14.Nov.2013

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Ein Zucker liebendes Urtier zu Gast in unseren Häusern: das Silberfischchen

Astrid von Reis

Mit dem Herbst wird es wieder gefährlich für ein kleines, flinkes Tierchen, das sich gerne in unseren Häusern aufhält: das Silberfischchen. Seine natürlichen Fressfeinde wie Winkelspinnen und Zitterspinnen versuchen der Kälte zu entfliehen und suchen sich geeignete Unterschlüpfe in unseren Räumen. Damit muss dieses etwa ein Zentimeter lange Tierchen noch mehr auf der Hut sein als sonst, denn so richtig beliebt ist das Wesen mit dem interessanten wissenschaftlichen Namen bei vielen Menschen nicht: Lepisma saccharina, mit dem deutschen Trivialnamen „Zuckergast“.

Vorliebe für Mehrfachzucker

Seiner Vorliebe für vor allem Mehrfachzucker wie Stärke, Pektine, Chitin, Cellulose und Glycogen verdankt das Tier diesen Namen. Es ist in der Lage, Enzyme herzustellen, mit deren Hilfe es diese langkettigen Zucker zerlegt und verdaut. So fressen Zuckergäste nicht nur Mehle, Kartoffeln, Zucker sondern auch Kleister, Haare, Hautschuppen, Hausstaubmilben, Schimmelpilze, Baumwolle, Seide und Papier.

Durch seinen stromlinienförmigen Körper mit einem bei entsprechender Lichtreflexion Silber glänzenden Schuppenkleid bekam dieses Tier den gebräuchlichen Namen Silberfischchen. Allerdings ist dieser Name irreführend. Das Tier kann zwar nicht fliegen, doch es gehört zu den Insekten und hier zu der Ordnung Zygentoma (Fischchen), flügellosen Urinsekten, die seit etwa 300 Millionen Jahren existieren. Der Körper ist dreigliedrig, drei Beinpaare setzen am deutlich verbreiterten Brustabschnitt an. Am Kopf befinden sich Komplex- bzw. Facettenaugen und zwei lange, fadenförmige Fühler. Am Hinterleib befinden sich Tastorgane, drei borstenartige Fortsätze.

Diese Wärme liebende Tierart kommt in Mitteleuropa fast nur in beheizten Gebäuden vor. Die für Silberfischchen und ihre Fortpflanzung optimale Temperatur liegt bei 20 bis 30 C° und einer Luftfeuchtigkeit von 80 bis 90 Prozent. So können wir sie in Küchen, Bädern, Toiletten und Waschküchen antreffen, allerdings nur, wenn es hier Ritzen, offene Fugen oder andere Verstecke gibt.

Tagsüber wird man kaum eines antreffen. Sie sind nachtaktiv und sehr lichtscheu. Wer nachts das Licht anmacht, kann vielleicht beobachten, wie ein Silberfischchen – mit für seine kurzen sechs Beine erstaunlich hoher Geschwindigkeit – zum nächsten Versteck saust. Bis zu acht Jahre können Silberfischchen alt werden. Bei optimalem Klima legt ein Weibchen durchschnittlich 75 Eier pro Jahr. Nach dem Schlüpfen haben sie von Anfang an das endgültige Erscheinungsbild und häuten sich nicht nur in der Wachstumsphase sondern ihr Leben lang bis zu 40 Mal.

Beeindruckend ist ihr Geschlechtsverhalten: Das Männchen führt vor dem Weibchen ein Laufspiel auf, bei dem es durch viele Berührungen die Paarungsbereitschaft der Partnerin feststellt. Dann spinnt es ein paar Fäden und legt darunter eine Kapsel mit Samen ab. Kommt nun das Weibchen mit seinen Hinterleibs-anhängen an die Fäden, bleibt es ruckartig stehen, senkt den Hinterleib und nimmt mit der Geschlechtsöffnung das Samenpaket auf. Diese umständliche Samenübertragung weist darauf hin, dass sie Nachkommen sind von „wurmartigen“ Tieren, die ihre Samen und Eier noch im vor Austrocknung schützenden Wasser ablegten.

Silberfischchen (über-)leben nur an feuchten Orten, in gut durchlüfteten Zimmern dagegen kaum. Sie sind keine Krankheitsüberträger, können lediglich bei starkem Befall zu Materialschädlingen (Bücher, Tapeten) werden. Da sie Schimmelpilze und Hausstaubmilben gerne fressen, gehören sie eher zu den Nützlingen. Wer dieses faszinierende Urinsekt trotzdem nicht zu Gast bei sich haben will, kann es mit Lavendelöl vertreiben oder mit einer rohen Kartoffel ködern, die dann mit den Tieren in den Kompost gegeben wird.

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zuletzt bearbeitet am 22.XII.2013