10.April 2014
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Frühlingsbote, „Himmelsschlüssel“ und natürliche Medizin: die Primel
N.N.
Primeln gehören bei uns zu den ersten Frühlingsboten, und nicht nur ich habe meine Freude daran. Wenn die Temperaturen steigen, sind ihre Blüten von Hummeln und Bienen geradezu belagert, die hier die Nahrung tanken, die sie zum Aufbau ihrer Völker benötigen. Der volkstümliche Name „Himmelsschlüssel“ deutet schon darauf hin, dass mit den Primeln der Frühling einkehrt und sich für sie der Himmel öffnet.
In Deutschland sind insgesamt neun Primelarten heimisch, von denen in der Umgebung von Aachen allerdings nur zwei vorkommen: die Echte oder Wiesenprimel (Primula veris) und die etwas seltenere Hohe Schlüsselblume (Primula elatior). Während die Wiesenprimel ihre Standorte, wie der Name schon verrät, bevorzugt in nicht gedüngten Wiesen und an Weg- oder Waldrändern findet, bevorzugt die Hohe Schlüsselblume etwas geschütztere und feuchtere Stellen im Laubwald, aber auch in feuchten Wiesen. Unterscheiden lassen sich die beiden Arten recht einfach: Die sattgelben Blütensäume der Wiesenprimel sind meistens glockenförmig nach innen gebogen, während die schwefelgelben Blüten der Hohen Schlüsselblume tellerförmig ausgebreitet liegen. An Stellen, wo beide Arten vorkommen, gibt es allerdings auch hybridisierte Übergangsformen.
Dem einen oder anderen ist sicherlich schon aufgefallen, dass die Primelbestände nicht nur in der Aachener Region zurückgehen. Das liegt vor allem am zunehmenden Eintrag von Nährstoffen, denn überdüngte Standorte mögen Primeln gar nicht. Sie sind relativ konkurrenzschwach und können sich gegen ihre Nachbarn schlecht durchsetzen, vor allem, weil sie Lichtkeimer sind und die Samen im dichten Bewuchs nicht mehr aufgehen. Schuld an der Überdüngung hat übrigens nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch der Stickstoffeintrag aus der Luft. Nach der Bundesartenschutzverordnung sind alle Primelarten in Deutschland besonders geschützt und dürfen der Natur weder entnommen noch gepflückt werden.
Die Wiesenprimel wird seit Jahrhunderten medizinisch genutzt, was man auch an ihrem alten Artnamen Primula officinalis ablesen kann. Die in ihr enthaltenen Saponine regen die Schleimproduktion an und erleichtern damit das Abhusten bei Erkältungen. Genutzt werden die getrockneten Blüten und Wurzeln, die als Tee aufgebrüht werden. Man sollte es aber nicht übertreiben, denn Primeltee ist nichts für einen empfindlichen Magen.
Wer das Glück hat, dass sich eine Wildprimel in seinem Garten ausgesät oder er ein Exemplar im Fachhandel erworben hat, der kann die weitere Ausbreitung auch unterstützen: Sie werden im Alter nicht gerne umgesetzt, und man sollte in ihrer Umgebung immer nach Sämlingen Ausschau halten. Hier gilt die Regel „einfach mal wachsen lassen“ ganz besonders, denn Primelsamen neigen zum „Überliegen“, das heißt, sie keimen manchmal erst im zweiten oder dritten Jahr. Eine raffinierte Strategie der Natur, um schlechte Jahre zu überbrücken, in denen zum Beispiel die Mutterpflanzen völlig absterben. So wird das lokale Erlöschen einer Population verhindert und es gibt immer eine Reserve im Boden. Die relativ schweren Primelsamen werden vom Wind aus den Fruchtkapseln geschleudert, so dass ihr Ausbreitungsradius sehr begrenzt ist. Ein weiterer Grund, natürliche Bestände zu schützen. Viele Primelarten neigen dazu, sich in Kultur aus dem Boden zu schieben, wenn sie keinen Halt in der Umgebung finden. Nach ein paar Jahren können die Wurzeln fast freiliegen, vor allem junge Pflanzen vertrocknen. Man kann ihnen dann helfen, indem man einige Steine über ihre Wurzeln legt, dann wachsen sie zu prachtvollen, robusten und sehr ausdauernden Stauden heran.
Ausgangsart für die vielen bunten Gartenzüchtungen ist übrigens die stengellose Primel (Primula vulgaris), die in Deutschland nur ein sehr kleines Verbreitungsgebiet im Norden hat. Mittlerweile gibt es auch eine große Anzahl von Hybriden, die aber bei weitem nicht alle gartenwürdig sind. Die typische Baumarktware ist im Treibhaus vorgezogen und geht meist nach einer Saison im Garten wieder ein, wenn nicht bereits der erste Spätfrost der Pracht ein Ende bereitet.
zuletzt bearbeitet am 3.VI.2014