28.Mai 2015
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Die geheime Welt der Blattläuse: mehr als nur lästige Schädlinge im Garten
N.N.
Blattläuse sind im Garten ausgesprochen ungern gesehene Gäste. Bei einem Massenbefall schwächen sie die Pflanzen, übertragen gefährliche (weil oft unheilbare) Viruskrankheiten. Und ihre Ausscheidungen, ein stark zuckerhaltiger Saft, begünstigen Pilzerkrankungen an Blättern. Es gibt nicht viel Gutes über Blattläuse zu berichten. Dafür aber viel Interessantes!
In Mitteleuropa gibt es etwa 800 Blattlausarten, von denen einige sehr spezialisiert sind und nur auf einer einzigen Pflanzenart parasitieren, während andere eher wenig wählerisch sind. Besonders diese „Allesfresser“ können einen Garten regelrecht heimsuchen und gäbe es nicht die zahlreichen Fressfeinde der Blattläuse wie Marienkäfer, Florfliegen oder Schlupfwespen, unsere Ernten wären ernsthaft in Gefahr. Im Sommer kann die Vermehrungsrate von Blattläusen enorm werden.
Von der Geburt bis zum erwachsenen Tier vollzieht sich dann der Generationswechsel innerhalb von acht Tagen. Ein Grund für diese hohe Geschwindigkeit ist die Fähigkeit zur sogenannten Parthenogenese, also der ungeschlechtlichen Fortpflanzung. Diesen Trick beherrschen höhere Lebewesen eher selten, auch wenn er unter den Insekten noch vergleichsweise häufig vorkommt.
Bienendrohnen entwickeln sich beispielsweise aus den unbefruchteten Eiern der Bienenkönigin. Die Blattläuse gehen allerdings noch einen Schritt weiter und der ist tatsächlich eine kleine Sensation: Einige Blattlausarten sind lebendgebärend. Mit einer guten Lupe bewaffnet, lässt sich in größeren Kolonien fast immer eine Geburt beobachten. Die frisch „geworfenen“ Läuschen sind voll ausgebildet, mit allen Gliedmaßen und müssen bis zur Geschlechtsreife nur noch einige Häutungsstadien durchlaufen.
Lebendgebärende Insekten sind ausgesprochen selten, man kennt zum Beispiel Tse-Tse-Fliegen oder auch unsere einheimische Fleischfliege, die statt Eier gleich Larven absetzen und einige Schabenarten sind auch dazu in der Lage. Streng genommen entwickeln sich natürlich auch diese Tiere aus Eiern (wie bei allen Insekten), nur vollziehen sich die ersten Entwicklungsstufen bereits im Mutterleib. Die lebendgebärenden Schaben haben dafür sogar eine regelrechte Plazenta entwickelt, die die Frühstadien mit Nährstoffen versorgt, während die meisten anderen Vertreter alle benötigten Nährstoffe bereits in den Eiern anlegen.
Aber wie gelingt es diesen winzigen Tieren eigentlich, größere Strecken zurückzulegen, um neue Nahrungspflanzen zu finden? Nun, Blattläuse sind ziemlich gut zu Fuß. Bei Gefahr lassen sie sich beispielsweise von ihrer Futterpflanze fallen und klettern anschließend wieder hoch. Wenn eine Population aber zu dicht wird, kommt es zu einem besonderen Generationswechsel: Die Nachkommen besitzen plötzlich Flügel und machen sich auf die Suche nach dem nächsten, weit entfernten Gemüsebeet. Ob Läuse Flügel haben oder nicht, ist also in der Regel keine Frage der Art, sondern des Generationszyklus.
Dass Blattläuse wegen ihres hohen Zuckergehaltes gut schmecken, hat sich in der Tierwelt schon herumgesprochen und deshalb mieten sich einige Läuse eine Privatarmee zum Schutz. Häufig sieht man schwarze Wegameisen an den Blattlauskolonien „patrouillieren“ und bemerkenswerterweise fallen diese nicht über die kleinen Honigtöpfe her, sondern bewachen sie wie einen Schatz.
Einige Blattlausarten rufen ihre Beschützer tatsächlich herbei, indem sie chemische Botenstoffe aussenden, wenn sie in Gefahr geraten. Die Ameisen vertreiben Marienkäferlarven oder Schlupfwespen und erhalten für diese Dienstleistung von den Läusen einen zuckerhaltigen Futtersaft, den Honigtau, der nach „betrillern“ durch die Ameisenfühler aus dem Hinterleib austritt. Die gelbe Wiesenameise züchtet sogar spezielle Wurzelläuse als Melkkühe in der eigenen Kolonie. Der beliebte Tannenhonig besteht übrigens nicht aus Nektar, sondern aus dem Honigtau von Baumläusen, der von Bienen aufgeleckt wird. Sympathisch müssen einem Blattläuse ja nicht gleich werden, aber sie sind definitiv mehr als nur lästige Schädlinge im Garten.
zuletzt bearbeitet am 14.VII.2015