2.Febr.2012
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Zur Stinkenden Nieswurz nach Vlatten. Ausflugstipp für Karnevalsmuffel.
Joachim Schmitz
Wenn man in Aachen nicht den ‚heiligen Festen‘ des Karnevals wie Fettdonnerstag, Kinder- und Rosenmontagszug beiwohnt, läuft man Gefahr, vom Meldeamt den Pass entzogen zu bekommen. Auch auf diese Gefahr hin möchte ich hier einen Tipp für Naturfreunde verraten, die so wie ich lieber dem Karnevalsrummel entfliehen.
In einem Wäldchen bei Vlatten (gehört zu Heimbach und liegt direkt an der B 265) kommt eine Population der Stinkenden Nieswurz (Helleborus foetidus) vor. Dieses Hahnenfußgewächs ist eng mit der bekannten Christrose verwandt. Es hat auch ähnliche Blätter. Die Wuchsform ist allerdings anders. Die Art überwintert mit einer Rosette dunkelgrüner, derbledriger Blätter, aus deren Mitte dann im sehr zeitigen Frühjahr ein verzweigter Blütenstand entspringt. Die Blüten sind unscheinbar hellgrün, manchmal mit rotbraunem Rand, was die optische Attraktivität aber auch nicht besonders steigert. Erst in jüngster Zeit hat man herausgefunden, was die Blüten für die wenigen Insekten, die schon so früh im Jahr fliegen, interessant macht. Die Blüten besitzen Nektar. Das ist noch nichts Besonderes, aber oft findet sich in den Blüten auch eine Hefe, also eine mikroskopisch kleine Pilzart, die den Zucker im Nektar vergärt. Wir Menschen freuen uns daran, dass dabei Alkohol entsteht; in diesem Fall ist aber etwas anderes entscheidender. Bei den damit verbundenen biochemischen Reaktionen fällt als Abfallprodukt ziemlich viel Wärme ab. Das macht sich vor allen Dingen nachts bemerkbar. Da ist es in den Blüten um 5°C oder noch wärmer als ‚draußen‘ und das macht die Blüten für die Insekten zu einem willkommenen Nachtquartier.
Die Stinkende Nieswurz hat ihren Verbreitungsschwerpunkt im west-mediterranen Raum. Das bedeutet, dass sie keine strengen Winter aber auch keine zu heißen und zu trockenen Sommer mag. Die Vorkommen im Rheinland befinden sich also an der Nordgrenze der Verbreitung. Östlich geht es so gerade noch bis Thüringen; dann ist aber auch da Schluss.
Ökologisch ist sie eine Art der Wärmeliebenden Flaumeichenwälder. Flaumeichen gibt es bei uns gar nicht, aber noch zu diesen Waldtypen dazu gerechnet werden die wilden Buchsbaumwälder und die Wälder des Französischen Ahorns an der unteren Mosel. Nördlich davon kommt die Art am Rande ihres Verbreitungsgebiets noch in wärmeliebenden Typen von Buchen- und Hainbuchen-Eichenwäldern vor. Im Prinzip deckt sich die Verbreitung mit dem des Weinanbaus. Dementsprechend erreichen die natürlichen Vorkommen im Rheintal noch so gerade das Bonner Stadtgebiet. Das Vorkommen in Vlatten liegt davon weit entfernt. Die Stinkende Nieswurz wurde allerdings im Mittelalter oft als Medizinalpflanze kultiviert. Volkstümlich wurde sie unter anderem bei Verstopfung, als Wurmmittel und bei Menstruationsbeschwerden verwendet. Vermutlich geht das Vorkommen in Vlatten auch auf eine solche Kultur im alten Garten der Burg Vlatten zurück, die im angrenzenden Wäldchen verwildert ist, aber das ist reine Spekulation.
Als extremer Frühblüher kann die tatsächliche Blütezeit von Jahr zu Jahr sehr schwanken. Die Erfahrung hat allerdings gezeigt, dass das Karnevalswochenende ein guter Tipp ist. Wenn das dieses Jahr mit dem ‚Nichtwinter‘ so weitergeht, kann die Blüte dieses Jahr durchaus schon im Februar sein.
Der Weg zum Wäldchen
Früher ging mal ein Weg ganz durch das Wäldchen hindurch, der ist allerdings heute unterbrochen beziehungsweise offensichtlich ganz bewusst am Waldrand durch quergelegte Zweige unkenntlich gemacht worden. Der einzige Zugang geht heute von der B 265 aus, liegt nördlich Vlatten und führt von der B 265 über eine kleine Brücke an den Nordrand des Wäldchens (Koordinaten 50°39.549’N, 6°33.039’O). Von hier kommt man über Trampelpfade in die südlicheren Teile des Wäldchens, wo die meisten Exemplare der Stinkenden Nieswurz vorkommen. Auf der nördlich anschließenden Hochfläche des Vlattener Bergs kann man um diese Zeit auch die Hasen rammeln sehen.Mit dem ÖPNV kommt man mit der Buslinie 231 des Rheinlandbusses (früher Bahnbus) von Düren nach Vlatten (Fahrplanauskunft und Linienfahrplan bei www.avv.de). Nach dem gegenwärtigen Fahrplan gibt es leider nur wenige Fahrten. Hin geht es in einem passenden Zeitrahmen nur samstags um 10.15 beziehungsweise sonntags um 10.10 Uhr ab Düren Bahnhof. Zurück sieht es auch nicht besser aus.
Deshalb empfehle ich eine Wanderung ins Rurtal, zum Beispiel nach Heimbach oder Abenden, wo man mit der Rurtalbahn jede Stunde wieder zurückkommt. Wer gerne länger wandert, geht schon von Wollersheim nach Süden über den Vlattener Berg, wo man mit etwas Glück die Hasenrammler beobachten kann, zum besagten Wäldchen und von dort ins Rurtal.zuletzt bearbeitet am 9.II.2012