9.Juni 2016

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Diptam – der Busch, der manchmal sogar „in Flammen steht“

Joachim Schmitz

Eine der exotischsten Erscheinungen der heimischen Flora ist der Diptam (Dictamnus albus). Er ist der einzige heimische Vertreter der Familie Rautengewächse (Rutaceae) und damit verwandt mit Zitronen und Orangen! Die natürliche Verbreitung erstreckt sich entsprechend vom Mittelmeer bis weit nach Innerasien hinein.

Im Rheinland liegen die nördlichsten Vorposten an Nahe, Mosel und Mittelrhein. Die Art ist äußerst wärmeliebend und wächst hier vor allem auf mikroklimatisch begünstigten Standorten mit offenen Felsgebüschen. Der Boden sollte mehr oder weniger basisch sein. Das müssen nicht unbedingt Kalkböden sein, das können auch magmatische (vulkanische) Böden oder Schiefer mit einem gewissen Kalkgehalt sein.

Die Art ist eine der wenigen, die in Nordrhein-Westfalen in der Roten Liste mit 0 geführt werden, also ausgestorben bzw. verschollen sind. Es gab eh nur einen einzigen Fundort in Nordrhein-Westfalen. Das war das (sicher sehr kleine) Vorkommen am Drachenfels bei Königswinter. Ob der Standort durch menschlichen Einfluss erloschen ist, oder einfach der Felsen weggebrochen ist, vermag der Verfasser nicht zu sagen. Heute liegt das nördlichste Vorkommen rechtsrheinisch in den Felsen gegenüber Andernach. Von dort ist auch die nebenstehende Abbildung.

Der Diptam wird auch als „Brennender Busch“ bezeichnet. Das liegt daran, dass er – wie seine Verwandten Zitronen und Orangen – ziemlich viel sogenannte etherische Öle enthält. Das sind schlecht wasserlösliche Substanzen, die aber oft leicht flüchtig sind und den Geschmack und Geruch von Pflanzen bestimmen. Beim Diptam sind sie auch brennbar. Bei Hitze und Windstille kann sich um eine Diptampflanze so eine Wolke bilden, die durch einen Funken tatsächlich eine Stichflamme hervorrufen kann. Es liegt nahe, dass Leute dann auch im Diptam den brennenden Busch aus der biblischen Erzählung um Moses und den 10 Geboten am Sinai vermutet haben. Nach dem britischen Botaniker F. Nigel Hepper (Pflanzenwelt der Bibel. – London 1992) ist das eher unwahrscheinlich. Die dem Sinai nächsten Vorkommen des Diptams liegen im Libanon, und das ist so weit weg, dass ein Zusammenhang unwahrscheinlich ist. Hepper vermutet eher, dass es sich bei dem brennenden Busch um eine mystische Erscheinung handelt, die nicht auf eine konkrete Pflanze zu beziehen ist. Nach dieser Quelle wird am heute noch bestehenden Kloster am Fuße des Berges Sinai die Blutrote Brombeere (Rubus sanguineus) als „Brennender Busch“ kultiviert. Bei dieser Brombeere erweckt aber allenfalls die leuchtendrote Blütenfarbe die Assoziation zu irgendwas Brennbarem.

Der Diptam ist auch offizinell, war also als Heilpflanze in Gebrauch. Sowohl die Blätter („Dictamni folium“) wie der Wurzelstock („Dictamni albi radix“) wurden in der Volksheilkunde als Wundheilmittel, bei Menstruationsbeschwerden und als harntreibendes Mittel benutzt. Deshalb findet sich der Diptam im Capitulare de Villis Karls des Großen und damit auch im Karlsgarten wieder. Dass diese sehr wärmeliebende Art zum ‚Pflichtprogramm‘ für alle Reichsgüter erklärt wurde, ist auch ein Indiz dafür, dass es um 800 n. Chr. deutlich wärmer als heute gewesen sein muss.

Der Diptam ist auch im Sortiment von Staudengärtnereien enthalten. Was ihre Ansprüche an Boden und Klima angeht, stehen die Zuchtformen der Wildform noch sehr nahe und sind deshalb nichts für Gartenanfänger. Das ist wohl auch der Grund, warum sie immer seltener im Handel angeboten werden.

 

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zuletzt bearbeitet am 14.VII.2016