6.Sept.2012

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Als Obst- und Ziergehölz nicht nur im Herbst attraktiv: die Mispel

Ruth Gestrich-Schmitz

Spätsommer, das ist die Zeit, um aus dem großen Angebot Früchte auszuwählen und daraus Marmeladen, Gelees, Kompotte und Liköre selbst herzustellen. Auch wenn dieses Jahr viele Obstbäume keine Früchte tragen, weil es zur Blütezeit im Frühjahr den Bienen und anderen bestäubenden Insekten zu kalt war, gibt es manche Obstbäume, die erst spät geblüht haben und auch in diesem Jahr gut tragen, wie die Mispel mit ihren apfelförmigen, braunen Früchten.

In Karls Klostergarten

Die Mispel (Mespilus germanica) gehört zu den Obstgehölzen, die auf Anweisung Karls des Großen in den Gärten seiner Hofgüter angepflanzt werden sollten, und man findet sie auch im Bepflanzungsplan des Klostergartens von St. Gallen (um 820).

Ursprünglich stammt die Mispel (nicht zu verwechseln mit der Mistel, die als Schmarotzer auf Bäumen wächst) aus Vorderasien. Die Kultur der Mispel begann wahrscheinlich um etwa 1000 v.Chr. in den Regionen um das Kaspische Meer. Mit den Römern kam die Mispel in die Gebiete nördlich der Alpen: Charakteristische Steinkerne wurden erstmals in römischen Ausgrabungen im Rheinland und in der Wetterau entdeckt. Im Mittelalter gehörten Mispelsträucher offenbar zum gängigen Obstgartenbestand, was Nachweise an 20 mittelalterlichen Fundstellen im Rheinland ergaben.

Die Mispel ist ein in der Wildform mit spitzen Dornen bewehrter, zwei bis fünf Meter hoher Baum oder Strauch und gehört wie Äpfel, Birnen, Pflaumen und Kirschen zu den Rosengewächsen. Die kurzgestielten, lanzettlichen Blätter sind unterseits an den Blattnerven filzig behaart. Im Mai /Juni erscheinen an den Enden der Kurztriebe einzelne weiße Blüten mit einem Durchmesser von drei bis vier Zentimetern. Die fünf lineal-lanzettlichen Kelchblätter sind länger als die fünf Blütenkronblätter und bleiben bis zur Fruchtreife erhalten.

Die braunen Früchte, oben typisch abgeflacht mit den wie Zipfel herausstehenden Kronblättern, enthalten bis zu fünf Samen, die von einem fleischigen Fruchtbecher umschlossen sind. Alte volkstümliche Namen wie „Hundsärsch“ (Rheinland) sind Anspielungen auf die seltsame Fruchtform.

Die Mispelfrüchte wurden bereits in der Antike wegen ihres Gerbstoffgehaltes zur Regulierung der Darmtätigkeit eingesetzt. So schreibt Dioskorides (1.Jh.n.Chr.): „Die Mespeln gessen ziehen zusammen, sind dem Magen gut, und stopffen den Stulgang.“ Hildegard von Bingen empfiehlt die pulverisierte Wurzel, in warmem Wein getrunken, als Mittel gegen Fieber und Schwächeanfälle. Auch gegen Blutungen, Nierensteine und Halsleiden wurde die Mispel in der Volksmedizin eingesetzt.

Weil Rinde, Blätter und unreife Früchte einen besonders hohen Gerbstoffgehalt aufweisen, wurden sie in der Gerberei verwendet. Das gelblichbraune, feste und zähe Holz der Mispel wurde von Drechslern geschätzt. Im 14. Jahrhundert schreibt Konrad von Megenberg: „Von des nespelbaums holz macht man gar gout Knütel ze kämpfen und ze vehten“.

Die Mispel hat heute keine medizinische, und in Mitteleuropa als Obst praktisch keine Bedeutung mehr. Im Mittelmeerraum und in Vorderasien jedoch wird sie heute noch kultiviert, und die Früchte sind ein beliebtes Winterobst. Nach dem ersten Frost werden die zuvor harten, bitter-herben Früchte teigig weich und schmecken süßsäuerlich aromatisch. Sie können roh gegessen werden. Meist werden sie aber zu Likör, Schnaps, Kompott oder Marmelade verarbeitet. Mispelbrand mit fruchtig-herbem Aroma gilt bei Liebhabern als echte Spezialität.

Im zweiten Standjahr

Die Mispel eignet sich mit ihren schmückenden Blüten, dem reichen Fruchtbehang und der schönen Herbstfärbung als Obst- wie auch als Ziergehölz. Zu den ertragreichen Sorten gehören die „Holländische Riesenmispel“ mit starkem Wuchs und großen Früchten, die aus England stammende „Königsmispel“ mit mittlerer Wuchsstärke und mittelgroßen Früchten sowie die etwas schwächer wachsende „Ungarische“ oder „Balkan“-Mispel, ebenfalls mit mittelgroßen Früchten. Über Erträge kann man sich bei diesen Sorten bereits ab dem zweiten Standjahr freuen.

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zuletzt bearbeitet am 22.IX.2012