6.Okt.2016
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Safran ein Schwertliliengewächs, das im Herbst blüht
Ruth Gestrich-Schmitz
„Der Safran (Crocus sativus) aus der Familie der Schwertliliengewächse (Iridaceae) ist eines der merkwürdigsten Gewürze. Bei anderen Pflanzen nützt man die würzende Kraft von Stängeln, Blättern, Früchten, Samen, Wurzeln und Blüten. Man kann verstehen, dass irgendwann einmal Menschen die herbe, bittere, scharfe oder süße Kraft dieser Pflanzenteile entdeckten. Wer aber ist auf die ungewöhnliche Idee gekommen, mit dem Sammeln der dreigeteilten Narben einer Blütenpflanze zu beginnen, wer entdeckte, dass diese intensiv färben und dazu noch würzende Eigenschaften besitzen?“ So schreibt Hansjörg Küster in seinem Lexikon zur Kulturgeschichte der Gewürze „Wo der Pfeffer wächst“. Diese Frage lässt sich nicht beantworten. Crocus sativus ist nur als Kulturform bekannt. Er bildet keine Samen, ist steril, was auf seinen dreifachen Chromosomensatz zurückzuführen ist. Man vermutet, dass die Wildform in Griechenland oder dem Vorderen Orient beheimatet war und die Kulturform aus Crocus cartwrightianus hervorgegangen ist. Safran wird heute vor allem im Iran, in Afghanistan, Kaschmir und im Mittelmeerraum, sogar seit Ende des 20.Jhs. in kleinem Maßstab in Österreich, der Schweiz und in Deutschland angebaut.
Ähnlich wie die Herbstzeitlose (Colchicum autumnale) aus der Familie der Zeitlosengewächse (Colchicaceae) blüht der Safran nicht, wie die meisten Krokusse, im Frühjahr, sondern im Herbst. Aus einer von netzfaserigen Scheidenresten umgebenen Knolle entspringen lineal-grasartige Blätter mit hellem Mittelstreifen und kurz darauf blau bis violette Blüten. Deren sechs Blütenblätter umschließen drei gelbe Staubblätter und den Griffel mit drei orange-roten, etwa 3 cm langen, aber nur wenige Millimeter breiten Narbenästen. Schon lange vor Christi Geburt wurde Safran im Orient kultiviert. Die Farbstoffe (Carotinoide) der Narbenäste waren begehrt zum Färben von Kleidung und Speisen. Man kann sich vorstellen, dass die Ernte dieser Safranfäden von Hand sehr Zeit- und Personal-aufwändig ist. Etwa zweihunderttausend Blüten müssen geplündert werden für die Ausbeute von einem Kilo Safranfäden! Dementsprechend war Safran schon von jeher ein äußerst teurer und exquisiter Luxus. Im Mittelalter kostete ein Pfund davon so viel wie ein Pferd. Nur die Reichsten konnten sich diesen Luxus leisten. Mit den Mauren, die nach Spanien vordrangen, und mit den Kreuzrittern gelangte der Safran nach Mitteleuropa. Bei einem Festmahl mit Safran-gewürzten Speisen demonstrierte man in Adelskreisen Reichtum und Macht. Weil Safran sehr begehrt und teuer war, versuchten immer wieder Fälscher, andere Stoffe - wie die Blütenblätter der Färberdistel oder der Ringelblume - als Safran auszugeben oder ihn damit zu strecken. Dieses „Safranschmieren“ wurde im Mittelalter mit hohen Strafen geahndet: Safranfälscher kamen in Nürnberg auf den Scheiterhaufen oder wurden lebendig begraben mitsamt ihrer Ware.
Safran war und ist nicht nur ein traditionelles Kuchengewürz („Backe, backe, Kuchen, … Safran macht den Kuchen gel“ (gelb)), sondern wird auch zur Verfeinerung von italienischem Risotto und Bouilabaisse, der provenzalischen Fischsuppe verwendet. Er dient ebenso als Zusatz für edle Liköre oder Käsesorten. Verantwortlich für die wasserlösliche, intensiv gelbe Farbe ist das Crocin, für den bitteren Geschmack das Picrocrocin, die beide beim Trocknen der Narbenschenkel aus dem darin enthaltenen Protocrocin entstehen. Das ätherische Öl des Safrans enthält Safranal, das ihm seinen typisch strengen Geruch verleiht. Diese Inhaltsstoffe sind allesamt giftig: In hoher Dosierung treten Erregung, Unruhe, Kopfschmerzen, Erbrechen, Lähmung des Zentralnervensystems auf, bis hin zum Tod. Bei Verwendung als Gewürz sind die Mengen jedoch so gering, dass Nebenwirkungen in der Regel nicht auftreten.
Safran hat auch eine lange Tradition als Heilmittel. Seine Wirkungen sind teilweise durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt: Er kommt als Nerven-Beruhigungsmittel und Antidepressivum, bei Hustenkrämpfen und Koliken zum Einsatz. Es gibt Hinweise, dass sein neuroprotektives, antioxidatives Potential bei Augenkrankheiten wie Makula-Degeneration wirkt. Hoffnungen liegen auch in einer möglichen toxischen Wirkung des Safranals auf Krebszellen. In einem EU-geförderten Projekt forschen Wissenschaftler an der Möglichkeit, die medizinwirksamen Inhaltstoffe biotechnologisch herstellen zu können.
Dem Safran wird zudem seit alters her eine aphrodisierende Wirkung zugeschrieben. Ob als Gewürz, als Raumparfum oder als Badezusatz, die Pharaonen und auch Kleopatra sollen damit den Liebeszauber gestärkt haben.
zuletzt bearbeitet am 7.X.2016