24.Jan.2013

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Warum Paprika kein Gemüse ist und Früchte unreif auf den Markt kommen

Joachim Schmitz

Oft höre ich von Bekannten Klagen, dass sie sich teure exotische Früchte gekauft haben, die aber dann im Geschmack enttäuscht haben. Das liegt daran, dass solche Früchte bei uns fast immer unreif auf den Markt kommen, weil sie so leichter zu transportieren sind. Will man sie zu Hause ausreifen lassen, darf man sie keinesfalls in den Kühlschrank legen. Aus ihrer Heimat sind sie Temperaturen von 18°-25° gewohnt und das brauchen sie auch zum Ausreifen. Allerdings sollte der Raum gut gelüftet sein und die Luftfeuchtigkeit nicht zu gering sein. Zum Beispiel ist ein Platz auf einer Fensterbank direkt über einer kräftig laufenden Heizung keine so gute Idee. Wenn die Früchte dann auf dem Punkt sind, müssen sie aber auch möglichst schnell verzehrt werden. Man sollte sich nicht von ein paar braunen Stellen vorzeitig jeck machen lassen. Die paar Stellen herauszuschneiden ist allemal besser, als eine unreife Frucht zu essen. Mehr als einmal habe ich schon Mitarbeitern im Supermarkt vermeintlich nicht mehr verkehrsfähige Stücke geradezu entreißen müssen, nur weil die irgendwo einen Fleck hatten, aber viel reifer als die neuere Ware waren.

Das funktioniert übrigens auch bei manchen vertrauten Früchten. Lässt man so grüne Paprika weiterreifen, wird sie nicht selten – wie die Wildform – rot und schmeckt auch ganz anders. Auch Gurken, vor allem die noch naturnäheren Landgurken und Einlegegurken, werden dann allmählich gelb, was die ursprüngliche Farbe einer reifen Gurke war. Allerdings stammen diese Arten auch nicht aus unseren Breiten. Der Urahn der Paprika kommt aus Südamerika und der der Gurke aus Indien. Für Normalverbraucher laufen Paprika und Gurken unter Gemüse oder Salatpflanzen. Die Botanik schert sich aber nicht darum, wie man die Sachen in der Küche verwendet, sondern nur darum, um welche Organe der Pflanze es sich handelt, und das sind eben Früchte, witzigerweise sind im engeren Sinne beides sogar Beerenfrüchte.

Ihnen ist schon oft aufgefallen, dass Früchte in einer Obstschale viel schneller reifen, wenn ein Apfel dabei liegt. Das passiert unter anderem auch mit einer Birne oder einer Zitrone. Diese Früchte strömen das Gas Ethen aus. Ältere, in der Chemie nicht mehr gültige aber oft noch zu lesende Namen sind Äthen, Ethylen oder Äthylen. Dieses Gas löst bei vielen Pflanzen die Reife der Früchte aus. Dies nutzt man auch im kommerziellen Obsthandel aus. Bananen, zum Beispiel, werden grundsätzlich unreif geerntet und in Kühlschiffen nach Europa gebracht. Hier sorgt erstmal die kühle Temperatur für eine Unterbindung des Reifeprozesses. So bleiben sie dann auch gelagert, bis ein Supermarkt oder Discounter eine Charge bestellt. Dann wird die Temperatur im Lagerhaus hochgefahren und Ethen in die Luft geblasen. So können die Bananen zur geplanten Zeit im gewünschten Reifegrad ausgeliefert werden. Eine andere Methode, den natürlichen Reifeprozess zu unterdrücken, ist die Lagerung in reiner Stickstoff-Atmosphäre.

Der biochemische Wirkmechanismus ist noch nicht genau bekannt. Man weiß, dass Ethen ein Pflanzenhormon ist, das die Bildung mehrerer für die Fruchtreifung wichtiger Enzyme auslöst, die zum Beispiel den Abbau des grünen Chlorophylls und die Bildung der typischen Obstfarbe bewirken. Ethengas scheint überhaupt ein sehr universelles Pflanzenhormon zu sein. So geben Pflanzen das auch bei Schädlingsbefall oder Verbiss ab. In Südafrika hat man herausgefunden, dass von Kudus, einer Antilopenart, angefressene Akazien nicht nur selbst verstärkt den Gerbstoff Tannin in ihre Blätter einbauen, was sie für Wiederkäuer ungenießbar macht, sondern über die Ausscheidung von Ethen auch ihre Nachbarbäume „informieren“, die dann ihrerseits die Produktion von Tannin ankurbeln, ohne selbst gebissen worden zu sein. Da die Kudus die eigentlich zu ihrem Schutz eingezäunten Wildreservate nicht verlassen konnten, sind zahlreiche Tiere daran gestorben, weil es in ihrem Revier nur noch „alarmierte“ Akazien gab, die ihre Blätter auf diesem Weg unverdaulich gemacht haben.


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zuletzt bearbeitet am 26.I.2013