9.Juli 2015

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Der Sonnentau: eine trügerische Schönheit, die im Sonnenlicht glitzert

Karl Josef Strank

Wenn an heißen Sommertagen die Hitze über dem Moor oder über der Heide brütet und die Luft heiße Schlieren wirft und wabert, dann ist allerbestes Flugwetter für Insekten. An solchen Tagen rüstet sich eine Pflanze mit ihren „Klebefallen“, um auf die Jagd nach Insekten zu gehen. Der Sonnentau versieht dann die tentakelartigen Drüsenhaare seiner Blätter mit einem durchsichtig, glasigem Sekret, das wie ein Tautropfen in der Sonne glänzt.

Mit dem Finger berührt

Berührt man es mit dem Finger, zieht es Fäden, ist zähflüssig und klebrig. Insekten, insbesondere Fliegen, die dort Erfrischendes oder Nahrhaftes vermuten und die Blätter anfliegen, werden arglistig im wahrsten Sinne des Wortes „geleimt“ und gefangen. Wenn sie den Irrtum bemerken, ist es zu spät und je mehr sie sich wehren und versuchen frei zu kommen, umso mehr Drüsenhaare berühren sie, die sie schließlich bis zur völligen Bewegungslosigkeit fixieren. Anschließend löst der Schleim die Insekten auf. Diese werden verdaut und von den Blättern resorbiert bis am Ende nur die leere Chitinhülle übrig bleibt.

Kein geringerer als Charles Darwin war von den eigentümlichen „fleischfressenden“ (eigentlich bedeutet der Fachbegriff „carnivor“ fleischverschlingend, was dem ganzen Vorgang die Attitüde der Völlerei beimisst) Pflanzen so begeistert, dass er einige von ihnen gründlich studierte und dabei Experimente durchführte, die erstaunliche Ergebnisse brachten.

Er fand heraus, dass Proteine – er fütterte die Pflanzen mit dem Eiweiß hart gekochter Eier – Ammoniumsalze, Phosphate und viele andere Substanzen Insekten vortäuschen und die Bewegung der Tentakel auslösen. Durch Verdünnungsreihen konnte er nachweisen, das noch 0,000000423 Gramm Ammoniumsalz die Krümmung der Tentakel auslöst.

In die Falle getappt

Darwin wies ebenfalls nach, dass ein kleines Stück menschlichen Haars von nur 0,000822 Gramm die Bewegung ebenfalls auslöst, wogegen Regentropfen keinerlei Auswirkungen auf die Bewegung haben. Sobald ein Insekt in die Falle getappt ist, krümmen die benachbarten Tentakel sich aktiv auf dieses zu und die ganze Blattspreite umfasst es förmlich wie eine Hand.

Der Lebensraum des Sonnentaus ist das Moor. Diesen kennzeichnet nicht die Fülle an Nährstoffen, sondern der Mangel. Die Carnivorie ist daher nicht als Völlerei zu deuten, sondern wohl eher als eine Antwort der Evolution auf den extremen Nährstoffmangel, was als Peinomorphose bezeichnet wird. Ohne Insektennahrung aufgezogen vegetiert der Sonnentau vor sich hin. In Versuchen konnte gezeigt werden, dass mit zusätzlicher Insektennahrung gefütterte Pflanzen die dreifache Zahl an Blüten, die fünffache Zahl an Fruchtkapseln und das dreifache Trockengewicht entwickelten.

Sonnentau enthält medizinisch wirksame Inhaltsstoffe wie Naphthochinonderivate (Plumbagin, Droseron, Ramentaceon) und Flavonglykoside (Quercetin, Myricetin, Kampferöl). Präparate wurden gegen Reizhusten, zur Herzstärkung und als Aphrodisiakum, aber auch zur Behandlung von Sonnenbrand und gegen Sommersprossen eingesetzt. Als Hustenmedizin ist er heute noch in Gebrauch. Wegen des strengen Artenschutzes sind Wildsammlungen in Deutschland untersagt. Der Bedarf wird importiert aber auch verstärkt aus Nachzuchten gedeckt.

Die Gattung Drosera mit etwa 200 Arten, die weltweit verbreitet sind, etabliert eine eigene Familie, die der Sonnentaugewächse (Droseraceae). Schwerpunkte der Verbreitung liegen in Australien, Südamerika und Südafrika. In Deutschland sind drei Arten heimisch, der Rundblättrige (D. rotundifolia), der Mittlere (D. intermedia) und der Langblättrige (D. longifolia = anglica) Sonnentau. Alle drei sind besonders durch die Entwässerung und den Abbau von Mooren gefährdet. Schutzmaßnahmen sind daher vor allem die Wiedervernässung solcher Standorte, damit das Wachstum der Torfmoose erneut einsetzen kann und in der Folge auch der Sonnentau sich wieder ansiedelt.

Unschätzbarer Wert

Moore sind für sich aber aus einem anderen höchst aktuellen Grund von unschätzbarem Wert. Sie sind hocheffiziente CO2-Senken und binden Unmengen dieses Treibhausgases. Alleine unter diesem Aspekt muss uns sehr daran gelegen sein, diese Biotope zu erhalten.

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zuletzt bearbeitet am 16.VII.2015