14.Juli 2016

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Ringelblume – Balsam für Mensch und Tier

Astrid von Reis

Er liebt mich, liebt mich nicht“ – ein Liebesorakel nicht nur beim Gänseblümchen. Auch bei der Ringelblume vertrauen die Verliebten auf das Orakel und zählen die um die Röhrenblüten wachsenden Zungenblüten und hoffen, dass das letzte Blütenblatt mit „er bzw. sie liebt mich“ endet. Bei der Ringelblume sollte man allerdings darauf achten, die Zungenblüten nicht abzuzupfen, da dies „Gewitter heraufbeschwören soll“. Doch es gibt noch mehr Gemeinsamkeiten. Die Ringelblume ist wie das Gänseblümchen ein Vertreter der Familie der Korbblüten- oder Asterngewächse (Asteraceae). Beide helfen bei Hautproblemen, sind sehr blühfreudig und vermutlich die ersten Pflanzen, mit denen mindestens hiesige Kleinkinder in Berührung kommen: Das Gänseblümchen zieht Kinder bei ihren ersten „Wiesenexpeditionen“ magisch an und verleitet sie zum Pflücken und Verschenken an Mama, und die Ringelblume bzw. vielmehr ihr Extrakt landet bei vielen recht früh in Form von Calendulasalbe auf ihrem von Windelausschlag gezeichneten Popo.

Die Ringelblume, eine meist einjährige Pflanze mit dem lateinischen Namen ‚Calendula officinalis’ ist eine der ältesten Kulturpflanzen, besitzt seit jeher eine große Bedeutung in der Heilkunde und ist in vielen Gärten ein beliebter, relativ anspruchloser und lange blühender Blickfang. Sie stammt vermutlich aus dem Mittelmeerraum und wird in den gemäßigten Zonen der Erde kultiviert.

Der Gattungsname ‚Calendula’ hat einige Ableitungen erfahren. Er kann einerseits „kleiner Kalender“ bedeuten und sich auf die photonastische Empfindlichkeit der Pflanze beziehen – sie öffnet und schließt ihre Strahlenblüten im Tag- und Nachtrhythmus. Ihre unerschöpfliche Blühfreudigkeit, womit sie auch als Symbol für Unvergänglichkeit steht, kann auch eine Erklärung des Namens sein: Lateinisch ‚kalendae’ heißt so viel wie “der Monatserste“, die Ringelblume blüht an vielen dieser Tage. Neuere Erklärungen gehen jedoch von den Wörtern ‚calt(h)ula’ (lateinisch) = Frauenkleid von gelber Farbe oder dem griechischen Wort ‚kálathos’ = geflochtener Korb aus.

Erste Belege für den unzweifelhaften deutschen Namen finden sich bei Hildegard von Bingen: Ringula oder Ringella, auf Grund der ringförmig gewundenen Schließfrüchte (Achänen), die aus den Zungenblüten ausgebildet werden. Dass die Früchte nicht alle gleich aussehen (Heterokarpie), manche wie Kähne, Haken oder Larven, hat mit unterschiedlichen Bestäubungsarten zu tun und bietet den Vorteil, dass sie über mehrere „Träger“ verbreitet werden: Wind, Pelz- und Federtiere, Ameisen.

Im alten Griechenland, bei den Römern und auch in der indischen und arabischen Kultur war diese buschig und bis 60 cm wachsende, aromatisch riechende Pflanze mit den endständigen, leuchtend gelben bis orangefarbenen, aus vielen Einzelblüten zusammengesetzten Blütenköpfen als Arzneipflanze, Färbepflanze (Färben von Butter oder Reis, als Safranersatz), Lebensmittel (Blüten und Kraut) oder für Kosmetika sehr bekannt. Bedenkt man, dass Karl der Große mit seinen Heerscharen streckenmäßig rund drei Mal um die Erde geritten ist, liegt nahe, dass ein Mittel zur Behandlung von kampfbedingten Verletzungen und dem wundgerittenen „verlängerten Rücken“ in Klöstern und Höfen vorzuhalten war – die Pflanze steht in seiner Landgüterordnung. Mit den entzündungshemmenden, Pilz- und Bakterienwachstum unterbindenden Stoffen (unter anderen Triterpendiole, Saponine, Carotinoide, Xanthophylle, Allantoin aus den Blüten) wurden und werden auch Wunden bei Pferden, Eseln, Schafen, Rindern, Hunden usw. mit Ringelblumentinktur oder -salbe behandelt. Sie fördert die Bildung von Granulationsgewebe und hiermit die Wundheilung bei Entzündungen, schlecht heilenden Wunden, Quetschungen, Ausschlägen usw. Spülungen mit Calendula helfen bei entzündeter Mund- und Rachenschleimhaut, in der Volksmedizin wird sie auch bei Magen- und Darmgeschwüren und schmerzhafter Menstruation verwendet.

Die Ringelblume: Balsam in Form von Teeaufgüssen, wässrigen Auszügen, Tinkturen, Extrakten und Salben.

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zuletzt bearbeitet am 18.VII.2016