24.Juli 2014

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Schafe prägten einst das Landschaftsbild der Eifel

Joachim Schmitz

„… Starr und burggekrönt / Schaun hohe Felsen rings, nackt, einsam, düster; / Statt durch den Wald, der frisch den Blick versöhnt, / Zieht durch das Haidekraut des Wind’s Geflüster. –
Tiefernst und stumm und kalt ist hier die Welt / In diesen öden unfruchtbaren Weiten, / Leblos liegt selbst das blaue Himmelszelt, / Du glaubest über Trümmer rings zu schreiten.“
So sah der Heimatdichter W. Müller zu Beginn des 19. Jhdt. die Eifel. Weniger poetisch, aber kaum weniger dramatisch schreibt der preußische Forstbeamte J. N. von Schwerz: „Man sollte sehen und weinen! Ein Land, wie die Eifel, wo es nicht an Raum fehlt, wo der Boden zum Theil keinen Werth für die übrige Kultur hat, weil es an Dung und Dungmaterial gebricht, da heben die Berge von allen Seiten ihre nackten Schädel, welche kein Gesträuch deckt, und wo kein Vöglein ein Schattenplätzchen zu seinem Neste findet. Daher wütet dann der kalte Nord, der scharfe Nordostwind, daher ist das Regenwasser, welches den Gipfeln entströmt, nur mager und bringt den Thälern kein Heil.“

Das trug der Eifel den Beinamen Preußisch-Sibirien ein. Aber wie ist es soweit gekommen? Ursprünglich war die Eifel ein geschlossenes Waldgebiet. Ab der Karolingerzeit begannen Rodungen zur Gewinnung landwirtschaftlicher Flächen. Im Capitulare Kaiser Karls heißt es (sinngemäß): „Land, das zur Rodung geeignet ist, soll man roden und verhindern, dass Ackerland wieder vom Wald überzogen wird.“ Im Mittelalter wurden die Waldflächen immer kleiner, ihre Nutzung aber immer intensiver. Schläge für Bau- und Brennholz, Waldweide, Köhlerei und Ledergerberei mit Eichenborke (Lohe) (und das häufig nebeneinander im selben Wald) führten langfristig zu einer Verwüstung der Landschaft.

Der Höhepunkt war nach 1800 erreicht. Bilder von Landschaftsmalern aus dieser Zeit zeigen Ansichten, wie man sie vielleicht am Polarkreis vermuten würde, aber nicht in Mitteleuropa. Kein Baum, kein Strauch, der Blick geht endlos über Magerrasen und Heiden in die Ferne. Der Boden war völlig ausgelaugt. Als einzige Nutzung war die extensive Schafweide übrig geblieben, und so zogen dann riesige Schafherden durch die Eifel. Außer Wacholder fraßen die damaligen Schafrassen alles. Dabei wurden auch junge Gehölze weggefressen und ein Wald konnte gar nicht mehr aufkommen. 1828 wurde für die Eifel ein Gesamtbestand von 280000 Tieren registriert!

Jede Medaille hat zwei Seiten. Was für die Eifeler eine (allerdings mindestens teilweise selbstverschuldete) Katastrophe war, war für die Biodiversität ein Segen. Zahlreiche Arten konnten sich erst auf dem durch Schafweide genutztem Ödland ausbreiten oder überhaupt erst einwandern. Als Beispiel seien hier nur die zahlreichen Orchideen genannt, für die die Eifeler Kalkmagerrasen berühmt sind.


Landschaftspfleger bei der Arbeit
Schafherde über dem Rurtal bei Abenden

Die preußische Forstverwaltung begann dann mit der Wiederaufforstung. In diesem Zusammenhang wurden den Einheimischen angestammte Waldnutzungsrechte entzogen. Das hat viel böses Blut gemacht, aber nur so war eine Rückkehr des Waldes überhaupt möglich. Heute ist die Eifel wieder in großen Teilen von Wald bedeckt. Umgekehrt sind die durch Schafweide bedingten Heiden und Magerrasen auf winzige Relikte zusammengeschrumpft.

Heute sind gerade das die wertvollsten Biotope und es ist es eine Herausforderung für den Naturschutz, sie durch Pflegemaßnahmen zu erhalten. Die großen Schafherden gibt es nicht mehr, und vor allem gibt es die alten Landrassen nicht mehr. In der Lüneburger Heide hat man frühzeitig erkannt, dass es nicht reicht, die Biotope zu schützen; man hat auch für den Erhalt der Heidschnucken gesorgt, die wirklich nur Wacholder stehen lassen und sonst nichts. Woanders sind die regionalen Landrassen ausgestorben. Stattdessen bestehen die Herden aus Merino-Hybriden, die vor allem auf Fleischertrag gezüchtet sind, aber längst nicht mehr jede Distel und jeden Baumkeimling fressen. Selbst, wenn es gelingt, eine Beweidung durch Schafe auf Heiden und Magerrasen zu organisieren, müssen deshalb alle paar Jahre aufkommender Strauchwuchs und Baumsprösslinge von Hand entfernt werden.

 

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zuletzt bearbeitet am 24.VII.2014