3.März 2016
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Eine kleine Pflanze ganz groß der Gundermann
Astrid von Reis
Liegt kein Schnee, dann ist der wintergrüne, ausdauernde krautige kleine Lippenblütler (Lamiacea) das ganze Jahr über auf nährstoffreichen Böden in Saumgesellschaften wie an Hecken, Ufern, Auengebüschen, Waldrändern, aber auch auf Wiesen und Weiden zu finden. Der Gundermann (Glechoma hederacea), auch Gundelrebe, Erdefeu, Soldatenpetersilie, Donnerrebe etc. genannt, ist eine Pflanze, die bis zu zwei Meter lange vierkantige, blütenlose Stängel besitzt, die als Ausläufer auf der Erde kriechen, zum Teil anwurzeln und sich so vegetativ vermehren. An weiteren aufrechten Sprossachsen, die zunächst etwa zehn bis 30 Zentimeter lang werden, erscheinen im frühen Frühjahr die hübschen blau-lilafarbenen Lippenblüten, die in Scheinquirlen in den Blattachseln stehen und die ersten Insekten vor allem Hummeln anlocken. Auch diese Stiele neigen sich nach der Blüte auf den Boden und wachsen wie Ausläufer weiter. So bildet der Gundermann oft große Verbände. Darüber hinaus werden die Früchte (Klausenfrüchte) über Klebausbreitung und über Ameisen verbreitet. Das natürliche Vorkommen liegt in weiten Teilen Europas und Asiens.
Allein die vielen Namen weisen darauf hin, dass der Gundermann in der Volksmedizin und im Volksglauben mindestens seit den alten Germanen eine große Bedeutung hat. Einem wichtigen Nutzen als Heilpflanze verdankt die Pflanze vermutlich ihren deutschen Namen ‚Gundermann’. Die Pflanze gilt als „Herrin des Eiters“ (Gund = althochdeutsch, Eiter oder Beule). Hildegard von Bingen (12. Jahrhundert) empfahl ihn zur Wundbehandlung, bei Bronchialkatarrhen und auch bei Erschöpfung. Tabernaemontanus (16. Jahrhundert) schreibt: „Diß Kraut samt Stängel und Blumen gepulveret / oder ein Tranck daraus gemacht / ist gut den Schwindsüchtigen und die Eiter auf der Brust haben.“
Ätherische Öle, Gerbstoffe, Harze, Saponine, Vitamin C und Bitterstoffe machen den Gundermann zu einem entzündungshemmenden, wundheilenden Kraut, das auch entgiftend, schleimlösend, antibakteriell und harntreibend wirkt. In der Komplementärmedizin wird Gundermann auch heute verwendet, in der Schulmedizin spielt er bislang kaum eine Rolle, bestimmte Inhaltsstoffe werden im Hinblick auf die Krebsmedizin untersucht. In Maßen verträgt der Mensch den Gundermann gut, für Pferde und einige weitere Säugetiere ist er allerdings giftig.
Interessant ist auch das Wort Soldatenpetersilie: Es weist darauf hin, dass Gundermann eine beliebte, allgemein verfügbare Gewürzpflanze war. Er durfte auch in der Gründonnerstagssuppe nicht fehlen. Der Geruch und Geschmack der leicht herz- bis nierenförmigen, gekerbten Blätter wird als harzig-aromatisch, minzähnlich und lakritzartig beschrieben. Mit ihm wurde auch anstelle von Hopfen ein bitter schmeckendes Bier gebraut.
Der Begriff Gundelrebe kann (auch) von dem Wort „gundareba“ (Althochdeutsch, Bezeichnung für nah am Boden wachsende, rankende Pflanzen) abgeleitet sein. Der lateinische Gattungsname ist hergeleitet vom griechischen Wort glechon (= Polei-Minze), welches Linné auf den Gundermann übertragen hat, obgleich die Gattung näher mit der Katzenminze verwandt ist. Hederacea (lat.) heißt efeuartig, was auf den Wuchs und die langen Triebe hinweist.
Auch im Aber-, Hexen- und Zauberglauben spielte der Gundermann eine Rolle. So schreibt der Magister Johannes Praetorius in seinem „Satyrus etymologicus“ (1672): „Wenn man Gundermann auf Walpurgisabend (30. April) sammelt und hernach mitten in der Nacht einen Kranz daraus macht und solchen am folgenden Tag auf den Kopf setzt, so kann man alsdann die Hexen erkennen, da eine auf ihrem Kopf wird haben einen Schemel oder Kutschebank, die andere eine Malte (großes Schaff) oder Kelte (Kübel).“ Damit die Kühe gute Milch gaben, wurde vorbeugend die erste Milch nach dem Austrieb durch einen Gundelrebenkranz gemolken. Die Bezeichnung Donnerrebe weist darauf hin, dass die Pflanze bei den Germanen dem Donnergott Donar geweiht war. Kleine, getrocknete Sträußchen schützten vor Blitzschlägen. Kleine Pflanze mit großer Bedeutung.
zuletzt bearbeitet am 24.III.2016