14.April 2016

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Was macht den Frühling bunt? Pflanzenfarben und Färberpflanzen

Angelika Greif

Wer Frühling ist da, und die Pflanzenwelt begrüßt uns mit einem Meer von Farben. Warum leisten sich Pflanzen eigentlich den Luxus der Farbigkeit, den wir im Winter so vermisst haben . . . „nur“, um für Insekten attraktiv zu sein? Natürlich haben Pflanzenfarben Signalcharakter und sollen jetzt potenzielle Bestäuber auf Blüten aufmerksam machen.

Doch in puncto Farbstoffe geht es den Pflanzen um viel Grundsätzlicheres: nur sie ermöglichen es, aus dem Sonnenlicht die Wellenlängen herauszufiltern, die die Pflanze für Aufbau und Wachstum braucht. Lediglich das für die Energiegewinnung nicht nutzbare Licht wird reflektiert und trifft auf unser Auge – und wir registrieren diese ungenutzten Wellenlängen als das Gelb der Narzisse oder das Blau des Vergissmeinnichts.

Farbstoffe besitzen alle Pflanzen, als Färberpflanzen waren für den Menschen aber nur die von Interesse, die drei Kriterien erfüllten: gute Anbaubarkeit, Rentabilität und färbetechnisch einwandfreie Ergebnisse. Und so gelangten vom 17. bis zum 19. Jahrhundert einige wenige dieser Pflanzen auch zu wirtschaftlicher Blüte. In Deutschland baute man Waid und Krapp, aber auch Färber-Resede in größerem Maßstab an.

Erst im zweiten Standjahr bildet der zu den Kreuzblütengewächsen gehörende Färber-Waid (Isatis tinctoria) eine Vielzahl von gelben Blüten aus. Die Vorstufen des gewünschten Farbstoffs (Indican und Isatan-B) hingegen enthalten die Blätter des ersten Standjahres, in dem die Pflanze lediglich eine Blattrosette bildet. Um den wasserunlöslichen Farbstoff der getrockneten Blätter in eine wasserlösliche Form zu überführen, wurde er in den Blaufärbereien mit geklärtem Urin versetzt (Verküpen) und das Färbegut gefärbt – doch noch zeigte sich die gewünschte blaue Farbe nicht.

Hierzu musste das Färbegut erst mit Luftsauerstoff in Kontakt treten (Verblauen), und das brauchte Zeit. Setzte also ein Blaufärber am Samstag die Küpe an und färbte am Sonntag, verblaute das Färbegut am Montag von ganz allein . . . und der Färber konnte „blaumachen“.

Mit einem indischen Importschlager änderte sich zwar an der Prozedur des Blaufärbens nichts, doch der Färberwaid verlor bei uns jegliche wirtschaftliche Bedeutung, denn die indische Pflanze Indigofera tinctoria enthielt im Vergleich zum Waid den dreißigfachen Farbstoffgehalt. Aber chemisch gesehen besitzen beide Pflanzen denselben blauen Farbstoff – das Indigo.

Krapp (Rubia tinctorum) ist eine alte Kulturpflanze aus dem östlichen Mittelmeerraum, die bereits im mittelalterlichen „Capitulare de villis“ Karls des Großen als Anbauempfehlung zu finden ist. Wer Krapp als Färberpflanze ernten will, muss graben, denn in der inneren Wurzelrinde befindet sich der meiste Farbstoff, das Alizarin. Schonend getrocknet, entfaltet die Krappwurz in Händen eines kundigen Rotfärbers ein Farbspektrum, das über Braunrot bis hin zu Blauviolett reicht.

Unerreicht in Brillanz und Farbechtheit war lange Zeit ein Krapp-Rotton, der seit den Kreuzzügen in Europa bekannt war – das Türkischrot, in dem die Türken unter anderem die traditionelle Kopfbedeckung, den Fes einfärbten. Es dauerte bis zum 18. Jahrhundert, bis das Geheimnis um die zugehörige Färbetechnik endlich gelüftet wurde und in Europa zur Anwendung kam. Für die vereinfachte Türkischrotfärberei benötigte man dann „nur noch“ 40 Arbeitsgänge, die 26 Tage in Anspruch nahmen.

Doch alle Kunst findet ihr Ende, wenn die Wirtschaftlichkeit wieder das Zepter übernimmt. Im Jahr 1869 entwickelten die deutschen Chemiker Carl Graebe, Carl Liebermann und Heinrich Caro das künstliche Alizarin und 1878 gelang Adolf von Baeyer die erste Indigosynthese. Farbkräftigere Ergebnisse, leichtere Dosierung, keine Ernteabhängigkeit und keine wechselnden Farbqualitäten – die Bedeutung beider Naturstoffe versiegte rasch.

Und heute? Bei synthetischen Färbeprozessen werden Rohstoffe verbraucht und gesundheitsbedenkliche Zusatzstoffe eingesetzt. Unter dem Aspekt „Nachhaltigkeit“ lohnt es sich so auch zunehmend wirtschaftlich, über den Einsatz von natürlichen Farbstoffen nachzudenken – nicht nur beim Färben der Ostereier.

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zuletzt bearbeitet am 17.VII.2016