30.Aug.2012
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Von wegen Alpen: Blau blüht der Enzian auch im Venn und am Niederrhein
Joachim Schmitz
Beim Stichwort Enzian steigen vor dem geistigen Auge unwillkürlich Bilder des Stängellosen Enzians aus den Alpen auf, mit allen folkloristischen Klischees, die damit verbunden sind. Es gibt aber auch in der Eifel vier Enzianarten (die allerdings botanisch nach neuerer Auffassung auf drei verschiedene Gattungen verteilt werden). Einer davon ist der Lungen-Enzian (Gentiana pneumonanthe). Wie alle anderen Enziangewächse auch, steht der Lungen-Enzian unter Naturschutz.
Eine Variante
Was die Blüten angeht, ist der Lungen-Enzian dem klassischen blauen Enzian tatsächlich ähnlich, nur dass die Blüten nicht einzeln in Bodennähe entspringen sondern zu mehreren in einem ganz normalen, traubigen Blütenstand verteilt sind. Die Pflanze wird auch deutlich größer und kann bis zu einem halben Meter hoch werden. Blütezeit ist der Spätsommer.
Eine Droge
Der Name kommt daher, dass die Pflanze gegen Lungenkrankheiten verwendet wurde. Die Droge aus Wurzel (botanisch eigentlich Rübe) und Blüten wurde Radix et Flores Pneumonanthes genannt. Eine Wirksamkeit ist allerdings nicht belegt. Möglicherweise wurde die Art mit dem ähnlichen Schwalbenwurz-Enzian (G. asclepiadea) verwechselt. In Süddeutschland kommen beide Arten nebeneinander vor.
Aber auch der Schwalbenwurz-Enzian dürfte eher als Ersatz anzusehen sein. Die klassische Radix Gentianae wird aus dem Gelben Enzian (G. lutea) gewonnen. Daraus wird auch der bekannte Kräuterschnaps hergestellt. Ökologisch ist der Lungen-Enzian eine Moorpflanze. Er kommt besonders gern in Verbindung mit Pfeifengras vor.
In Süddeutschland sind Pfeifengraswiesen sehr artenreiche extensiv bewirtschaftete Nasswiesen. Im Rheinland ist das Pfeifengras eher ein Zeiger für gestörte, ehemalige Moorflächen. Die haben ökologisch mit den süddeutschen Pfeifengraswiesen nicht viel zu tun. Trotzdem hält der Lungen-Enzian dem Pfeifengras auch bei uns die Treue. Dementsprechend kommt die Art vor allem im Hohen Venn und einigen niederrheinischen Heidemooren vor. Da es sich im Hochmoor also eigentlich um einen Störungszeiger handelt, muss man im Hohen Venn nicht in die zentralen, überwiegend streng geschützten Moorbereiche hinein, um den Enzian zu finden. Er wächst auch an Wegen und Schneisen um die Vennflächen, zum Beispiel am Imgenbroicher Venn und dem so genannten Kupferweg.
Bei Lammersdorf
Mit etwas Glück findet man den Lungen-Enzian auch in nassen Waldschneisen am Vennfuß, so um Lammersdorf. Dort ist das Venn längst entwässert und aufgeforstet, aber torfiger Boden und Pfeifengras sind nach wie vor vorhanden, und da fühlt sich auch der Lungen-Enzian wohl.
zuletzt bearbeitet am 22.IX.2012