29.Aug.2013

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Anerkanntes Heilmittel: Der Augentrost macht seinem Namen alle Ehre

Joachim Schmitz

Auf Heiden, Magerrasen und anderen extensiv genutzten Standorten erscheinen jetzt auf den ersten Blick unscheinbare kleine, weiß blühende Pflanzen. Schaut man sich die Blüten genauer an, erkennt man im Zentrum einen gelben Schlundfleck und auf der großen, nach unten weisenden Lippe violette Linien. Für einen heutigen Biologen sind das ganz klar Saftmale, die den Bienen zeigen, wo es zum Nektar geht. Im Mittelalter hat man darin ein Auge wiedererkannt, und die violetten Linien hat man den Lidhaaren gleichgesetzt. Nach der damals gültigen Signaturlehre folgerte man, dass die Pflanze bei Augenleiden helfen müsste, insbesondere bei Bindehautentzündungen, Entzündungen des Lids usw. Da die Signaturlehre natürlich kein wissenschaftlicher Ansatz ist, hat sie oft genug „in den Pudding gehauen“, hier hat es aber tatsächlich gepasst. In der Naturheilkunde und der Homöopathie ist Augentrost bis heute ein geläufiges Heilmittel und das erklärt dann auch den Namen Augentrost.

Botanisch gehört der Augentrost zur Unterfamilie Rhinanthoideae, die früher zu den Rachenblütern gerechnet wurde, heute aber zu den Sommerwurzgewächsen (Orobanchaceae) gestellt wird. Typisch für die Unterfamilie ist, dass die Arten mindestens Halbschmarotzer sind. Das trifft auch auf den Augentrost zu. Halbschmarotzer heißt, dass die Arten oberirdisch wie ganz normale grüne Pflanzen aussehen, unterirdisch aber die Wurzeln anderer Pflanzen über spezielle Saugorgane anzapfen. Meistens sind das Gräser, die dadurch in ihrem Wuchs geschwächt werden und damit auch den Ertrag einer Weide mindern. Daher kommt der volkstümliche Name Milchdieb, der auch auf weitere Arten der Unterfamilie mit gleicher Ökologie angewandt wurde.

Die Augentrost-Arten können nach Jahreszeit und Biotop sehr stark variieren, weshalb die Artabgrenzungen lange unklar waren und selbst Spezialisten sich gegenseitig widersprechen. Nach dem derzeitigen Stand kann man im westlichen Rheinland 4 Arten unterscheiden:

Der Gebräuchliche Augentrost (Euphrasia officinalis ssp. rostkoviana) hat die größten Blüten und ist im Gegensatz zu den folgenden Arten in allen Pflanzenteilen drüsig behaart (so dass sie sich beim Anfassen klebrig anfühlen). Die Art ist in der Eifel zwar verbreitet, anscheinend aber doch relativ selten geworden. Dem Namen nach ist das die einzige medizinisch wirksame Art; der Volksmund hat sich aber nie um subtile botanische Unterschiede gekümmert, so dass man davon ausgehen kann, dass alle hiesigen Augentrost-Arten als Naturheilmittel verwendet worden sind.

Die häufigste Art ist der Steife Augentrost (E. stricta). Die Blüten sind noch relativ groß (bis 10mm) und die Blattzähne sind in spitze Grannen ausgezogen. Kümmerexemplare können mit der folgenden Art verwechselt werden:

Höchstens 7,5mm lang sind die Blüten des Hain-Augentrosts (E. nemorosa). Dazu sind die Blüten oft bläulich überlaufen. Die Art bevorzugt höhere Lagen auf kalkfreiem Boden. und ist z.B. oberhalb von Monschau und Hellenthal häufig.

Erst vor etwa 20 Jahren wurde in den Narzissenwiesen oberhalb Monschau der Skandinavische Augentrost (E. frigida) entdeckt. Die zierliche Art ist am geschlängelten Wuchs und der sehr frühen Blütezeit ab Anfang Juni erkennbar. Alla anderen Arten blühen frühestens ab Ende Juni.

Der Name Augentrost bezieht sich auf die entsprechende Verwendung in der Naturheilkunde. Aber wenn man die kleinen, bunten Blüten in der Natur entdeckt, ist das auch im übertragenen Sinne ein wahrer Augentrost.

 

Steifer Augentrost

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zuletzt bearbeitet am 26.VIII.2013