20.Okt.2016

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Abermillionen Früchte – - Überlebensstrategie sorgt für reich gedeckten Tisch

Astrid von Reis

Kaum Blätter und jetzt schon richtig braun gefärbt – wie sehen denn die Buchen in diesem Jahr aus? Vertrocknet durch die lange Trockenzeit im Sommer?

Ob im Aachener Wald, im Düsseldorfer oder Hambacher Forst, ob in Wäldern oder an solitär stehenden Bäumen in Deutschland, in diesem Jahr ist offensichtlich, dass sich einige Baumarten anders „verhalten“ als sonst. Vor allem die Rotbuche (Fagus sylvatica): Bei näherem Hinschauen fallen tatsächlich nur wenige, kleinere grüne Blätter auf, dafür aber unzählige Früchte, die für die Braunfärbung verantwortlich sind. Und nun im Herbst fallen Millionen von Bucheckern aus ihren stacheligen, vierklappigen Fruchtbechern auf den Boden, die wenigen Blätter gehen allmählich in die Herbstfärbung über.

Auch Ahornbäume (Acer spec.) tragen unzählige ihrer hübsch geflügelten Früchte, die derzeit in Massen mit propellerartigen Bewegungen zu Boden fallen – „Ahornnasen“ satt. Die Rosskastanien (Aesculus hippocastanum) stehen ihnen in nichts nach: Tausende bestachelte Kapselfrüchte entlassen derzeit ihre glänzenden, braunen Samen nicht nur zur Freude der Kinder, die in diesem Jahr darin „ baden“ und zahlreiche Kunstwerke daraus basteln können.

Die Äste der Hainbuchen (Carpinus spec.) hängen über und über mit langen ährigen Fruchtständen, aus denen sie jetzt mit und mit kleine geflügelte Nüsse entlassen. Und unter den Linden sah es schon vor einiger Zeit wie mitten im Herbst aus, obwohl ihre Blätter noch grün waren. Tausende mit den Schließfrüchten über eine Achse verbundene bereits braun gewordene Hochblätter waren schon früh zu Boden gefallen. Die Eichen (Quercus spec.) tragen auch viele Früchte, allerdings nicht so viel wie die vorgenannten Waldbäume.

2016 ist ein so genanntes Mastjahr – ein Jahr mit starkem Fruchtbesatz. Für die Rotbuche, Kastanie und den Ahorn ein extremes Mastjahr, für die anderen ein gutes Mastjahr. Mast steht in der Sprache der Förster und Jäger für Futter der Wildtiere und geht auf die Zeit der Waldweidewirtschaft zurück, in der das Vieh zum Fressen in die Wälder getrieben wurde. In einem Mastjahr zum regelrechten Mästen. Ausschlaggebend sind die Frühsommermonate des Vorjahres. Sind sie trocken und warm, dann bilden sich mehr Blüten- als Triebknospen aus. Letztlich handelt es sich um eine Überlebensstrategie der Bäume. Es werden so viele Früchte produziert, dass Fressfeinde wie Eichhörnchen, Wildschweine, Hirsche, Mäuse, Vögel wie Eichelhäher und Finken den Tisch derartig reich gedeckt bekommen, dass sie das riesige Futterangebot nicht bewerkstelligen können und viele Samen übrig bleiben. Hiervon können dann welche auskeimen und zu neuen Bäumen heranwachsen.

Der Abstand zwischen zwei Mastjahren hängt vom Biorhythmus der Arten ab, er ist meist unregelmäßig, womit verhindert wird, dass Parasiten wie Insekten sich ihrem Entwicklungszyklus anpassen können. Der Wechsel zwischen fetten und mageren Jahren steuert auch das ökologische Gleichgewicht: Viel Nahrung bedeutet große Vermehrungsrate, bei wenig Nahrung sinken die entsprechenden Tierpopulationen. Ein Baum benötigt für die Ausbildung der vielen Früchte sehr viel Energie, die Assimilationsprodukte gehen hauptsächlich in die Samen, das Kronen- und Holzwachstum ist verringert und er braucht einige Jahre um sich zu erholen.

Neben dem Biorhythmus spielen auch Umwelteinflüsse und Stress eine große Rolle. So wird beobachtet, dass sich die Zeitabstände verringern: die letzten Mastjahre der Rotbuche waren 2014, 2011, 2009 und sind von bislang drei bis sechs Jahren auf zwei bis drei Jahre gesunken. Höhere Durchschnittstemperaturen und Stress durch hohen Stickstoffeintrag, Pilzbefall, etc. führen zur Verschlechterung der Gesundheit. Die Bäume reagieren zur Arterhaltung mit erhöhter Produktion von Früchten, was den einzelnen Baum weiter schwächt.

Freuen wir uns jetzt mit den Tieren über einen reich gedeckten Tisch, machen Kapern aus Ahornsamen, Kaffee aus Eicheln, bauen mit den Kindern Kastanientiere und – werden bei der Energiewende aktiv.


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zuletzt bearbeitet am 20.X.2016