27.Dez.2012

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Sonnenwende – und natürlich spielen Pflanzen in den Raunächten eine Rolle

Karl Josef Strank

Die Nacht vom 21. auf den 22. Dezember ist die längste Nacht des Jahres. In dieser Nacht der Wintersonnenwende wendet die Sonne ihren Himmelslauf. Die Nächte werden täglich bis zur Sommersonnenwende ein bisschen kürzer und die Tage ein bisschen länger. Nach altem Keltenglauben gebiert in dieser Nacht, in der stillsten aller Stunden, die Göttin tief in der Erde das wiedergeborene Sonnenkind.

Früher dauerte das Wintersonnenwendfest zwölf Nächte. Diese Raunächte waren die Zeit geheimnisvoller Umtriebe. Sie begannen je nach Auslegung zur Wintersonnenwende oder in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember und endeten in jedem Fall am Abend vor dem 6. Januar, dem Erscheinungsfest, dem Fest der Heiligen Drei Könige. In der nordischen Mythologie ist es die Zeit des Jul- oder Jolfestes mit ineinander verwobenen Sonnen-, Toten- und Fruchtbarkeitsriten und symbolischen Handlungen zur neuen Aktivierung menschlicher und natürlicher Kraft. Ein alter Name Odins/Wotans ist Jolnir und in den Raunächten ging es wirklich rau zu, denn Odin ritt und stürmte mit seinem wilden Heer „Jolareidi“ durch diese Nächte und riss alles mit, was sich nach draußen wagte. Jolareidi klingt nach Alpenjodler und in der Tat haben sich in den Alpenländern mit den Perchten und den Perchtenläufen viele dieser urtümlichen Riten erhalten.

Die Römer erklärten die Wintersonnenwende zum Staatsfeiertag, zum Geburtstag des „Sol invictus“, der unbesiegbaren Sonne. Papst Hippolytos setzte im Jahr 217 n.Chr. den 25. Dezember als Tag der Geburt Christi fest und als unter Kaiser Konstantin 330 n.Chr. das Christentum zur römischen Staatsreligion aufstieg, wurde der alte Sonnengott zum neuen Christengott, der als „lux mundi“ – das Licht der Welt – gefeiert wird. Natürlich spielen Pflanzen in diesen Rau- und Weihenächten eine Rolle. Zum Ende der zwölf Tage feierte man in England „wassailing“, ein Zechgelage, was übersetzt „heil sein“ hieß. Dorfbewohner umtanzten die Obstbäume und begossen sie mit Bier. Man trank auf die Gesundheit des Viehs, insbesondere der Stiere und buk einen Kuchen, in dem eine Bohne versteckt war. Wer das Stück mit der Bohne bekam, wurde zum Bohnenkönig gekürt und herrschte mit närrischer Vollmacht. Es wurden dumme, dreiste, schließlich obszöne Bohnenlieder gesungen und das Bohnenfest endete orgiastisch. Die Pferdebohne galt in der alten Ackerbaukultur neben Erbse, Hanfsaat und Hirse als bevorzugte Totenspeise. Man glaubte, dass die Toten der Erde und den Lebenden die Fruchtbarkeit gäben, denn die dicken Bohnen in den Hülsen sehen aus wie Embryos, die die Ahnen darstellen und demnächst in Körpern wieder geboren würden.

In den geweihten Nächten zündeten die Menschen Lichter an, verschwelten einen Eichen- oder Birkenklotz, den Julblock, und hängten den Wintermaien, Ursprung unseres Weihnachtsbaums, auf. Die britischen Kelten schmückten das Haus vor allem mit Stechpalme, Mistel und Efeu, die Festland-Kelten bevorzugten Tannen- und Fichtengrün. Die heilkräftige Asche des Julfeuers verteilte man auf die Felder, um deren Fruchtbarkeit zu sichern.

Mit Segensformeln

Die Raunächte werden auch Rauchnächte genannt, weil es in dieser Zeit üblich war und in einigen Gegenden Süddeutschlands und der Alpenländer auch heute noch ist, Haus und Stall unter dem Sprechen von Segensformeln mit Heil bringenden Kräutern zu räuchern. Die verwendeten Pflanzen beziehungsweise Pflanzenprodukte sind Beifuß, Wacholder, Mariengras und Tannenharz. Der Beifuß ist als Frauenkraut der Göttin Artemis geweiht und die Kelten benutzten es nur als Räucherpflanze um in die Anderwelt zu reisen, dort Disharmonien zu erkennen und die Geisterwelt zu besänftigen, damit Kranke wieder in Einklang mit ihrer Umwelt kamen. Der Wacholder galt seit alters her als Baum des Lebens, dem man mit Achtung und Ehrfurcht begegnete, wovon Sprüche zeugen wie: „Vor Hollerstaud‘n (Holunder) / und Kranawitt‘n (Wacholder) / Ruck i mei Huat / und neig mi bis halbe Mitt‘n“. Im Mittelalter versuchten die Menschen mit Wacholderfeuer, dessen Rauch man reinigende und heilende Kraft zusprach, sogar die Pest zu bekämpfen. Mariengras duftet aromatisch nach Waldmeister und wurde in einigen Teilen Preußens an Festtagen vor die Kirchentüren gestreut. Die Verwendung von Tannenharz bei diesen Räucherritualen erklärt sich fast von selbst.


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zuletzt bearbeitet am 26.I.2013