18.Okt.2012

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Ein spektakuläres, goldiges Gelb: Das ist die Farbe der Tulpenbaumblätter

Karl Josef Strank

In diesen Herbsttagen kommen einem mitunter hellbraune, zapfenartige Früchte zu Gesicht, die sich nach oben trichterförmig weiten und rund um eine zentrale, spindelförmige Achse mit vielen länglich geflügelten Nüsschen besetzt sind. Schaut man zu welchem Baum diese Früchte gehören, fallen einem gleich die jetzt im Herbst spektakulär in ein goldiges Gelb verfärbenden Blätter auf, die eine ungewöhnliche Form haben. Sie sind lang gestielt, breit, am Rand gekerbt und machen den Eindruck, als hätte jemand die Blattspitze nach innen zum Mittelnerv hin weggestutzt. Sie werden in der Literatur beschrieben als 8 bis 15 cm lange, breite Blätter mit sattelförmigem Mittellappen und zwei großen Seitenlappen. Der ganze Baum macht einen exotischen Eindruck und man hat gleich das Gefühl, dass er nicht zu den heimischen Gewächsen gehört.

Dem ist so, denn es handelt sich um den Tulpenbaum, Liriodendron tulipifera, der aus dem östlichen Nordamerika stammt und inzwischen bei uns als Park- und Straßenbaum häufig gepflanzt wird.

Das natürliche Areal des Tulpenbaums reicht von Vermont und den großen Seen bis in den Norden Floridas, der Verbreitungsschwerpunkt zieht sich entlang des Hauptkamms der Appalachen. Er erreicht dort maximale Höhen von 60 Metern bei einem Stammdurchmesser in Brusthöhe von 1,5 Meter und zählt zu den höchsten und schönsten Laubbäumen der östlichen Wälder in Amerika. Er kann dort ein Höchstalter von 300 Jahren erreichen.

Nicht minder ungewöhnlich sind die Blüten, denn, wenn man es einmal gesehen hat, kann man sich des Eindrucks kaum erwehren, es ist, als würden Tulpen auf einem Baum wachsen. Die großen Blüten stehen einzeln an den Enden belaubter Zweige. Die radiär symmetrischen Zwitterblüten bestehen aus drei zurückgebogenen grünen lanzettlichen Kelchblättern, die früh abfallen. Dann folgen zwei mal drei gelblich grüne Kronblätter, die an der Basis orangefarben gefleckt sind. Unterhalb der Fruchtknoten, an der Basis der Spindel sitzen dann zahlreiche Staublätter mit langen Antheren. Die zahlreichen übereinander frei stehenden Fruchtblätter komplettieren den Aufbau der Blüte, die ähnlich wie bei den Magnolien organisiert ist, weshalb der Tulpenbaum auch in diese Familie gestellt wird. Im Alter von 15-20 Jahren beginnt er zu blühen und hört erst im hohen Alter von 200 Jahren und mehr damit auf.

Astrein

Als weiteres Merkmal erwähnenswert, weil charakteristisch, sind seine dunkelroten Winterknospen. Der Tulpenbaum bildet einen einheitlichen geraden, vollholzigen und weitgehend astreinen Stamm, die Krone ist relativ klein und schmal und erst im Alter wird sie breiter. Er ist raschwüchsig, als forstlich genutzte Holzart ungewöhnlich ertragreich und liefert ein hochwertiges Stammholz. Dieses ist relativ leicht und arbeitet wenig, es wird daher häufig im Bauhandwerk und zur Möbelherstellung genutzt. Das zerstreut porige und feinfaserige Holz enthält viel Luft. Wenn es um Isolierung gegenüber Schall, Hitze und Kälte geht, findet es dementsprechend häufig Verwendung. Um die vorletzte Jahrhundertwende (1896-1910) war der Export von Tulpenbaum-Rundholz nach Europa besonders hoch. Heute sind die Vorräte weitgehend erschöpft. In Deutschland ist wegen der Holzqualität der forstliche Anbau auf besseren Böden, u.a. in Auwäldern, erfolgreich getestet worden.

Die ersten europäischen Siedler haben große Tulpenbaum-Bestände gezielt eingeschlagen, weil der Baum ihnen als zuverlässiger Indikator für nährstoffreiche, landwirtschaftlich nutzbare Böden bekannt war. Besonders starke Stämme wurden früher ausgehöhlt und fanden als lange, aber leichte Kanus bei Ureinwohnern wie Siedlern gleichermaßen Verwendung. Wegen des Alkaloids Glaucin im Holz, Digitalis-ähnlichen Verbindungen in der Rinde und saponinartigen und cyanogenen Stoffen in den Blättern ist der Tulpenbaum in allen Teilen für den Menschen giftig. Da wir ihn aber nur als Zierpflanze oder sein Holz nutzen, ist das für uns nicht weiter tragisch. Ohne Schaden zu nehmen, fressen Weidevieh und Schalenwild die zarten Blätter und Zweige gerne, weswegen es in den Wäldern häufig zu Verbissschäden am Jungwuchs kommt. Kaninchen nagen gerne die Rinde und fressen die Knospen der Sämlinge. Auch für viele andere Säugetiere und Vögel, zum Beispiel Eichhörnchen, Mäuse, Wachteln und Finken, sind die Samen des Tulpenbaums ein wichtiges Futter.

Bemerkenswert ist schließlich noch, dass die Art als Honigpflanze Bedeutung hat. Bäume unter 20 Jahren liefern etwa 3,6 Kilogramm Nektar pro Jahr, was 1,8 Kilogramm Honig entspricht.


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zuletzt bearbeitet am 30.XI.2012