2.April 2015
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Unsere Vögel brauchen weder Farbkasten noch Lebensmittelfarbe
Ruth Gestrich-Schmitz
Ob hart gekocht und gefärbt, ausgeblasen und bunt bemalt, aus Keramik, Holz oder Kunststoff, es ist Saison für Ostereier in allen Farben und Variationen. Der Brauch, Eier zu Ostern bunt zu färben, geht in Deutschland auf das 13. Jh. zurück: Ein hartgekochtes, rotes Ei galt als ein Symbol für die Auferstehung Jesu. Das kalte Ei stand dabei für den Tod, die rote Farbe für das Leben. Zunächst verschenkte der Pfarrer an Ostern solche Eier an die Gläubigen, später begannen diese selbst, Eier zu färben, zu bemalen, Sprüche und kleine Bilder einzuritzen und sie anschließend zu verschenken. Im 17. Jh. sollen dann die Protestanten das Verstecken der bunten Eier erfunden haben.
Unsere Vögel brauchen keinen Farbkasten oder Lebensmittelfarbe. Bei ihren Eiern findet man eine natürliche bunte Vielfalt, die genetisch bedingt ist: Kleine Kunstwerke mit Punkten, Flecken, Strichen in verschiedenen Farbvarianten. Man schätzt, dass etwa nur ein Viertel aller Vogelarten weiße Eier legt, beispielsweise Eulen, Spechte, Tauben, Kolibris und Papageien. Bei den farbigen Eiern gibt es Farbabstufungen von blassen zu gesättigten Tönen im Blau-Grün- und Rot-Braun-Bereich. Steißhühner, in Mittel- und Südamerika beheimatet, legen glänzend bunte, wie lackiert aussehende Eier: Beim Perlsteißhuhn strahlen die Eier in einem satten Grün. Verantwortlich für die Schalenfarbe sind zwei Pigmente: Protoporphyrin, ein Bestandteil des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin, verleiht der Eischale eine braun-rote Färbung, Biliverdin, ein Abbauprodukt des Hämoglobins, sorgt für eine blau-grüne Färbung der Eier. Sind beide Pigmente vorhanden, entstehen Mischfarben.
Kurz vor der Eiablage erfolgt die Pigmentierung auf oder in der Eischale. Die Menge der Pigmente wird durch Hormone gesteuert. Die Bildung von Mustern auf dem Ei hängt davon ab, wann und wo die Pigmente beim Durchgang durch den Eileiter auf der Schale abgelagert werden: Verharrt das Ei bei der Pigmentierung im Eileiter, bilden sich Punkte, bewegt es sich weiter, entstehen Flecken oder Streifen.
Feine dunkelbraune Punkte zeichnen die Eier des Sandregenpfeifers aus, grob braun gefleckte Eier legt die Dreizehenmöve. Die grünblauen Eier der Elster sind mit dunklen Flecken überzogen. Bei der Goldammer sehen die Eier aus, als hätte jemand sie mit einem feinen braunen Stift bekritzelt. Der Japanbuschsänger legt die Eier mit dem sattesten Rotbraun, die Eier des in Afrika beheimateten Königsglanzstars weisen die intensivste blaugrüne Farbsättigung auf. Beim australischen Emu findet man im Nest dunkelgrüne bis dunkelblaue Eier. Bei Hühnereiern gehen die Farbvariationen vom grünen Ei des Araucana- bis zum dunkelbraunen Ei des Marans-Huhns. Der Händler auf dem Markt, bei dem ich regelmäßig Eier kaufe, bot im vergangenen Jahr blau-grüne Eier seiner eigenen Hühner an, die an Ostern nicht einmal gefärbt werden mussten.
„In der Farbe der Vogeleier spiegelt sich bei vielen Vögeln die Umwelt, in der sie leben. Was für uns nach farbenfroher Verzierung aussieht, ist oft ein lebensnotwendiger Schutz für die Eier. Ob tiefgrüner Regenwald oder braunes Untergehölz die Eier von Bodenbrütern sind häufig perfekt an das Lebensumfeld angepasst und so praktisch unsichtbar“, so Anne Hoppmann, Biologin im Weltvogelpark Walsrode. Eine sehr auffällige Farbe ist dagegen möglicherweise ein abschreckendes Signal für Nesträuber. Vögeln wie Trottellummen, die in Kolonien auf Felsen brüten, hilft die Färbung der Eier beim Wiedererkennen, wenn die Eltern den Brutplatz zur Nahrungsaufnahme kurz verlassen. Der Kuckuck, der bekanntlich seine Eier in fremde Nester legt, sucht sich als Wirtseltern Vogelarten wie Rotkehlchen, Wiesenpieper oder Gartenrotschwanz aus, deren Eier den ihren sehr ähneln. Höhlenbrüter wie Eulen oder Spechte, oder Vögel, die ihre Gelege ständig bebrüten oder bedecken (z.B. Tauben), benötigen keine Tarnung, deshalb sind deren Eier meist weiß.
Wissenschaftliche Studien bringen besonders prächtig gefärbte Eier auch mit dem Sexualverhalten der Vögel in Verbindung: Das Weibchen will damit dem Männchen signalisieren, dass es Top-Gene an die Kinder vererbt, und damit den Partner überzeugen, sich intensiv an der Aufzucht der Jungen zu beteiligen und treu zu bleiben.
zuletzt bearbeitet am 14.V.2015