23.Febr.2012
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Vitamine für die Fastenzeit: der Apfel aus China und seine Verwandten
Astrid von Reis
Im 15. Jahrhundert kam vermutlich auf dem Seeweg durch die Portugiesen eine besondere Frucht nach Europa. Sie wurde im nord- und mitteldeutschen Sprachraum ihrer Form halber ‚Apfel’ und nach ihrem Herkunftsland ‚China’ genannt, wo sie vor etwa 3000 Jahren bereits kultiviert wurde. Seither hat der kälteempfindliche, bis zu zehn Meter hohe Baum mit seinen beliebten Früchten einen wahren Siegeszug hauptsächlich zwischen dem 30. und 40. Breitengrad beidseits des Äquators angetreten.
„Appel ut Sina“
Mit einem Apfel aus der Familie der Rosengewächse hat diese Frucht allerdings nichts zu tun: Es handelt sich um die süße Apfelsine (Citrus x aurantium, L.) und bei ihren Verwandten um die Früchte der Zitruspflanzen (Gattung Citrus), alle aus der Familie der Rautengewächse (Rutaceae). Sie entstand aus einer Kreuzung der Pampelmuse (Citrus maxima) mit der Mandarine (Citrus reticulata), genau wie die Bitterorange (Pomeranze), die allerdings schon im 11. Jahrhundert nach Europa (Italien) gelangte und hier bereits in der feinen Küche, für Liköre, Duftwässer und medizinische Zwecke genutzt wurde.
Den deutschen Namen verdankt die Frucht dem Niederdeutschen „Appel ut Sina“ (im niederländischen ‚Sinaasappel’), woraus sich Apfelsine entwickelte. Anders südlich der Speyerer Linie: hier spricht man fast nur von der Orange. Dieser Begriff, der sich heute zunehmend durchsetzt, geht vermutlich auf das dravidische Wort ‚nãram’ zurück (Dravida: große Sprachfamilie in Zentral- und Südindien, hier: Sprache der Tamilen). Im Sanskrit wurde daraus ‚nãranga’, im Persischen unter anderem ‚nãreng’ wörtlich „von Elefanten bevorzugt“, im arabischen Raum ‚nãrandsch’, im Spanischen ‚naranja’, Altprovenzalisch heißt die Frucht auranja, woraus sich der Name ‚Orange’ gebildet haben soll. Die Bezeichung für die Farbe ‚Orange’ kommt von dieser Frucht.
Der immergrüne Baum trägt an den Zweigen eher stumpfe, bis zu acht Zentimeter lange Dornen und wechselständig sowie spiralig angeordnete dunkelgrüne, le-drige, gestielte und bis zu 13 Zentimeter lange, ovale und leicht zugespitzte Blätter. Die stark duftenden, zwittrigen oder rein männlichen Blüten haben zusammengewachsene Kelchblätter und fünf freistehende, weiße Kronblätter. Die Apfelsine blüht in Europa zwischen Februar bis Juni, die meisten Sorten sind selbstbestäubend. Bei der kugeligen Frucht handelt es sich botanisch betrachtet um eine Beere (Hesperidium) mit in Segmente aufgeteiltem Fruchtfleisch mit Saftschläuchen und Samen sowie einer zweigeteilten Schale: die weiße Innenwand und die orangefarbene Außenwand mit vielen Öldrüsen. Die Reifezeit der Apfelsinen reicht durch die Zucht von frühen und späten Sorten in Europa von etwa Oktober bis August. Da die Früchte am Baum sehr lange halten und somit hier ‚gelagert’ werden können, sind oft Früchte und Blüten gleichzeitig am Baum zu sehen.
Vier Gruppen
Die Orangensorten werden in die Bitterorangen und vier Gruppen von süßen Früchten eingeteilt: Blond- oder Rund-Orangen (hierzu gehören u.a. die Jaffaorangen und Valencia Late), die Navelorangen (gut zu erkennen an dem ‚Nabel’, hervorgerufen durch eine ‚Tochterfrucht’), Blutorangen (rote Fruchtfleischfärbung) und die kleine Gruppe der säurefreien Orangen mit einem süßen, eher faden Geschmack.
Die süß-säuerliche Frucht beinhaltet wie die Zitrone viele Vitamine alleine etwa 50 mg Vitamin C, welches fast dem Tagesbedarf eines Erwachsenen entspricht und viele Mineralstoffe. Die Apfelsine wird in erster Linie als Nahrungsmittel in den Handel gebracht als Obst und zu einem großen Anteil als Saft (meist aus Brasilien). Die Schalen sind nicht nur in der Küche vielseitig verwendbar, sie liefern mit den duft-intensiven Terpen d-Limonen ein biogenes Lösemittel und Rohstoff für die Parfumindustrie. Aus den Blüten wird das edel riechende Neroliöl gewonnen.
Herrliche Orangerien
Darüber hinaus zeugen in unseren Breiten auch herrliche Orangerien in barocken Schloss- und Gartenanlagen aus dem 18. Jahrhundert für die Beliebtheit der Zitrusgewächse und die Sehnsucht nach dem mediterranen Flair. Trefflich ausgedrückt in dem Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe: „Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühn, im dunklen Laub die Gold-Orangen glühn…“
zuletzt bearbeitet am 24.II.2012