29.Dez.2016

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Rieselt es schon oder sitzen die Nadeln noch fest?

Astrid von Reis

Soll der Weihnachtsbaum gemäß den alten Bräuchen so lange in der Wohnung stehen bis die heiligen drei Könige die Krippe erreicht haben oder sogar bis Maria Lichtmess? Vielleicht steht der Weihnachtsbaum auch schon seit dem 1. Advent in der Wohnung. Damit nicht schon nach zwei bis drei Wochen, trotz aller Bewässerungskünste, ein schwach benadeltes Gerippe in der Wohnung steht und die gegebenenfalls darunter stehende Krippe im grünen Blätterfall verschwindet, war man gut beraten, bei der Wahl des Baumes exakt hin zu schauen. Fichte oder Tanne, das ist hier die Frage.

Auch wenn es sicherlich „logischer“ ist eine Tanne (Abies spec.) und nicht eine Fichte (Picea spec.) mit dem wohl bekanntesten säkularen deutschen Weihnachtslied von E. Anschütz, dem „O Tannenbaum“, zu besingen, ist dies sicher nicht so bedeutend für die Auswahl. Der Weihnachtsbrauch geht auf verschiedene Kulturen zurück und andernorts werden Palmen, Zedern und vieles mehr besungen. Wesentlich war und ist hier die Symbolik: Grün steht für die Treue und die Hoffnung auf Leben (nicht nur) im dunklen Winter. In immergrünen Pflanzen steckt Lebenskraft und Gesundheit und man holte sich dies um die Wintersonnenwende an bzw. in das Haus. In nördlichen Breiten wurden die Zimmer mit grünen Zweigen von Nadelbäumen oder gleich mit ganzen Bäumen, die von der Decke herunter hingen, dekoriert. Seit etwa 500 Jahren wurde in vornehmen, mitteleuropäischen Häusern dann ein geschmückter Nadelbaum aufgestellt. Erste Aufzeichnungen über den Weihnachtsbaum als allgemein üblichen Brauch gibt es seit etwa 400 Jahren.

Der allgemeine Bedarf konnte allerdings erst ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gedeckt werden. Seit dieser Zeit wurden zunehmend Nadelwälder mit in Europa heimischen Fichten angelegt – vorwiegend für die Holzproduktion. So stand bis Ende der 1950er Jahre fast ausschließlich die Gemeine Fichte (Picea abies) als Weihnachtsbaum in der deutschen Wohnung. In den 1960er Jahren bis in die Mitte der 1970er Jahre kam dann die dichter wachsende Blau- oder Stechfichte (Picea pungens „glauca“, heimisch in den Rocky Mountains) auf den Markt. Und ab Anfang der 1980er Jahre kam die Nordmann-Tanne (Abies nordmanniana, heimisch v.a. im westlichen Kaukasus und im Ostpontischen Gebirge) und begann ihren Siegeszug: mit fast 80 Prozent der rund 29 Millionen Weihnachtsbäume in Deutschland (2015) ist sie heute der mit Abstand beliebteste Baum vor der Blaufichte mit 15 Prozent, sonstige Fichten mit sechs Prozent und der Edeltanne/Nobilistanne mit zwei Prozent (2015). Die meisten Bäume stammen aus Anbaugebieten (insgesamt 40 000 Hektar) in Dänemark, dem Sauerland und Schleswig-Holstein.

Warum (Edel-)Tannen? Kein Nadeln! Kein Pieken! Dies ist die Erklärung für den Siegeszug, obwohl sie im Gegensatz zu den Fichten nicht so schön duften und wesentlich teurer sind.

Doch wieso rieseln die Nadeln der Fichte und bei der Tanne nur ganz wenig oder gar nicht? Die Blätter beziehungsweise Nadeln der Tanne sind an der Spitze abgerundet und beim Berühren stechen sie einen damit nicht (kein Pieken). Sie sitzen mit einem flachen runden Fuß auf dem Zweig und bleiben, selbst wenn der Baum trocken gefallen ist, noch sehr lange am Zweig hängen (kein Nadeln). Sind die Nadeln ab, fühlt sich der Zweig glatt an und kratzt nicht. Und eine weitere wichtige Unterscheidung der Bäume: Die Tannenzapfen stehen wie Kerzen aufrecht. Ab Oktober fallen die Deck- und Fruchtschuppen ab und die Samen werden vom Wind weggetragen. Unter Tannen kann daher normalerweise nie ein Tannenzapfen liegen.

Fichten haben spitz zulaufende, stechende Nadeln die jeweils auf einer kleinen Erhebung sitzen. Sie fallen bei Trockenheit schnell ab, zurück bleiben diese Erhebungen am Zweig und können einen empfindlich kratzen. Fichtenzapfen hängen am Baum. Sie fallen nach etwa einem Jahr als ganzes herab!

2017 wird die Gemeine Fichte jedoch ganz groß heraus kommen: Sie ist der Baum des Jahres. Und für die Bestimmung beim nächsten Waldspaziergang: Unter Fichten liegen regelmäßig viele Nadeln und Fichtenzapfen.

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zuletzt bearbeitet am 31.XII.2016