5.Jan.2017
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Bohnen am Dreikönigstag
Ruth Gestrich-Schmitz
Während der Jubiläumsfeier zum 1200. Todestag Karls des Großen 2014 in Aachen wurden in der Ausstellung der Domschatzkammer kleine Porzellanfigürchen aus Frankreich um 1930 gezeigt, die Szenen aus dem Leben des Herrschers darstellen, mit der Überschrift : „Bohnen“ aus einem Bohnenkuchen. Die Erläuterung dazu klärte darüber auf, dass man am Dreikönigstag, dem 6. Januar, zunächst im französischen Sprachraum, später auch im übrigen Europa, ursprünglich eine Bohne, seit dem 19.Jh. Porzellanfigürchen, in einen Kuchen einbackte. Wer in seinem Kuchenstück die Bohne fand, war Bohnenkönigin oder Bohnenkönig und durfte sich an diesem Tag auch so feiern lassen. Warum ein solcher Brauch am Dreikönigstag? Das liegt wohl daran, dass Bohnen in der christlichen Symbolik als Sinnbild für die Wiedergeburt Christi stehen, und dass Bohnen seit jeher im Winter als Gemüse verfügbar sind.
In der Antike spielte die Ackerbohne Vicia faba als Speise für die Lebenden und als Opfergabe für die Verstorbenen eine wichtige Rolle. Bei den Griechen gab es einen eigenen Bohnengott, Kyamitos, in dessen Tempeln Bohnensamen geopfert wurden. Bohnen waren ein verbreitetes Nahrungsmittel und sind in der Bibel als häufigste Hülsenfrucht genannt. Schon zur Eisenzeit wurden im Rheinland auf Bauernhöfen Ackerbohnen gezogen. Bis zum Ende der Römerzeit kannte man nur kleinsamige Sorten. Großsamige Sorten, die typischerweise als „Dicke Bohnen“ bezeichnet werden, sind erst seit dem Mittelalter aufgetreten. Archäobotanische Funde weisen darauf hin, dass die Ackerbohne im Mittelalter die wichtigste Hülsenfrucht in Mitteleuropa war. In der Pflanzenliste der Landgüterverordnung Karls des Großen ist sie unter dem Namen fabas maiores aufgeführt. Erst mit der Ausbreitung der aus Amerika stammenden Gartenbohne (Phaseolus vulgaris) ging der Anbau der Ackerbohne für die menschliche Ernährung zurück.
Die Ackerbohne, wegen ihrer Verwendung als Viehfutter auch Sau- oder Pferdebohne genannt, ist eine einjährige, frosttolerante Kulturpflanze, die nährstoffreiche, kalkhaltige Böden liebt, und die einen großen Bedarf an Boden- und Luftfeuchtigkeit hat und dementsprechend früh im Jahr (Februar bis März) gelegt werden muss. Sie wächst aufrecht mit unverzweigtem, kahlem, vierkantigem Stängel, an dem die fleischigen, hellgrau-grünen, paarig gefiederten, rankenlosen Blätter wechselständig angeordnet sind. Von Juni bis Juli erscheinen an kurzen Stielen in den Blattachseln ein bis sechs stark duftende, weiße Schmetterlingsblüten mit dunkelvioletten Saftmalen. Zur Fruchtreife enthalten die 8 bis 12 Zentimeter langen, kahlen Hülsen je drei bis sieben graugelbe, hell- bis schwarzbraune, rötliche oder grünliche Samen, die wegen ihres hohen Gehalts an Eiweiß (20-30%) und Kohlenhydraten (ca. 60%) sehr nahrhaft sind. Im Rheinland und in Westfalen werden die halbreifen Samen gerne als Gemüse gegessen oder vollreif für Eintöpfe verwendet. „Decke Bunne met Speck“ sind eine bis heute beliebte traditionelle Speise.
Wegen ihrer stark blähenden Eigenschaft galten Bohnen in gehobenen Kreisen als nicht fein. Als Nahrung des einfachen Volkes wurden sie zum Symbol der Armen, des Unreinen, der groben Materie, die den Aufschwung des Geistigen verhindert, was sich in Redewendungen wie „Dumm wie Bohnenstroh“ oder „Nicht die Bohne wert“ niederschlägt.
Die Ackerbohne kam im Altertum als Heilmittel zum Stillen von Husten oder bei der Behandlung der Ruhr, einer bakteriellen und infektiösen mangels Hygiene sich seuchenartig ausbreitenden- Darmerkrankung zum Einsatz, wie Dioskorides (1.Jh.n.Chr.) berichtet.
Interessant sind bei der Ackerbohne als Inhaltsstoffe die Glykoside Vicin und Convicin. Sie können bei Menschen mit angeborenem Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel beim Einatmen des Blütenstaubs oder dem Genuss der Bohnen“ Favismus“ auslösen: Es kommt zur Hämolyse, zur schnellen Zerstörung der roten Blutkörperchen. Wissenschaftler von der ETH Zürich interessieren sich für einen weiteren Inhaltstoff der Ackerbohne, die Aminosäure L-DOPA (L-3,4-Dihydroxyphenylalanin). Sie haben Hinweise gefunden, dass eine verstärkte L-DOPA-Produktion in den extrafloralen, außerhalb der Blüte sitzenden, Nektarien (Nektar-ausscheidende Drüsengewebe) die benachbarten Blätter vor Fraßfeinden schützt.
zuletzt bearbeitet am 12.IV.2017