15.Sept.2011

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Kernechter vom Vorgebirge oder Wassenberger. Pfirsich ist nicht gleich Pfirsich.

Joachim Schmitz

Früher gab es bei uns im Handel nur den typischen kugeligen Pfirsich mit der behaarten Haut. Inzwischen werden immer mehr Sorten angeboten, von denen manche von Laien gar nicht als Pfirsich erkannt werden. Nach der Fruchtform werden drei Varietäten unterschieden:

Der typische Pfirsich wird als Prunus persica var. persica bezeichnet. Die Abkürzung var. steht für Varietät, also eine genetisch fixierte Form, die aber für die botanische Zuordnung keine Rolle spielt. In Deutschland erreichte die Kultur der kälteempfindlichen Art im Rheinland die klimatische Grenze. Dabei entwickelten sich spezielle Sorten wie 'Kernechter vom Vorgebirge' oder 'Wassenberger', die kernecht, also durch Samen vermehrt wurden (nicht wie sonst üblich durch Pfropfung).

Der Vorteil der Vermehrung über Samen ist, dass sich die Pflanzen von Generation zu Generation genetisch verändern, und dadurch Sorten gezüchtet werden konnten, die wesentlich winterfester sind als die Stammformen.

Die Früchte sind viel kleiner als bei den geläufigen Marktsorten aber hocharomatisch. Das Fruchtfleisch ist rötlich bis blutrot und nicht so saftig wie bei den typischen Pfirsichen. Leider findet man diese Sorten nur sehr selten auf Wochenmärkten, weil sich kaum ein Bauer, der noch solche Bäume hat, die Mühe macht, diese zu ernten, geschweige denn, aus Samen nachzuziehen.

Hierher gehören auch die so genannten Weinbergspfirsiche. In Weinbergen wurden Pfirsiche früher als Beipflanzung zur Herstellung von Pfirsichlikör und Ähnlichem verwendet und sind hier selten verwildert, zum Beispiel an der Mosel. Dabei handelte es sich ebenfalls um kleinfrüchtige Sorten mit rotem Fleisch und dichter Behaarung. Neuerdings besinnen sich auch viele Winzer wieder auf die Tradition, am Rand der Weinberge Pfirsiche zu halten und als Likör zu vermarkten.

Ungeschützt
Allerdings möchte ich dringend darauf hinweisen, dass „Weinbergspfirsich“ eine rechtlich völlig ungeschützte Bezeichnung ist. Es ist weder eine botanisch klar definierte Sorte noch eine geschützte Herkunftsbezeichnung. Wenn die Pfirsiche kaum größer als eine Aprikose und pelzig behaart sind, halte ich die Bezeichnung für einigermaßen glaubwürdig, aber sonst …

Der stark abgeflachte Platt-Pfirsich (Prunus persica var. platycarpa) war bis vor kurzem bei uns völlig unbekannt, wird aber viel in China angebaut. Die Varietät ist etwas aromatischer als der typische Pfirsich. Vielleicht ist sie deshalb in jüngerer Zeit häufiger im Handel zu finden. Manchmal findet man im Laden auch die Bezeichnung „Wilder Pfirsich“. Das ist allerdings Unsinn. Alle im Handel angebotenen Formen sind Zuchtformen, die teilweise schon Jahrtausende menschlicher Züchtung hinter sich haben. In China sind Funde bis 2700 v. Chr. belegt. Abgesehen davon zeigt auch schon der Vergleich mit der näheren Verwandtschaft (Aprikosen, Pflaumen), dass die kugelige bis eiförmige Frucht des typischen Pfirsichs sicher der ursprünglichere Typ ist.

Die Nektarine (Prunus persica var. nectarina) hat kahle Früchte mit festem Fruchtfleisch. Das macht sie besonders geeignet für die Verarbeitung zu Konservenobst. Witzigerweise ist auf den Dosen immer ein typischer behaarter Pfirsich abgebildet; man will ja die Erwartung des Publikums nicht enttäuschen. Man kann immer wieder Behauptungen lesen und hören, dass die Nektarine irgendwie aus einer Kreuzung mit einer Pflaume entstanden sein soll. Das ist auch Unsinn. Die Nektarine ist einfach ein Pfirsich, der durch eine Mutation seine Haare verloren hat.

Normalerweise isst man das Fleisch eines Pfirsichs und schmeißt den Stein weg. Aber machen Sie sich mal den Spaß, den Stein mit einem Nussknacker zu öffnen (Vorsicht: sehr hart!). Wenn Ihnen das gelungen ist, fällt ihnen der eigentliche Same heraus. Wenn Ihnen der wie eine Mandel vorkommt, liegen Sie ganz richtig. Auch die Mandel ist eng mit dem Pfirsich verwandt. Und wie die Mandel enthält der Samen Blausäure, die einen starken Bittermandelgeruch erzeugt. Das ist sogar mehr als bei der Bittermandel, die bereits als giftig gilt! Das ist allerdings nur theoretisch; praktisch verflüchtigt sich Blausäure so schnell, dass keine reale Vergiftungsgefahr besteht. Eine weitere Parallele zu Mandeln ist, dass die Samen sehr ölreich sind (um 45 Prozent). Chemisch ist das Öl dem Mandelöl sehr ähnlich und wird auch genauso benutzt, zum Beispiel für die Herstellung von Persipan, das als Marzipanersatz für Pralinen und Gebäck verwendet wird.


 

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zuletzt bearbeitet am 18.IX.2011