22.Jan.2015

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Ein vergessenes Gemüse: Aus Pastinakenwurzeln Kulinarisches zaubern

Ruth Gestrich-Schmitz

Wenn draußen der Wind pfeift, der Regen gegen die Fenster schlägt oder Schneeflocken sachte fallen, wärmt man sich drinnen gerne mit einer heißen Tasse Kaffee oder Tee oder mit einer leckeren Suppe. Letztere am besten zubereitet mit Zutaten aus dem eigenen Garten, auf jeden Fall mit zur Jahreszeit passenden regionalen Gemüsen, die das Immunsystem mit Vitaminen und Mineralstoffen auf Trapp halten. Solch ein Gemüse, das lange mehr oder weniger vergessen war, ist die Pastinake oder der Pastinak (Pastinaca sativa), auch Hammelmöhre genannt, wie die nah verwandte Möhre zur Familie der Doldenblütler (Apiaceae) gehörend. Von der Möhre unterscheidet sich die Pastinake durch ihre gelben Blüten und die großen, nur einfach gefiederten Blätter. Die Pastinake ist zweijährig, wobei im ersten Jahr nur die Blattrosette und die gelblich weiße Speicherwurzel angelegt werden. Erst im zweiten Jahr kommt sie im Juli/August zur Blüte, und kann eine Höhe von 1,50 bis 2 Meter erreichen. Aus den bestäubten Blüten entstehen ab August Samen. Kultiviert wird die Pastinake nur einjährig: Wer zeitig im Frühjahr (März bis April) aussät, kann von Oktober bis zum nächsten Frühjahr die aromatisch süßen, frostharten Wurzeln ernten.

Wilde Pastinaken kommen in ganz Europa und Nordwestasien vor und wachsen häufig an Wegrändern mit Wegwarte und Steinklee, und auf Wiesen. Die ältesten Nachweise der Pastinake sind Fruchtfunde, vermutlich von der Wildform, aus jungsteinzeitlichen Siedlungsschichten im schweizerischen Alpenvorland und in Südwestdeutschland. Wahrscheinlich kam die Kulturform mit den Römern nach Mitteleuropa. Im Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert war die Pastinake eine wichtige Nahrungspflanze, wurde aber von Kartoffel und Möhre weitgehend verdrängt. In den vergangenen 20 bis 30 Jahren erfuhr die Pastinake eine Renaissance: Vor allem Bio-Betriebe begannen, das fast vergessene Gemüse wieder anzubauen.

Der größte Teil der Trockensubstanz besteht aus Stärke, Zuckern und Pektin, außerdem sind Kalium und Calcium, Vitamine und ätherische Öle enthalten. Aufgrund des hohen Zuckergehalts und ihres Aromas wurden früher die zerkleinerten Wurzeln zu einem berauschenden Getränk vergoren. In Irland braute man Bier daraus, in England trank man gerne Pastinakenwein, der vom Geschmack her dem Madeira ähnelt, so berichtet der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN), der die Pastinake zum Gemüse des Jahres 2012 kürte und sie in ihrem Logo führt.

Die heilendeWirkung von Samen, Wurzel und Kraut bei Nieren- und Blasenleiden, bei Magen- und Darmbeschwerden beruht im Wesentlichen auf den ätherischen Ölen. In der Volksmedizin wurde ein Tee aus Pastinakenfrüchten außerdem bei Wassersucht, Fieber, Schlaflosigkeit, Rheuma und Lungenleiden angewendet.

  

 Karamellisierte Pastinaken mit Bulgur

Und in der Küche kann man mit Pastinakenwurzeln Kulinarisches zaubern: Man kann sie kochen, backen, zu Cremesuppen oder Pürees (auch für Babynahrung) verarbeiten. Als Rohkost kommt der typische Wurzelgeschmack am besten zur Geltung. Fein geraspelte Wurzeln mit gehackten Zwiebeln und Petersilie mit Mehl, Eiern, süßer Sahne, Salz und Pfeffer verquirlt und in Öl gebacken ergeben leckere Wurzel-Burger. Geschnittene Würfel mit Zwiebel und Knoblauch (klein gehackt) in Öl angebraten, mit Weißwein abgelöscht, zehn Minuten gedünstet, mit Sahne, Salz, Pfeffer und Muskat gewürzt und anschließend püriert sind eine besondere Beilage zu Fleischspeisen, genauso wie karamellisiertes Gemüse: Sesamöl mit ein wenig Zucker in der Pfanne erhitzen, Wurzelstücke und feingehackten Knoblauch darin kurz anbraten, nur wenig Wasser dazugeben und zehn Minuten dünsten. Gehackte Petersilie darüber streuen und genießen. Guten Appetit!

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zuletzt bearbeitet am 12.II.2015