20.Sept.2012

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Staunen über das Netzwerk der Spinnen. Exkursion in Aachen-Walheim.

Ruth Gestrich-Schmitz

Igitt, eine Spinne, denken viele beim Anblick eines dieser achtbeinigen Krabbeltiere. Egal, ob große oder kleine, sie sind meist nicht gern gesehen. Zugegeben, dicke schwarze Winkelspinnen der Gattung Tegenaria, die sich vorwiegend in Gebäuden aufhalten und mehrere Jahre alt werden können, sind auch nicht gerade mein Fall. Allein der Gedanke, sie könne nachts über mein Bett laufen, bewirkt Gänsehaut. Um dem vorzubeugen, steht immer ein Glas samt Bierdeckel bereit, um das Tier – für alle Beteiligten verträglich – aus dem Haus zu schaffen. Andererseits finde ich Spinnen und ihre Kunst, Netze zu bauen, faszinierend. Vor der Haustür fand ich vor drei Wochen eine interessant aussehende Spinne in leuchtend hellgrüner Farbe, die mir bisher noch nicht vor die Füße gelaufen war, nämlich das Weibchen einer Grünen Huschspinne (Micrommata virescens, Abb. rechts).

Jetzt im Spätsommer ist es schwierig den Spinnennetzen der Kreuzspinne (Gattung Araneus) aus dem Weg zu gehen. Es ist erstaunlich, wie und in welcher Geschwindigkeit die Spinne solch ein Kunstwerk aufbaut. Spinnfäden dienen nicht nur zum Bau von Fangnetzen, sondern jungen Spinnen dazu, sich über große Strecken fortzubewegen: An einem Spinnfaden hängend, lassen sie sich mit dem Wind durch die Luft davontragen. Sie können mit diesem „ballooning“ kilometerweit reisen.

Die Form der Spinnennetze, von denen die Menschen früher dachten, dass es Haare von Zwergen und Elfen seien, gibt Hinweise auf die Weberin: Während Kreuzspinnen ein Radnetz mit geschlossener Nabe weben, findet man bei Herbstspinnen (Gattung Meta) in der Mitte des Radnetzes ein Loch, eine offene Nabe. Die Sektorspinne (Gattung Zygiella) spart in ihrem Radnetz einen Sektor aus (vergleichbar mit einer Torte, der ein Stück fehlt). In diesem läuft dann ein Signalfaden vom Netzzentrum zum Schlupfwinkel der Spinne.

Baldachinspinnen (Familie Linyphiidae) bauen meist ein typisches Baldachinnetz: Eine horizontal ausgerichtete Gespinnstdecke mit darüber liegenden Stolperfäden.

Die Zitterspinne (Pholcus phalangioides) mit ihren langen, dünnen Beinen hat wohl jeder in seiner Behausung. Sie baut bevorzugt in Winkeln unter der Decke unregelmäßige, grobmaschige Netzteppiche und kann trotz ihres zart wirkenden Körperbaus große Hauswinkelspinnen erbeuten. Alle Spinnen sind Räuber und fressen ausschließlich lebende Beute. Neben den Spinnen mit Fanggespinnsten gibt es solche, die ihre Beute im Lauf jagen oder die ihrer Beute auflauern und sie aus der Deckung heraus überfallen. Die Zebra-Springspinne (Salticus scenicus), die häufig in Gebäuden vorkommt, pirscht sich an sie heran und springt aus etwa einem Zentimeter Entfernung blitzschnell zu. Die Beute wird durch einen Giftbiss mittels der Cheliceren (Giftklauen) gelähmt, durch ein aus der Mundöffnung abgesondertes Verdauungssekret aufgelöst und dann aufgesogen.

Weberknechte gehören zwar zur Klasse der Spinnentiere (Arachnida), jedoch nicht zu den Webspinnen (Araneae), da sie keine Spinnwarzen besitzen. Zu den nächsten Verwandten der Webspinnen gehören auch die Skorpione, die Milben und Zecken und die Pseudoskorpione.

Spinnen werden von vielen Menschen den Insekten zugeordnet. Das ist falsch! Kennzeichnend für Insekten sind ein dreigliedriger Körperbau, Facettenaugen, Kauladen (Mandibeln) als Mundwerkzeuge, sechs Laufbeine und Flügel. Webspinnen besitzen einen zweigeteilten Körper, sechs bis acht Punktaugen, Cheliceren als Mundwerkzeuge, acht (!) Laufbeine, Spinnwarzen am Hinterleib und keine Flügel. Viele Spinnen stehen mittlerweile auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten. Spinnen sind wertvolle Nützlinge: Sie vertilgen große Mengen an Schadinsekten und auch Quälgeister wie Stechmücken.

Übrigens: Der Freundeskreis Botanischer Garten Aachen bietet am Sonntag, 23. September, eine Spinnenexkursion an. Dr. Bernd Cüpper startet um 14 Uhr am Parkplatz des Freizeitgeländes in Aachen-Walheim zu einer zoologischen Wanderung, die durch das Gelände, an den ehemaligen Kalköfen und am „Silbersee“ vorbeiführt. Vielleicht ist danach der Ekel vor Spinnen kleiner.


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zuletzt bearbeitet am 22.IX.2012