1.Nov.2012
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Typisch goldenerHerbst: die Europäische Lärche, Baum des Jahres 2012
Ruth Gestrich-Schmitz
Zu einem goldenen Herbst gehört die Europäische Lärche (Larix decidua) aus der Familie der Kieferngewächse (Pinaceae) unbedingt dazu. Der in Deutschland zum Baum des Jahres 2012 gewählte Nadelbaum ist der einzige hierzulande, der vor dem Winter seine herbstlich goldgelb gefärbten Nadeln abwirft. Warum er dies tut, haben die Wissenschaftler noch nicht endgültig klären können. Der Abwurf der Blätter schützt die Lärche jedenfalls vor Verdunstungs- und Frostschäden, was ihr besonders in ihrem natürlichen Hauptverbreitungsgebiet, den Alpen, bis zu einer Höhe von 2400 Metern zu Gute kommt: Sie kann Fröste bis minus 40 Grad Celsius überstehen. Die Lärche besiedelt als sogenannter Pionierbaum Flächen, die durch Erdrutsche oder Lawinen entstehen. Mit ihren tiefgehenden, stark verzweigten Herzwurzeln ist sie sehr sturmfest. Wegen ihres hohen Lichtbedarfs meidet sie schattige Standorte und enge Nachbarschaft zu anderen Bäumen. Bei optimalen Standortbedingungen kann sie eine Höhe von 50 Metern und ein Alter von 600 700 Jahren erreichen. Im Schweizer Kanton Wallis gibt es Lärchen, die sogar 1250 Jahre alt sind und wohl schon miterlebt haben, wie Karl der Große 773 die Alpen überquert hat.
Die Europäische Lärche hat eine kegelförmige Krone, die Äste sind an den Enden oft aufwärts gebogen. Sie bildet Langtriebe mit einzeln stehenden, weichen, zunächst hellgrünen Nadeln und Kurztriebe, an denen die Nadeln zu 20 bis 40 in Büscheln stehen. Etwa gleichzeitig mit dem Austreiben der Nadeln von März bis Mai beginnt die Blüte. Lärchen sind einhäusig, das heißt männliche und weibliche Blüten werden auf derselben Pflanze gebildet. Die eiförmig-kugeligen, abwärts gerichteten männlichen Blüten sind rötlich-gelb, die weiblichen Blütenzäpfchen stehen aufrecht und sind purpurrot gefärbt. Nach der Bestäubung durch den Wind reifen in den Zapfen im Oktober bis zu 60 kleine, dreieckig-eiförmige, geflügelte Samen, die meist erst im nächsten Frühjahr „ausfliegen“.
In Deutschland wird die Europäische Lärche mit ihrer tiefrissigen, mächtigen, innen braun-roten, außen grauen Borke seit dem 16. Jahrhundert angepflanzt, etwa 2,8 Prozent der Waldfläche entfallen heute auf sie. Die grobe Borke bietet vielen Insektenarten Lebensraum und Vögeln wie Meisen und Baumläufern reichhaltige Nahrung. Lärchenholz mit seinem hohen Harzgehalt ist sehr wetterfest und wird daher als Bauholz für Dachschindeln, Wandbekleidungen, Terrassen oder Fensterrahmen geschätzt. Die rötliche Farbe des Kernholzes macht es auch für die Herstellung von Möbeln begehrt. Da die Europäische Lärche anfällig gegenüber dem Lärchenkrebs (Lachnellula willkommii) ist, wird in Deutschland als Forstbaum auch die Japanische Lärche (Larix kaempferi) sowie die Hybridlärche aus beiden Arten (Larix x eurolepsis) wegen ihrer Resistenz gegen diese Pilzkrankheit angepflanzt.
Neben der forstwirtschaftlichen Nutzung hat in Kärnten, Südtirol und im Südwesten der Schweiz die Harzgewinnung eine lange Tradition. Durch Anbohren des Stammes wird Lärchen-Terpentin (Inhaltsstoffe: vor allem ätherische Öle und Harzsäuren) gewonnen, das unter der Bezeichnung Venezianisches Terpentin (Terebinthina veneta) geführt wird. Bis zum späten 19. Jahrhundert war Venedig wichtigster Handelsplatz für diesen Baumbalsam. Durch Wasserdampfdestillation erhält man aus dem Lärchen-Terpentin hochwertiges Terpentinöl, das bei der Herstellung von Lacken und Klebstoffen eingesetzt wird, sowie Kolofonium, bekannt als Geigenbogenharz. In der Medizin wird hochgereinigtes Terpentinöl, auf Grund seiner desinfizierenden und durchblutungsfördernden Eigenschaften, Salben zugesetzt, die bei Hauterkrankungen wie Ekzemen, Furunkeln, Schuppenflechte, bei Erkrankungen der Atemwege oder bei rheumatischen Beschwerden Anwendung finden.
Nicht nur im Herbst, sondern auch im Winter fällt die Lärche durch ihr ungewöhnliches Aussehen auf: Nach dem Nadelabwurf treten die vielen kleinen Zapfen in den Vordergrund, die nicht wie bei den anderen Nadelbäumen auf die Erde fallen, sondern an den Zweigen verbleiben und die Baumkrone schmücken. Nach den Herbststürmen heruntergefallene Zweige mit Zapfen eignen sich für herbstliche Gestecke oder weihnachtlichen Schmuck.
zuletzt bearbeitet am 30.XI.2012