23.Aug.2012

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Vom Sonnenkönig bis zum Philosophen: Gärten und ihre Geschichte

Karl Josef Strank

Kürzlich hat der Freundeskreis Botanischer Garten mit Interessierten eine Reise nach Frankreich zu Gärten und Parks in und um Paris bis ins Périgord unternommen. Die Mitreisenden haben dabei einige Gärten und Parks aus verschiedenen Kulturepochen kennengelernt und konnten den jeweiligen gesellschaftlich-kulturellen Hintergrund und die spezielle Atmosphäre dieser Gartenschöpfungen erleben. Die großzügige Gartenanlage des Schlosses von Vaux-le-Vicomte beeindruckt durch die Weitläufigkeit der Parterres ebenso wie durch das Schicksal seines Erbauers. Dieser soll nämlich Ludwig XIV. mit einem prächtigen Fest in seinem Schloss und Garten so sehr gereizt haben, dass der Sonnenkönig ihn für den Rest seines Lebens in Kerkerhaft nehmen ließ, und die Baumeister beauftragte, ihm das noch großzügigere und prächtigere Schloss mitsamt Garten in Versailles zu bauen. Die typischen Elemente barocker Gärten mit verschiedenen Ebenen von Parterres, einfachen und doppelten Alleen, Wasserkanälen, Spiegelweihern, Kaskaden, Fontänen, weit in die Landschaft ausgreifenden Blickachsen, alle planerischen Raffinessen barocker Gartenkunst sind in Vaux-le-Vicomte zu bewundern. Das komplette Gegenteil zu diesen in die starre Form gepressten Gärten bilden Parks im englischen Gartenstil. Ein historisch bedeutendes und herausragendes Beispiel dieser Art besuchte die Reisegruppe im Désert du Retz in der Nähe von Chambourcy. Der Landschaftspark, der natürlich wirkt, aber dennoch zur Gänze künstlich angelegt wurde, ist heute Gegenstand gartenarchitektonischer und historischer Forschung. Von den ursprünglich etwa zwanzig Staffagebauten ist noch eine Handvoll erhalten. Das bemerkenswerteste ist das in Form eines ionischen Säulenfußes und als künstliche Ruine gebaute Haus, in dem der Schöpfer dieses Gartens, François Nicolas Henri Racine de Monville, selbst wohnte und lehrte. Hier manifestiert sich das Ideenprogramm der Aufklärung, als dessen Verfechter de Monville, der von 1734–1797 lebte, gesehen werden muss.

In ganz anderer Art präsentierte sich der Garten des Malers Claude Monet in Giverny. Er glänzt immer noch durch die Fülle der Formen und Farben. Um den berühmten Seerosenteich, einer Pilgerstätte der modernen Kunst, versammeln sich Kunstliebhaber aus der ganzen Welt.

Einen anderen bemerkenswerten Garten gab es mitten auf dem Land, fernab jeder größeren Stadt in der ehemaligen Prieurée Notre Dame d‘Orsan. Privatleute kauften die Ruine des ehemaligen Klosters, restaurierten die noch vorhandenen Gebäude und legten einzelne Gartenräume an. So gibt es einen über die Jahre aufgewachsenen grünen Kreuzgang, der einen Brunnen in der Mitte und ein Wegekreuz zeigt. In den vier Eckbeeten findet man einen kleinen Weingarten mit Rebzeilen. Beerenfrüchte und Obstsorten, die in klassischen und modernen Spalierformen gezogen werden. Der Garten ist modern und zeitgenössisch. Die Besitzer recherchieren aber gründlich in alten Schriften und lassen sich von diesen inspirieren.

Die großen Gärten von Schloss Hautefort und des Manoir d‘Eyrignac bestechen durch Hecken aus Hainbuche, Eibe und Buchsbaum. In unseren hektischen Tagen scheinen Gärten aus der Zeit zu fallen, und doch sind sie mitten im wahren Leben. Für Viele ist die immer gleiche Arbeit im Garten sinnlos, für andere eine tägliche Aufgabe und ein Vergnügen. Auf der mühseligen Suche nach der „besten aller möglichen Welten“ legt übrigens Candide, Voltaires Prototyp eines optimistischen Menschen, zuletzt einen Garten an und findet Ruhe . . 


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zuletzt bearbeitet am 22.IX.2012