31.Juli 2014
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Vom Laub- zum Nadelwald: Warum Fichten im Nationalpark unbeliebt sind
Thomas Eßing
Der Nationalpark Eifel ist ein beliebtes Ziel für mittlerweile 250 000 Erholungssuchende im Jahr. In dem ca. 110 km² großen Gebiet laden Wanderwege mit einer Gesamtlänge von 240 km zur Erkundung ein. Sowohl Rollstuhlfahrer als auch ambitionierte Wanderer finden ihren speziellen Bedürfnissen angepasste Bedingungen vor. Wer mit der Vorstellung in den Park kommt, unberührte, sich selbst überlassene, wilde Natur vorzufinden, wird in vielen Bereichen (derzeit noch) ganz andere Erfahrungen machen.
Dies hat historische Gründe: Das Gebiet des heutigen Nationalparks hatte sich seit dem Ende der letzten Eiszeit vor ca. 10 000 Jahren bis ins Mittelalter zu einem Urwald entwickelt, in dem die Buche auf guten Standorten die dominante Baumart war. An den wenigen trockeneren Südhängen dominierte die trockenheitsresistente Eiche und in feuchten Tälern setzten sich vermehrt Erle, Weide und Birke durch. Ungefähr seit Beginn des Mittelalters ging es mit zunehmender Bevölkerung mit den Wäldern in Deutschland bergab. Einer der Gründe hierfür war, dass immer mehr Vieh auf bewaldeter Fläche gehalten wurde, und hierdurch die Naturverjüngung der Bäume durch Verbiss nicht mehr funktionierte. So gab es, von wenigen Ausnahmen abgesehen, vor 200 Jahren in Deutschland keine geschlossenen Wälder mehr. Im Gebiet des Nationalparks waren zudem weite Bereiche durch die Produktion von Holzkohle zu baum- und strauchfreiem Ödland geworden.
Mitte des 19. Jahrhundert begann das Forstamt, die Region mit schnellwachsenden Fichten, später auch Kiefern und Douglasien, aufzuforsten, um dem steigenden Holzbedarf schnell Rechnung zu tragen. So entwickelten sich in der Folgezeit, vor allem im südlichen Bereich des Parks, ein dichter Nadelwald, der mit dem hier ehemals vorhandenen Urwald aus Laubgehölzen nichts mehr zu tun hat. Als dann vor zehn Jahren das Projekt Nationalpark startete, bekam das Gebiet den Status „Entwicklungsnationalpark“, da viele Merkmale eines Nationalparks noch gar nicht vorhanden waren. Zu dem Zeitpunkt galten erst 38 Prozent der Fläche als „Prozessschutzfläche“. Nur dieser kleinere Teil war bereits in der Lage, sich alleine in halbwegs überschaubaren Zeiträumen zu dem zu entwickeln, was hier natürlicherweise hingehört.
In den Bereichen mit geschlossenen Fichtenbeständen, wie es sie zum Beispiel im südlichen Bereich auf einer Fläche von 20 km² gibt, kann eine Rückentwicklung ohne menschliche Hilfe viele hundert Jahre dauern. Deshalb wird hier in einem angemessenen Zeitraum von zunächst 30 Jahren die Fehlentwicklung der Vergangenheit soweit korrigiert, dass die Natur selbstständig weitermachen kann. Ziel ist es, in diesem Zeitraum mindestens 75 Prozent der Nationalparkfläche in den Zustand „Prozessschutzfläche“ zu bekommen, wie es die IUCN (International Union of Conservation of Nature and Natural Resources) fordert. So wurden zum Beispiel entlang von bestimmten Fließgewässern Kahlschläge vorgenommen. An anderer Stelle werden Fichtenwälder ausgelichtet, um wieder Unterwuchs von Laubbäumen entstehen zu lassen. Um einzelne Fichtenbestände sich selbst überlassen zu können, wurden bereits Schutzstreifen aus Buchen angelegt, die ihre volle Funktion aber erst in 20 Jahren erfüllen können. Diese sollen an den Nationalpark angrenzende Fichtenforste vor dem Borkenkäfer schützen, der in der Phase absterbender, sich selbst überlassener Fichten vermehrt auftritt.
All die sichtbaren Eingriffe sollten den Besucher nicht vergessen lassen, dass im ersten Nationalpark von NRW bereits heute über 900 gefährdete Tier- und Pflanzenarten der roten Liste leben. Neben 1300 Käferarten gibt es bereits rund 50 Wildkatzen sowie den seltenen Schwarzstorch oder die Mauereidechse. In Fließgewässern leben Biber und in Teichen kann sich die Kreuzkröte ausbreiten. Aus ökologischer Sicht ist es sehr interessant zu beobachten, wie die verschiedenen Maßnahmen zur Wiederherstellung des „Hainsimsen-Buchenwaldes im atlantisch geprägten Mittelgebirge“ langfristig wirken. Deshalb werden bestimmte Projekte auch wissenschaftlich begleitet.
zuletzt bearbeitet am 8.VIII.2014