologen-verein.de), in dem sich Freunde und Kenner insbesondere auch der alten Sorten zusammengefunden haben.
Römisches Erbe
Nachdem schon die Römer Obstkultur betrieben haben, waren es im Mittelalter vor allem die Klöster, die die Techniken von Anbau, Veredlung und Verarbeitung der Früchte weiter entwickelten und verbreiteten. Bis ins 19. Jahrhundert waren in den Dörfern oft Pastöre die Lehrmeister der Obstkultur. Viele von ihnen züchteten auch neue, an die lokalen Verhältnisse angepasste Sorten. Siedler, die in neue Gebiete, vielleicht sogar in die Neue Welt, auswanderten, führten oft im Gepäck Edelreiser, wenn nicht gar Jungpflanzen bekannter und bewährter Obstgehölze mit sich.
Obstgärten vor allem, wenn sie in Blüte stehen verzücken uns. Die Kirschblüte in Japan ist legendär, aber auch bei uns war es üblich, schöne Hochzeitsfotos in den Obstwiesen mit grünem Gras und unter Bäumen zu machen.
Die ländlichen Gemeinden der Region um Aachen einschließlich niederländisch und belgisch Limburg waren wichtige Zentren der Streuobstwiesenkultur. Sie belieferten die umliegenden Städte mit frischem Obst. Von der Qualität der Obstkultur zeugen die lokalen Sorten wie Münsterbirne, Aachener Hausapfel, Seidenhemdchen, Grauschale und viele mehr. Haben Sie noch alte Sorten in Ihrem Garten und kennen Sie vielleicht noch die Namen, dann sind Sie richtig beim 7. Aachener Obstwiesenfest auf Gut Melaten. Neben alten und neuen Obstsorten aus dem Aachener Land werden Obstwein, Marmeladen, Honig und Vieles mehr zu kaufen sein. Frischer, köstlicher Apfelsaft aus verschiedenen Apfelsorten wird angeboten. Tiere in der Obstwiese, alte Traktoren, Informationen und Führungen und nicht zuletzt Kulinarisches zum Essen und Trinken gibt es. Das Programm für Kinder umfasst Baumklettern, Ponyreiten, eine Rallye im Gelände und einen mobilen Niedrigseilgarten im Arboretum.
Als Eva im Paradies die Frucht vom Baum der Erkenntnis aß, machte sie uns zu Menschen und versetzte uns in die reale Welt mit Freuden, Sorgen und allem, was das wirkliche Leben ausmacht. Seither lernen wir unablässig und immer wieder im sozialen Kontakt miteinander und in, mit und aus der Natur. Es wird erzählt, dass Isaac Newton die Gravitation entdeckte, als er im Obstgarten unter einem Baum saß und ihm ein Apfel auf den Kopf fiel. Auch wenn es sich vielleicht etwas anders zugetragen hat, nehmen wir es als Beleg dafür, was man alles aus der genauen Beobachtung und Anschauung der Natur lernen kann. Daher findet das Obstwiesenfest dieses Mal zusammen mit dem Lernfest des eXploregio.net, dem Netzwerk der außerschulischen Lernorte, statt. Die Partner geben Kindern und Jugendlichen außerhalb des Klassenraumes die Gelegenheit durch Mitmachexperimente selber zu forschen, zu fragen, zu entwickeln und zu begreifen. Passend zum Thema: „Bionik - Was die Technik von Apfelbäumen lernen kann“, die Apfelbatterie und viele andere Experimente.
Wir laden alle Neugierigen am kommenden Sonntag, den 25.09.2011 von 11 bis 18 Uhr, herzlich zum Obstwiesen- und Lernfest nach Gut Melaten ein!
zuletzt bearbeitet am 17.XI.2011