5.Sept.2013

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Der Enzian blüht nicht nur blau. Und: Er wächst auch in Aachen.

Karl Josef Strank

In einem Schlager von Heino heißt es: „Blau. Blau, blau blüht der Enzian, wenn beim Alpenglühn, wir uns wiedersehn, …“ womit die gängigsten Vorstellungen über Enzian treffend benannt sind. Es herrscht die Meinung, dass es sich bei Enzian um eine blaublühende Alpenpflanze handelt, deren Einzigartigkeit am besten beim „Alpenglühen“ im wörtlichen – oder denkt man an seine Verwendung zur Bereitung gleichnamiger Alkoholika – im übertragenen Sinne zu genießen ist.

Große Vielfalt

Weit gefehlt, denn die Vielfalt der Enziane geht über dieses Klischee hinaus. Der stattlichste aller Enziane, der Gelbe, Gentiana lutea, ist zwar eine typische Gebirgspflanze, er kommt aber auch auf den höchsten Bergen des Schwarzwaldes und der Vogesen vor. Er wächst sehr langsam, blüht mitunter erst nach zehn Jahren, kann dafür aber bis zu 60 Jahre alt werden. Als Weideunkraut unwillkommen, wurde er wegen seiner kräftigen dicken Wurzeln zur Herstellung des besagten Enzianschnapses so stark besammelt, dass er wegen seiner Seltenheit unter strengen Artenschutz gestellt werden musste. Heute erholen sich seine Bestände wieder.

Als Heilpflanze war der Enzian seit der Antike bekannt und geschätzt. Seinen Namen verdankt er dem heilkundigen König Illyriens, Gentis, der die Pflanze als Heilmittel gegen die Pest einsetzte. Die Römer verwendeten Enzian gegen Verdauungsbeschwerden, gegen allgemeine Schwäche und Blutarmut. Der bekannte Kräuterpfarrer Kneipp schätzte ihn so sehr, dass er empfahl, den Enzian im Garten anzubauen, wo er übrigens sehr gut gedeiht, wenn man ihm Zeit lässt, um die Heilpflanze immer zur Verfügung zu haben. Als Wurzellieferanten für den Enzianschnaps kommen vor allem die alpinen Arten des Punktierten (punctata), des Purpurnen (purpurea), des Ostalpen (pannonica) und des Gelben Enzians (lutea) in Frage. Noch heute haben in einigen Alpengegenden wenige Brennereien alte, traditionelle Sammelrechte in den Almregionen und üben diese auch aus, selbst im Nationalpark Berchtesgaden. Die Wurzeln enthalten vor allem Bitterstoffe und Gerbsäure, daneben auch einige Zucker. Gerade erstere machen den Enzian zu einem probaten Magenmittel, das auch die Verdauung anregt. Die Bitterstoffe führen zur Bildung von Speichel und Magensäften, sie fördern den Appetit und mildern das Sodbrennen. Menschen mit Darmgeschwüren, Bluthochdruck und Schwangere sollten Enzianzubereitungen meiden.

Neben den hochgewachsenen Enzianen gibt es noch viele kleine, meist blaue Enziane, die vor allem in den Alpen vorkommen, u.a. der Stengellose Enzian(acaulis) mit großen trichterförmigen Blüten und der Frühlings-Enzian (verna), auch „Schusternagerl“ genannt. Letztere sollte man nach altem Aberglauben nie mit ins Haus tragen, denn das würde einen Blitzeinschlag zur Folge haben.

Dann gibt es noch die Gruppe ein- bis zweijähriger, niedrig wachsender blauvioletter, hell lilafarbener Enziane, die – in Österreich Kranzenenziane genannt – heute in die Gattung Gentianella gestellt werden. Die Kelchblätter sind ein Viertel bis zur Hälfte zusammengewachsen und bilden eine Röhre. Die Kronblätter haben sternförmig ausgebreitete Zipfel, an denen innen Schlundschuppen mit bärtigen Zipfeln sitzen. Die Blüten sehen aus, als würde aus ihnen ein Pinsel herausgucken. Sie sehen sich alle sehr ähnlich und wachsen wie kleine Büschel mehr oder weniger vieler Blüten.

In diese Gruppe gehört auch der Deutsche Enzian, Gentianella germanica. Er kommt sogar in Aachen vor und zwar am Wilkensberg bei Seffent. Er ist zweijährig, keimt im ersten Jahr und bildet eine Rosette, im zweiten Jahr treibt diese durch und blüht, danach stirbt die ganze Pflanze ab. Die Blütezeit ist von Mai bis September. Der Deutsche Enzian ist die namensgebende Charakterart des Enzian-Schillergras-Magerrasens, Gentiano-Koelerietums, einer Pflanzenvergesellschaftung im Verband der Magerrasen-Gesellschaften des Mesobromions. Der Deutsche Enzian bevorzugt kalkreiche, trockene steinige Böden. Am Wilkensberg hilft ihm die Beweidung durch Schafe, denn die treten immer wieder durch ihre Hufe Vegetationslücken frei, in denen der blanke Boden offen liegt. An diesen Stellen kann der Deutsche Enzian keimen, worauf er angewiesen ist, denn er überlebt nur mit seinen Samen.

Vergleichbare Magerrasen in der Südeifel, die gemäht werden, bieten zwar ähnliche ökologische Bedingungen, verfügen aber nicht über Vegetationslücken und freien Boden, auf dem er keimen könnte. Folglich ist in diesen Magerrasengesellschaften der Deutsche Enzian nicht zu finden.

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zuletzt bearbeitet am 6.X.2013