3.April 2014
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Warum Spechte beim Hämmern keine Kopfschmerzen bekommen
Karl Josef Strank
Gelegentlich zeigt sich in Gärten ein Vogel, der durch sein lautes Rufen auffällt und, wenn man ihn zu Gesicht bekommt, durch sein stattliches und farbenfrohes Aussehen aufmerken lässt. Er macht einen gedrungenen Eindruck, weil er nur einen verhältnismäßig kurzen Schwanz und kurze Beine hat, die aber über starke Zehen verfügen. Dennoch sieht man gleich, dass er ein kräftiges und munteres Kerlchen ist, was auch durch seine lauten „kjäck“-Rufe deutlich wird. Das leuchtende Grün seines Gefieders und die knallrote Kopfhaube geben ihm bei den vorherrschenden Schwarz-, Grau- und Brauntönen unserer anderen Vögel fast ein exotisches Aussehen. Sein langer, spitz zulaufender Schnabel, der wie ein Meißel seinen länglichen Kopf fortsetzt, lässt ihn unschwer als Specht erkennen. Es handelt sich folglich um den Grünspecht.Wie bei allen Spechten ist der Schnabel sein wichtigstes Werkzeug. Er wird zum Zimmern der Nisthöhle als Hacke eingesetzt, die er mit wuchtigen Schlägen in das Holz der Bäume hämmert. Zu diesem Zweck verfügt er über verstärkte Halswirbel mit kräftigen Halsmuskeln und einer federnden Verbindung zwischen Oberschnabel und Hirnschädel. Die Frage, warum Spechte beim Hämmern keine Kopfschmerzen bekommen, kann damit beantwortet werden und mit der Tatsache, dass ihr Gehirn relativ fest im Schädel sitzt, weil es nur von ganz wenig Gehirnflüssigkeit umgeben ist und folglich nicht bei den Schlägen gegen die Hirnschale geschleudert wird. Im Schnabel verbirgt sich die zweite wunderbare Anpassung der Spechte an ihre Lebensweise, die lange, dünne Zunge. Mit dieser können sie ihre Beute aus den feinsten Höhlengängen des Holzes und aus Ameisen- und Termitenhaufen ziehen. Zu diesem Zweck ist die Zunge klebrig wie eine Leimrute und an der Spitze verhornt und mit Widerhaken versehen. Mit dieser sogenannten Lippe, die für sich beweglich ist, kann der Specht wie mit einem Löffel Larven oder Ameisenpuppen selbst aus den verwinkelten Brutkammern herausholen.
Ameisen bilden die Hauptnahrung des Grünspechts, weswegen er sich häufiger als die anderen Spechte am Boden aufhält und zusammen mit dem Grauspecht und dem nordamerikanischen Goldspecht zu den Bodenspechten gerechnet wird. Der Grünspecht verbringt viel Zeit am Boden und sucht und stochert mit seinem Schnabel nach Ameisen. Hat er ein Nest gefunden, sitzt er lange, die Umgebung immer wieder sichernd, und räumt es gründlich aus. Neben Ameisen frisst er auch andere Insekten. So verschmäht er Bienen nicht. Um an diese heranzukommen, hackt er gelegentlich schon mal Bienenstöcke bis zur Unbrauchbarkeit auf und räubert sie aus. Das macht ihn bei Imkern nicht unbedingt beliebt.
Der Balzruf des Grünspechts, den er ab Februar morgens und abends in der Nähe seines Schlafbaumes ertönen lässt, klingt wie ein Lachen und kann mit „klü-klü-klü“ wiedergegeben werden. Dieser Ruf dient dazu, dass die Paare sich finden. Hat das geklappt und muss eine neue Bruthöhle angelegt werden, bevorzugt er Apfel- und Birnbäume, Linden, Erlen, Kirschbäume und andere Weichhölzer. An der Höhle arbeiten beide Partner und ab Anfang Mai werden die Eier gelegt. Die Jungen schlüpfen kurz hintereinander, verlassen die Höhle nach etwa vier Wochen und werden dann von beiden Eltern betreut. In der Balz werden Grünspechte leichter von Sperber und Habicht erbeutet. In der Nacht fallen sie gelegentlich Mardern zum Opfer. Wegen ihres tiefen wellenförmigen Bogenflugs verunglücken sie oft, weil sie gegen Fahrzeuge und andere Hindernisse prallen.
Als Lebensraum benötigt der Grünspecht große Flächen mit altem Baumbestand in einer reich strukturierten Kulturlandschaft. Sehr zugute kommt ihm die Erhaltung oder Wiederherstellung extensiv genutzter Wiesen, Weiden, Streuobstflächen und Heiden.
Unter Forstleuten hatten Spechte keinen guten Ruf, weil diese ihnen übel nahmen, dass sie ab und an gesunde Bäume anhacken und das Holz entwerten. Heute werden sie im Wald als Nützlinge gesehen, weil sie mit ihren Höhlen auch anderen Vögeln Nistmöglichkeiten schaffen. Stämme, die von Holzschädlingen befallen sind, werden von ihnen regelmäßig bearbeitet, die Puppen und Larven der Schädlinge dezimiert. Kranke Stämme entrinden sie vollständig, so dass Schadinsekten keinen Unterschlupf finden. Baumstümpfe und umgefallenes, morsches Holz werden von ihnen aufgesucht und im Laufe der Zeit komplett zerlegt, was die Abbauvorgänge erheblich beschleunigt. Bleiben die im Wald ebenfalls nützlichen Ameisen. Deren Nester können durch Drahthauben geschützt werden. Übrigens: Der NABU und der Landesbund für Vogelschutz haben den farbenprächtigen Grünspecht zum „Vogel des Jahres 2014“ gekürt.
zuletzt bearbeitet am 13.IV.2014