17.April 2014

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Passionsblume symbolisiert mit ihren Merkmalen den Leidensweg Christi

Ruth Gestrich-Schmitz

Bevor an Ostern die Christen die Auferstehung Jesu Christi feiern und die Kinder bei hoffentlich schönem Wetter auf die Suche nach bunten Ostereiern gehen, wird in der Karwoche des Leidensweges, der Passion Christi gedacht. Eine Pflanze, die mit ihren Blütenmerkmalen diesen Leidensweg bis hin zur Kreuzigung symbolisiert, ist die Passionsblume (Passiflora). Der Name geht wohl auf spanische Missionare im 17. Jahrhundert zurück, die diese Blumen in Südamerika entdeckten. Die fünf Staubblätter symbolisieren die fünf Wunden, die Jesus am Kreuz zugefügt wurden, die drei Narben die drei Nägel, mit denen er ans Kreuz genagelt wurde. Die Säule mit dem Fruchtknoten verkörpert den Kelch, aus dem Jesus und seine Jünger beim letzten Abendmahl tranken, oder auch die Geißelungssäule. Die strahlige Nebenkrone steht als Symbol für die Dornenkrone und die dunkelroten bzw. fleischfarbenen Blüten für das Blut Christi. Die Blätter mancher Arten erinnern an Lanzenspitzen, die Ranken an Geißeln.

Passionsblumen sind meist tropische Kletterpflanzen aus der Familie der Passionsblumengewächse mit außerordentlich schönen, formen- und farbenreichen Blüten. Mit Blütenblättern von weiß, gelb und grün bis rosa, rot und violett und einer spektakulär gefärbten strahlenförmigen Nebenkrone, bestehend aus zarten Fäden, gehören die Blüten zu den schönsten im Pflanzenreich. Die Blätter der Passionsblumen sind vielgestaltig: Manche Arten bilden an ein und derselben Pflanze unterschiedlich geformte Blätter aus, die denen der benachbarten Pflanzen ähnlich sehen. Damit tarnen sie sich vor Fressfeinden. Ihre Blätter werden von vielen Insekten verschmäht, weil sie Blausäure-Glykoside enthalten. Den Raupen des Maracujafalters macht das jedoch nichts aus. Sie wiederum nutzen ihrerseits das aufgenommene Gift und sind damit für Feinde ungenießbar. Arten wie Passiflora helleri haben aber einen raffinierten Schutzmechanismus gegen den Maracujafalter entwickelt: Ei-Attrappen in Form winziger heller Flecken auf der Blattoberseite, die den Faltern signalisieren sollen: Hier sind schon Eier abgelegt, flieg‘ eine andere Pflanze an.

Die äußerst schmackhaften Früchte der Passionsblume Passiflora edulis, Maracuja genannt, waren schon bei der indianischen Urbevölkerung Südamerikas ein wichtiges Nahrungsmittel. Mit dem Namen Maracuja bezeichneten sie den gehaltvollen Saft der Passionsfrüchte, der bei uns oft Bestandteil von Multivitamingetränken ist. Das Fruchtfleisch der in den Obstregalen angebotenen Früchte löffelt man am besten direkt aus der Schale.

Als Zierpflanzen sind Passionsblumen sehr beliebt, jedoch wird in unseren Breiten wegen der eingeschränkten Winterhärte nur eine kleine Auswahl der etwa 460 auf der Welt vorkommenden Arten angeboten, vor allem die Blaue Passionsblume (P. caerulea) mit ihren weißen Blütenblättern und der blauen Nebenkrone. Sie blüht reichhaltig von Mai bis September, wenn ihr ein warmer, sonniger Standort mit humosem, schwach saurem Boden ohne Staunässe geboten wird. Die meisten Arten lieben es, den Sommer draußen zu verbringen, brauchen aber im Winter ein helles, nicht zu warmes Quartier drinnen oder im Gewächshaus. Frostresistente Arten wie Passiflora x colvillii, eine Hybride zwischen P. caerulea und P. incarnata, können, am Boden mit Reisig abgedeckt, den Winter überstehen. Auch wenn die oberirdischen Teile zurückfrieren, treiben die Pflanzen von der Basis her wieder kräftig aus.

Passiflora incarnata besitzt nicht nur attraktive Blüten, sondern auch eine große Bedeutung als Arzneipflanze. Verwendet wird das Kraut ohne die Wurzeln. Für ihre beruhigende und schlafbringende Wirkung sind wohl im Wesentlichen Flavonoide verantwortlich. Blausäure-Glykoside sind in Passiflora incarnata nicht oder nur in äußerst geringer Konzentration enthalten. Passionsblumenextrakt als Tee oder in homöopatischer Form wird empfohlen bei Unruhezuständen, leichten Einschlafproblemen, nervös bedingten Magen-Darm-Beschwerden, Anspannung, Stress und Angst. Eigentlich befällt uns im Frühling ja eher die Frühjahrsmüdigkeit, aber wer dennoch mit Schlafproblemen zu kämpfen hat, dem sei die Passionsblume wärmstens empfohlen.

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zuletzt bearbeitet am 3.VI.2014