23.Juli 2015
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Der Akanthus und sein robuster, mitunter dornig bis stacheliger Eindruck
Karl Josef Strank
In unseren Gärten findet sich gelegentlich eine sehr ornamentale Staude, die mit keinem anderen Wort außer „prachtvoll“ angemessen beschrieben werden kann. Es handelt sich um einen Akanthus, von denen es etwa 20 bis 30 Arten in Asien, Afrika und Südeuropa gibt. Groß und prächtig ist Acanthus mollis. Diese Art wird mannshoch, entwickelt ein ausladendes Blattwerk und bringt mehrere Blütenschäfte hervor. Die Blüten stehen in kompakten, zylindrischen Ähren, die aus einer dichten, rosettenartigen Ansammlung grundständiger Blätter hervorgehen. Die Blätter sind fiederspaltig oder fiederteilig. Bei den verschiedenen Arten ist der Blattrand glatt, gelappt bis gezähnt oder dornig geformt.
Die Hochblätter, in denen die Blüten stehen, sind groß und oval ausgebildet und laufen am Rand in spitze Stachelzähne aus, die empfindlich stechen können. Zwei Vorblätter sind schmal lanzettlich und ebenfalls stachelspitzig. Die Blüten haben nur eine Symmetrieachse, sind zygomorph und stehen in Zeilen rund um den Blütenschaft in sich gebogen ab. Es sieht aus, als hätten sie den Rücken buckelig gekrümmt. Die Blütenhülle ist mit Kelch und Krone vorhanden und grundsätzlich vierzählig gebaut. Je zwei Kelchblätter verwachsen miteinander und stehen unter und über der restlichen Blüte, die sie gleichsam wie zwei schützende Hände umfassen. Sie sind dabei derb und grünlich ausgebildet wie das Hoch- und die Vorblätter. Bei Acanthus mollis sind sie an den Spitzen purpurn eingefärbt. Dann folgt der weißliche Kelch, dessen Oberlippe zurückgebildet ist. Die untere und die beiden seitlichen Lappen falten in der Knospenlage die Staubbeutel und die Narbe schützend ein. Ist die Blüte zur Bestäubung bereit, entfalten sich die drei Kronlappen und präsentieren zwischen sich und den oberen Kelchblättern den „Bestäubungsapparat“. Dieser besteht aus einem Kreis von vier fertilen Staubblättern, die paarweise zusammen stehen. Die oberen sind gerade, die unteren sind seitlich ausgebogen und bilden sozusagen ein Leitsystem für die anfliegenden Insekten. Die Staubbeutel bestehen aus nur einer länglichen Theke, die dicht bärtig behaart ist. Alle vier Theken legen sich dicht um den Griffel. Dieser ragt zwischen letzteren heraus und ist an der Spitze mit einer zweispaltigen Narbe ausgebildet, die einer Schlangenzunge ähnelt. Der Fruchtknoten ist zweikammerig ausgebildet. Jede Fruchtknotenkammer enthält nur zwei Samenanlagen. Die Bestäubung erfolgt durch Insekten. Es lohnt die Blüte und ihre Organe einmal genauer in Augenschein zu nehmen, sie ist robust aber dennoch feingliedrig gebaut.
Bereits 1753 beschrieb Carl von Linné die Gattung Acanthus. Der Name ist dem Griechischen entlehnt und bedeutet „der Dornige“. In der Tat machen die Arten einen robusten, mitunter dornig bis stacheligen Eindruck. Sie wirken majestätisch mit den oft langen Blütenähren, die wie Szepter aus dem basalen Blätterbusch aufragen. Sie sind äußerst dekorativ und werden von daher auch oft im Garten verwendet. Neben Acanthus mollis sind das vor allem A. hungaricus und A. spinosus. Sie brauchen einen sonnigen, eher trockenen Standort und werden vegetativ vermehrt mittels Teilung der Rhizome.
In der Kunstgeschichte hat das Blatt des Akanthus für das bedeutsame Akanthus-Ornament die Vorlage geliefert. Es ziert die Kapitelle korinthischer Säulen der klassischen Antike. Die Gestalt der Blätter wird in stilisierter Form aufgegriffen und als wiederkehrendes Motiv ornamental verwendet. So werden Akanthusblätter zum „Akanthusfries“ aufgereiht oder kreisförmig, symme-trisch angeordnet zur „Akanthusrosette“ oder an einer Ranke angebracht zur „Akanthusranke“.
Bis heute wird das Akanthus-Ornament als Schmuckwerk eingesetzt. Die Darstellungsformen variieren durch die Stilepochen. Früheste Belege stammen aus dem 5. Jahrhundert vor Christus. Die überladenen Zierformen des Barock kommen ohne das Akanthus-Motiv nicht aus. Als eigene Form des Ornaments entstand das Laubwerk. Die Architektur verwendet Akanthus-Verzierungen an Säulen, Decken und anderen Gebäudeteilen. Kirchen in Böhmen und in der Oberpfalz schmücken sogenannte Akanthusaltäre, deren wuchernde vergoldete Ranken jeweils Bild- und Figurenmotive umrahmen.
zuletzt bearbeitet am 12.IX.2015