4.Juli 2013

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Stolzes „Schwert“ bietet Schutz vor Zauberei: die Gladiole

Karl Josef Strank

Die Gladiole ist vielen ein Begriff, denn sie wird in unzähligen Hybridsorten als Bauerngartenpflanze und Schnittblume für Haus- und Grabschmuck verwendet. Da die Pflanzen aus dem Süden stammen, sollten Knollen in unserem nassen Klima ausgegraben und über den Winter trocken gelagert werden. Eine Vermehrung findet im Frühjahr statt über Samen oder die Brutknollen. Gladiolen sind Stauden mit knolligen Wurzelstöcken, schwertförmigen Blättern in fächerartigen Büscheln und Blüten, die in Ähren stehen. Durch das Erscheinungsbild wird die Verwandtschaft zu den Irisgewächsen offenkundig. Sie variieren in Größe und Farbe der Blüten von rosarot bis in alle Farben des Regenbogens. Zur Gattung gehören etwa 150 Arten. Ihre Heimat ist das Mittelmeergebiet, West-Frankreich, Georgien, der Nord-Iran, das Pamir- und Altai-Gebirge. Im Wuchs variieren sie von sehr kleinen bis zu den spektakulär großen, farbenprächtigen Hybridsorten. Diese prächtigen Gartengladiolen sind aus Kreuzungen mit südafrikanischen Arten hervorgegangen, manche von ihnen duften auch.

Als Typ der wilden Gladiole kultivieren wir im Karlsgarten an Gut Melaten in Aachen Gladiolus italicus (syn. segetum), die man im Mittelmeerraum bis Zentralasien und auf den Kanaren an Wegrändern, Feldrainen, Böschungen, in der Garrigue und vor allem auch in Getreidefeldern findet. Das lateinische Wort „gladiolus“ bedeutet „Schwertchen“, was von der Form der Blätter herrührt. Diese Bezeichnung geht auf Plinius zurück und ist die Übersetzung des Namens „Xyphion“ von griechisch xíphos = Schwert, den Dioskorides verwendete. In Deutschland und anderen Ländern nennt man die Gladiole auch rote Schwertblume, Schwertel, Säbel- oder Messerblume. Andere Namen sind auch Allermannsharnisch und Siegwurz. Der Wurzelstock ist von einer netzartigen, faserigen Hülle umgeben, die mit einem Panzerhemd verglichen wurde. Gemäß der Signaturenlehre, die durch mehr oder weniger eindeutige Zeichen die nützliche Verwendung von Pflanzen anzeigt, trugen deshalb Kriegsleute, wie Anton von Perger aus den Pflanzensagen berichtet, die Wurzel als Talisman um den Hals, um unverwundbar und unbesiegbar zu sein. Man glaubte, die Siegwurz mache hieb- und stichfest. Sie half aber auch bei Krämpfen und Zahnweh. Die Bergleute schützte sie vor dem bösen Wetter. Sie wurde gegen Behexungen in Sennhütten aufgehängt, gegen den Alp auf das Bett gelegt, als Schutz gegen andere Zaubereien in ein Tuch eingenäht und um den Leib gebunden. Etwas Siegwurz im Trank für Pferde und Kühe hielt böse Einflüsse von den Tieren fern. Ein Stück Wurzel wurde unter der Schwelle vergraben. Der Wurzelstock der Siegwurz wurde wie die Wurzel der Zaunrübe so bearbeitet und in Form geschnitzt, dass sie der echten Alraune (Mandragora officinalis) ganz ähnlich sah. Sie wurde genau wie diese auf den Jahrmärkten feilgeboten. Dioskorides unterschied bei der Wurzel schon einen unteren und einen oberen Teil und nennt folgende Anwendungen: „Die öberste Wurtzeln / mit Weihrauch und Wein zum Pflaster gemacht und ubergelegt / ziehen die Spitzen und Dornen auß dem Leib. Mit Dortenmeel und Honigwasser / wie ein Pflaster ubergelegt / vertreibt sie die Geschwer und Geschwulst. Man sagt / das die öberste Wurtzeln mit Wein getruncken / ein Begird und Lust zur Unkeuschheit errege. Die undere aber eingenommen unfruchtbar mache.“ Offenbar ein Potenz- und Verhütungsmittel zugleich.

Gladiolus italicus hat aber heute keine Bedeutung mehr – außer als Zierpflanze.

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zuletzt bearbeitet am 22.VII.2013